Als ich mir neulich die ersten Gedanken zu meinem klanglichen Verlauf des ausgelaufenen Jahres Zwanzigvierundzwanzig machte, ist mir direkt nahezu Unfassbares untergekommen: Einen ganz frühen Zugang konnte ich just nicht finden!! In der Ramschkiste vorm Dealer-Headquarter fiel mir nämlich ziemlich früh im Jahr ein Album von Ernst Busch, Hans Eisler und Bert Brecht namens bb - Legenden, Lieder und Balladen 1914 – 1934 in die Hände. Soweit ich es erinnere, singt Ersterer Lieder vom Zweiten mit Texten vom Letztgenannten. Dort finden sich so Stücke wie etwa das „Solidaritätslied“ aus 1931, das heute mal wieder aktuell wie eh und je sein dürfte, aber auch noch ein paar andere betagte und hoch interessante Perlen. Ich hoffe doch schwer, dass ich die nur blöd irgendwo falsch einsortiert habe und sie mir nicht auf unergründlichen Wegen abhanden gekommen ist. Welch Schreck zum Auftakt!!
Ansonsten bin ich aber ganz ordentlich sortiert und kann sagen, dass mir zu Beginn des Jahres außerdem noch das schick aufgemachte Album des norwegischen Songwriter’s Øyvind Holm namens Paradox Of Laughing ins Haus kam. Eine schöne, unaufgeregte Platte, wie an anderer Stelle dieser hübschen kleinen Seite ausführlicher zu lesen ist – wie auch über manch andere hier in der Folge genannten Alben (und Konzerte sowieso...). Ziemlich weggefegt, wohl weil wesentlich aufgeregter, haben mich die SISSIES aus der Hansestadt im Norden mit ihrem schön derb-harten Rock auf Cockroach Swing. Außerdem waren unter den jahresanfänglichen Erscheinungen noch die free-jäzzenden FIRE! um den Sterne-Saxer Mads Gustafsson mit dem Album testament. Recht reduziert und zurückgenommen ist dies neuerliche Werk zu dritt und mich genau deswegen stark in seinen Bann ziehend. Damit fing das Jahr schon mal schön abwechslungsreich an.
Sehr erfreut war ich über eine Veröffentlichung der Einstürzenden Neubauten, die so ungefähr im Übergang zum zweiten Jahresquartal mit Rampen einige formidable, ehemalige Live-Improvisationen, als Studioversionen in die Welt brachten. Sehr schön das, insbesondere mit Kopfhörern. Kurz darauf eine große Entdeckung: Ein Album, das mir auf Anhieb gefiel und danach immer weiter wuchs, ist Goliath Awakes von den mir bis dahin gänzlich unbekannten ALBINOBROTHERS. Ein großes Hallo, als die beiden im Herbst im hiesigen Slow Club ihre angenehm angeschrägten Experimental-Folk-Songs auf die Leute losließen.
Im Mai krachten – bei mir mit etwas Verspätung – FULL EARTH mit ihrem zwei Monate zuvor veröffentlichten Doppelalbum Cloud Sculptors herein, das sich sehr bald zu einem gern und oft gehörten Werk entwickeln sollte; vollgepackt mit Achterbahnen aus Hard-Psych-Free-Jäzz-Sound und gänzlich instrumental gehalten gibt es hier dauerhaft viel zu entdecken. Ähnlich geht es mir mit Weejuns von der fabelhaften Gitarristin Hedvig Mollestad. Deren bereits 2023 veröffentlichte achtzigminütige Live-Aufnahme in Trio-Formation weiß mir stets ganz großes Hörkino zu bereiten. Großartig!!
Über Sommer gab es eine Flaute, was Neuzugänge in meinem Kosmos betrifft. Dafür trafen aber ab dem frühen Herbst einige Tonträger ein, die erneut für eine schön bunte musikalische Mischung an Klangwelten sorgen konnten. So etwa Tarantula Heart von den MELVINS, mit einem sehr ausufernden experimentellen Stück auf der A-Seite und ein paar echten Krachern nach Wenden des Vinyls. Auch MOTORPSYCHO ließen, trotz freien Platzes am Schlagzeug von sich hören und veröffentlichten das Album Neigh mit Stücken, die es die letzten Jahre nicht auf die Alben schafften. Hierfür brauchte ich ungewöhnlich lange, nachdem mir viele Jahre lang jedes neue Album direkt das Hirn weggeblasen hat. Außerdem sind die beiden im Vertrieb mit einem eigenen Läbel in Richtung Selbstständigkeit gegangen – und mit angekündigter Tour im Frühsommer!! Und mit der Zeit entwickeln auch manche der Songs auf Neigh ihren mitreißenden Sog...
Ansonsten erfreute ich mich gegen Ende des Sommers an einem wirklich schönen Album der DECEMBERISTS um Colin Meloy, die nach einiger Abstinenz mit As It Ever Was, So It Will Be Again ihr neuntes Studioalbum veröffentlichten, das eine Art stilistischen Best-Of mit neuen Songs darstellt. Insbesondere das monumentale „Joan in the Garden“ hat es mir sehr angetan. Auch im Bereich älterer Musik wurde ich mal wieder fündig – als da wären die Klavierwerke von Arnold Schönberg und vor allem die tolle 4. Sinfonie von Anton Bruckner. Auf letzteren stieß ich zufällig über eine Klassik-Sendung im Radio und konnte meinen Horizont in dieser Richtung auch in 2024 ein weiteres bisschen erweitern.
Dann wurde es wieder mal experimentell: Sehr angetan bin ich von CASPAR BRÖTZMANN BASS TOTEM und dessen Solo-Werk für und mit Bassgitarre The Lovers And Destroyers. Ziemlich geil, obwohl ich auch verstehe, dass über dreißigminütige Basssoli, so kunstvoll sie auch gespielt sein mögen, für nicht allzu viele Menschen zugänglich sind. Ein wenig leichter hat man es da vielleicht noch mit GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR, deren Doppelalbum No Title as of 13 February 2024 28,340 Dead beim Hören zwar auch manches abverlangt, dabei aber dennoch auch eine tröstliche Atmosphäre verströmt. Eckig und kantig wie gehabt – und leider nach dem Tod von Steve Albini zum letzten Mal – das sechste Werk von SHELLAC namens To All Trains. Im Frühsommer, zur ersten Veröffentlichung, war ich einen Tag zu spät dran und musste aufgrund des Ablebens des Masterminds wenige Tage zuvor bis Herbst auf dieses Album warten. Auch das ein Phänomen in der Kunst: Kaum ist jemand tot, steigt die Nachfrage nach den Werken ins schier Unermessliche.
Im Lauf des Oktober flog mir ein Werk der mir bis dato völlig unbekannten Monika Roscher Big Band zu. Deren bereits in 2023 veröffentlichtes Doppel-Album Witchy Activities And The Maple Death werde ich wohl noch so manches Mal hören können und dabei jedes Mal viel Neues, irgendwo zwischen Skurrilität und Experimentalität und in große Gewänder gekleidet, entdecken. Sehr geil!! Und das, obwohl ich mit Big Bänds – merkwürdigerweise im Gegensatz zu Orchestern – bis dato eigentlich nicht allzu viel anzufangen wusste.
Gegen Ende November dann wurde ich via Live-Erlebnis auf die online-Only-Veröffentlichung des PAULEPROJEKT aufmerksam; sicherlich mit Abstand der jüngste unter den hier erwähnten Klangkunstschaffenden, aus dem die Kreativität in Kombination von Programmiertem und Handgemachtem nur so heraussprudelt. Das tut auf dessen selbstbetitelter 5-Träck-EP plus intro erfrischend wohl!!
Zu all diesen Neuankömmlingen und Entdeckungen gesellten sich regelmäßig interessante und aufmerksamkeitsheischende Bemusterungen hinzu. Hier bleiben manche ein eher kurzes vergnügen, immer wieder bleiben auch welche für längerfristig im Kosmos hängen. Nebst oben erwähnten ALBINOBROTHERS und Caspar Brötzmann fielen mir unter den letztjährigen Promos die Alben von NO MAN’S VALLEY und YEAST MACHINE besonders auf. Außerdem wären noch die tollen Songwriteralben von CONNY OCHS und TORGEIR WALDEMAR besonders hervorzuheben, die alles andere als ruhigen SEX SWING, dazu ACID ROOSTER und GREAT RIFT sowie die in Bälde kommenden FOGDRIVER. Wer hier mehr wissen möchte, klicke nachher einfach auf Heißer Scheiß rechts oben, da kann mein Bemusterungsjahr nochmal lückenlos durchgescrollt werden...
Und so wären wir also bei den Konzerten angekommen, der nach wie vor unübertrefflichsten Art und Weise, Musik zu genießen. Hier dauerte es bis in den Februar, dass ich erstmalig im Jahr vor einer Bühne stand, als ISOSCOPE frisch und spritzig ihren energetischen Gitarren-Elektrosound durch den SlowClub jagten. Kurz danach durfte ich im Swamp die nachhaltig beeindruckenden, zu zweit experimentierenden ZEMENT kennen lernen, ehe ich im März nach langer Abstinenz endlich mal wieder nach Karlsruhe zu den guten alten POTHEAD reisen konnte!! Und ja, es ist bei den Dreien noch immer zu kriegen, was kwasi bestellt ist: Fetter, groovender, mit viel Seele behafteter Rock!!
Einen guten Monat nach dem wuchtigen Sound im Substage tat sich dann eine völlig andere, für mich sehr ungewohnte Welt, beim Besuch eines Chorkonzerts in der Kirche eines Freiburger Tuniberg-Vororts auf. Dort präsentierte der Ökumenische Kirchenchor Maria Magdalena in Kooperation mit einer Profi-Sopranistin und einem – ich wusste es schon nach dem Konzert nicht mehr genau –sechs- bis achtköpfigen, jedenfalls internationalen – Profi-Streichorchester Stücke mir völlig unbekannter Komponisten aus dem Bereich von Jäzz bis Klassik. Das hatte nun fast schon Fortbildungscharakter.
Dann wurde es endlich ein bissl wärmer. Und beim Gedanken an den Besuch im Jazzhaus im Mai, kommt mir sofort die wundervolle Melodie in den Kopf – da_daa – da_daa – da_daa_aa… Ja, der gute Robert Forster, allein, zu zweit, mit Bänd – dessen Auftritte sind einfach immer einen Besuch wert!! Genauso, wie das diesjährige, ein Wochenende lang über die Stadt verteilt stattfindende Festival freiburg stimmt ein, wo wir insbesondere am Sonntag einem eigens zusammengestellten Programm genüsslich folgten und uns dabei von ganz unterschiedlichen Formationen und Stilen aufs Beste unterhalten fühlten. Eine gute Woche später, an einem verregeten Abend Mitte Juni, wurde dann richtig geklotzt: Die Reise nach Köln zu den spektakulären TOOL stand an. Leider war der Sound im mehrzweckhalligen Zwanzigtausendmenschensaal nicht ganz so spektakulär, wie die restliche Performänce; dennoch, die Art-Rocker beeindrucken mich stets aufs Neue, wenn auch auf ganz andere Weise, als der vorher Genannte.
Hiernach hatte ich eine drei lange Monate währende Abstinenz von Live-Veranstaltungen zu verkraften, die ich ebenso genüsslich wie gemütlich beim Sitzplatzkonzert der Briten MAMMAL HANDS endlich beenden konnte. Der Herbst hatte es nach diesem Auftakt ziemlich in sich, was Live-Veranstaltungen anging. Es folgte Stoner-Rock im ArTik mit SOUND OF SMOKE, ehe Anfang Oktober die bereits oben erwähnten ALBINOBROTHERS mit ihrem tollem Auftritt im SlowClub beglückten – wobei uns vorweg der ebenso eigenwillige wie sympathische Südfranzose GLABRE mit einem gesanglichen Glanzstück zu faszinieren wusste, so dass mich dieser Abend sicherlich noch lange über die Jahreshighlights hinaus zu begeistern vermag. Wenige Tage danach wurde es im Jazzhaus wieder jäzzig mit Nik Bärtsch’s RONIN, ehe ich binnen zweier Tage im schicken neuen Frankfurter Zoom erst bei exquisitem Sound dem Folk-Granden BONNIE 'PRINCE' BILLY lauschen durfte und dann die großartigen GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR zu Ohren bekam. Diese paar Tage in der ersten Häflte des Oktober hatten es wirklich richtig in sich.
Nun sollte es wieder ein paar Wochen dauern, bis ich im Komma in Esslingen auf der Durchreise bei einem kurzen Stopp das ziemlich frisch in die Welt gerufene PAULEPROJEKT mit einem ziemlich beeindruckenden Auftritt hören konnte. Da bleib ich mal richtig gespannt, was da noch so kommen wird!!
Kurz vorm endgültigen Zerplatzen des Jahres gabs pure Nostalgie im Crash mit der Motörhead-Tribute-Bänd SNAGGLETOOTH, was echt Spaß gemacht hat, obwohl ich ansonsten keine Tribute- oder gar Cover-Bänds zu besuchen pflege. Und einen Tag später, mit der nunmehr siebzehnten Auflage der Schrillen Nacht, wo sich gemischte Formationen aus der Freiburger Szene in stetem Wechsel nach drei bis vier Songs im Waldsee unter dem diesjährigen Motto ‚Love Hurts‘ die Bühnenklinke in die Hand gaben, gab es zum endgültigen Ende des Livemusikjahres noch die eine oder andere Perle zu entdecken.
Tja, und da wäre ich nun dort angekommen, wo es ein paar herausragende Alben oder Konzerte zu küren gibt, die mir im vergangenen Jahr untergekommen sind – als da wären die drei mich am stärksten beeindruckenden Alben
Letztere haben mir dann auch bei ihrem herbstlichen Freiburger Auftritt sehr viel Spaß bereitet, allerdings wäre bei meinen Highlights unter den Konzerten des Jahres allen voran deren Supporter
Zudem unter die Rubrik Outständing Live-Auftritt gehörten ROBERT FORSTER im Jazzhaus Freiburg, BONNIE 'PRINCE' BILLY im Zoom in Frankfurt und GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR in derselben Lokalität.
Nebst Goutierung genannter und gekürter war ich im frisch verflossenen Jahr auch selbst hin und wieder ein bisschen musikalisch aktiv. Etwa im Januar in Tübingen mit dem sehr spaßbehafteten Auftritt mit mOnsterpunk. Oder auch solo als c0ntrapunk.t auf der einen oder anderen privaten Veranstaltung, wo, wie mir soeben dünkt, jedesmal auch ein Feuerchen mitgespielt hat!! Sehr schön, das!! Da dürfte gerne mal wieder mehr folgen...
Das war er nun also, mein Rückblick auf das klangliche 2024, indes ich bereits anstehende Veröffentlichungen im Hinterkopf habe und sogar in Bälde der erste Konzertbesuch in 2025 ansteht. Abzurunden wäre diese meine kleine Retrospektive selbstverständlich damit, dass ich meinen Dank an alle ausdrücken möchte, die mit mir eine gewisse Leidenschaft für Musik teilen und in irgendeiner Form zu Bereicherung meines Klangkosmos und zum Soundträck of my Life beitragen. Und selbstredend allen, die sich schlicht am Lesen meiner Worte erfreuen!!
6.01.25