JAPANDROIDS                                             29.08.12 Berlin, Magnet

 

Erfrischung tut gut. Insbesondere in Zeiten, an denen es der leuchtende Planet am Himmelszelt überdurchschnittlich gut mit in gemäßigten Breitengraden lebenden Menschen meint. Rauhe Mengen dieser Spezies bewegen sich nun aus ihren Wohnsilos, strömen an Seen und in Bäder, in Biergärten, auf Festivals und in Open-Air-Kinos - kurz: zu Freiluft-Veranstaltungen jeder Art. Da ist es nicht unbedingt das Schlechteste, sich moderat anti-zyklisch zu verhalten und eine mit nicht weniger Erfrischungspotential behaftete Indoor-Veranstaltung zu besuchen, gerne auch in Kreuzberg. Das Überqueren der Spree mittels Fußweg über die Oberbaumbrücke gestaltete sich an diesem warmen Spätsommerabend als nicht ganz unanstrengend. Ungefähr alle drei Meter saßen und standen Musiker oder sonstige Artisten, mit ihren Künsten die Fußgänger zu bezirzen. Na, dachte ich, denn macht ma schön. Wir ham and'res im Sinn...

Nicht viel später teilten mein Begleiter und ich uns die Luft im besagter Brücke benachbarten Magnet-Club mit etwa 300 anderen Menschen und warteten gespannt den weiteren Verlauf des Abends ab. Bald betraten zwei junge Männer die Bühne und - Überraschung - präsentierten erstmal einen Soundcheck. Der Gitarrist entschuldigte sich hiernach ausführlich: Leider sei ihm am Nachmittag einer seiner Tonabnehmer abgeraucht; und da er nur die eine Gitarre mit auf der Europa-Tournee habe, musste dieses Problem natürlich noch gelöst werden. Es wurde gelöst, die beiden verließen die Bühne noch einmal, um wenige Minuten später ihren Auftritt zu starten. Brian King haute kurz in die Saiten, stellte unter Feedbäck-Klängen die Bänd vor, erzählte, wo sie herkommen und was sie nun zu tun gedachten. Nach einer sympathisch vorgetragenen ausführlichen Ansage - ein recht rares Phänomen bei solchen Veranstaltungen - gings los mit "The Boys Are Leaving Town" vom 'Post-Nothing'-Album.

Unmittelbar nach Beginn des Stücks verwandelte sich der nette junge Mann in einen wilden Derwisch, machte den ersten seiner ungezählten Sprünge, lief kreuz und quer auf der Bühne umher und rotzte erstmal deftig auf dieselbe. Der Song kam zunächst in einer Instrumentalversion, um ohne Übergang die reguläre Version mit Text zu erhalten. Ein sehr schöner Warm-Up. Der Sound kam sofort ziemlich fett rüber, allein die Gitarre nahm mit ihrem Volumen gleich den Saal in Beschlag. Kein Wunder allerdings, wenn die sechs Saiten durch zwei mannshohe Gitarren- und einen ebensolchen Bassverstärker geschickt werden, die im Lauf des Abends auch immer wieder ein Stückchen nach oben gedreht wurden. David Prowse an der niemals müden Batterie klang nicht weniger prägnant, trieb die Stücke mit seinem nicht weniger wilden Schlagzeugspiel immer wieder nach vorne; gesanglich wechselten sich die Jungs aus dem kanadischen Vancouver stets ab, wobei der Gitarrist das Gros der Songs sang und sich auch durchweg für die Ansagen und gelegentlich verbale Kontaktaufnahmen mit dem Publikum verantwortlich zeigte; diese hatten die Musiker sichtlich als kurze Verschnaufpausen nötig, denn so richtige Erholstücke hatten sie einfach keine mit...

Spätestens ab dem dritten Stück, "Younger Us" ("our oldest new song"), tickte auch der Mob richtig aus und gab sich dem Moshpit hin, noch ein wenig später hatte der Mischer die optimalen Einstellungen für den nicht ausverkauften etwa bis zu fünfhundert Menschen fassenden Raum gefunden und der Sound war - trotz gelegentlich fast grenzwertiger Lautstärke - einfach nur geil. Was man auf Platte ahnt, kann man bei der Live-Performance der Japandroids körperlich spüren: das gnadenlose Abfeiern hoch energetischen, angepunkten Garagen-Rocks, immer wieder gerne Händchen haltend mit melodiösem Pop-Appeal. Gute achtzig Minuten wurde dem Publikum das aktuelle Album 'Celebration Rock' in loser Folge um die Ohren und durch die Magengrube gehauen, außerdem ein Großteil des bereits erwähnten Debuts 'Post-Nothing' sowie - wenn ich mich recht erinnere - zwei Songs der beiden auf dem Album 'No Singles' vereinten EPs. Wenn ich mich recht erinnere waren dies das McLusky-Cover "To Hell With Good Intentions" und "Lucifer's Symphony"; nicht selten wurden die Stücke in gut gelaunt ausgedehnten Versionen präsentiert.

Meine persönlichen Highlights des Sets waren "Crazy/Forever", "Evil's Sway", das abschließende The Gun Club-Cover "For The Love Of Ivy" (in welchem King während eines ausgedehnten Breaks AC/DC's "Thunderstruck" anspielte), "Sovereignity", "The House That Heaven Built" - egal, es war einfach ein kontinuierliches Ohrwurmfeuerwerk der, wie Brian King nach einem etwas verpatzten Einsatz meinte, "most unprofessional professional band", die mit wahrlich nicht zu bändigender Freude am Werk war und auch des Publikums Beine, Köpfe und Schweißperlen trieb. Hier war eindeutig der Albumtitel Programm..., sehr geil!!

Ohne großes Gemache von wegen Zugaben und so wurden irgendwann die beiden letzten Stücke angesagt, nach denen dann auch Schluss war. Die Bänd ließ sich zu Recht feiern, wir beschauten noch ein wenig das Publikum, bevor wir uns in ruhigere Gefilde im benachbarten Kiez begaben. Auf der Brücke war mittlerweile etwas Ruhe eingekehrt und viele Glasscherben zurückgeblieben; der Mond beleuchtete friedlich den Sommerabendausklang über der Stadt, während es in meinen Ohren munter weiterhallte: "it's raining  in vancouver  but i don't give a fuck", dann wieder "we'll stick together forever  stay sick together  be crazy forever" und natürlich "oh oh oh ooh oh oh oh ooh"...

6.09.12

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