Botanica                                             4.03.10 Freiburg, E-Werk

 

Will man eine Begebenheit mit Wertung versehen, dabei in der Ausdrucksweise nicht all zu deutlich sprechen und mitnichten irgendwelche Verantwortlichkeiten dafür übertragen, so macht man sich gerne die althergebrachte Redensart zunutze, etwas stünde unter einem guten oder eben schlechten Stern. Was aber, wenn der Himmel winterklar und wolkenfrei ist, außerordentlich viele Sterne über unseren Häuptern schweben lässt, wie Schwerter einer Figur aus der das Alter vieler Sprichwörter weit übersteigenden Sagenwelt? Nun, die Gestirne können meines Erachtens ja im Allgemeinen wohl weder alle gut noch ausnahmslos schlecht sein, oder etwa doch...??

Nur wenige Menschen verliefen sich am Donnerstagabend ins Kammertheater des Freiburger E-Werk. Etwa 40 von sicherlich mehr als doppelt so vielen vorhandenen Plätzen waren besetzt. Nun eignen sich Sitzplätze naturgemäß gut, um entspannt einen Film anzusehen, eine Lesung zu hören, auch für ruhige Darbietungen von Liedermachern mögen sie Vorteile bieten, nicht jedoch für Veranstaltungen, in denen mitunter munter gerockt wird.

Für den supportenden Nikko Weidemann, der später auch die akustischen Saiten für die Hauptbänd des Abends anschlagen sollte, schienen die Stühle also gut geeignet. Er spielte Piano und Gitarre, tat dies auch innerhalb einzelner Songs im Wechsel, dazu sang er mal in Deutsch und mal in Englisch. Als Mischung aus Chanson und Songwritertum ließe sich dies wohl am ehesten beschreiben, wobei insbesondere seine deutschen Texte die Meinungen darüber schön zu spalten wussten. Ich für meinen Teil konnte der Darbietung so manch gutes Sternchen abgewinnen, doch gereichte mir ein umfassenderes Bild seines Schaffens sehr vorteilhaft, eine präsentable Meinung hierzu feil bieten zu können.

Die supporteten Botanica wiederum boten nicht selten nach Bewegung schmeckenden Rock an, wo nun die ungünstigere Variante von Bestuhlung läge. Was aber weitaus lästiger als gemütlicher Kulturkonsum im Sitzen ins Gewicht fiel, war der bedauerliche Umstand, dass der Soundstern am Anfang des Auftritts der insgesamt sechs Protagonisten offenbar auf Irrwegen der Umlaufbahn verschollen war - man hörte mehr oder weniger akustische Matschepampe. Lediglich das Schlagzeug zeigte durchweg deutliche Präsenz. Der Bass dröhnte uns eins, der Gesang hangelte sich hintergründig durch den Saal, Violine und Tasten waren in Ansätzchen bemerkbar, Gitarre fehlte ganz. So zeigten sich Gitarren-Mann wie Geigen-Frau während der ersten Songs gebührlich angepisst; Bedenkenschleier zogen in mir auf, die Bänd könne ihr Set entnervt und wesentlich früher als geplant beenden. Der singende Paul Wallfisch schiens mit Humor zu nehmen, erwähnte lakonisch, das Publikum nicht sehen und die Musik nicht hören zu können, worauf zunächst das Licht etwas hochgedreht wurde, bevor dann langsam und gemächlich die Klangqualitiät ebenfalls etwas besser wurde, bis zumindest annehmbarer Proberaumsound erreicht werden konnte.

Nach ungefähr der Hälfte des einschließlich zweier Zugabensongs knapp anderthalb Stunden währenden Konzerts, war es dem Zuhörer sogar möglich, sich von dem Gebotenen, welches ich als chanson-esken Kammer(punk)rock mit osteuropäisch-folkloristischen Einschlägen bezeichnen würde, mit auf die Reise nehmen zu lassen. Der Sänger gestikulierte am Piano gerne wild, verließ - ebenfalls ab der zweiten Hälfte - immer wieder seinen als Fixpunkt in der Bühnenmitte angestammten Platz, machte mit Megaphon auch mal einen Ausflug über die vielen freien Plätze in der Audience und forderte irgendwann das Publikum auf, zu ihm nach vorne zu kommen. Dem kam ein gutes Viertel der Konsumenten nach, auch meine Wenigkeit empfand kurzzeitiges Rumstehen als angenehm abwechslungsreich. Der offensive Umgang mit seinen Besuchern, sowie eine immer exaltierter werdende Performance des Sängers taten der Show sehr gut: mal saß der Bändleader mit geschlossenen Augen auf dem Boden, fuhr kurz darauf hoch, auf dem Keyboardstuhl stehend weiter zu singen, bevor er sich während des folgenden Violin-Solos rücklings zu Füßen der Geigerin legte.

In der Tat war nun reichlich Bewegung in der Chose, so dass ich die zweite Hälfte des Konzerts doch als sehr gelungen betrachten konnte. So manches wirkte in dem kleinen, halb leeren und sehr dunklen Raum, welcher mich stark an den Ort hinter der eigentlichen Bühne eines Theaters erinnerte, streckenweise ziemlich abgefahren; zudem passte nun auch die Klangqualität in Übungsraumfarben mit ihrem rohen Charme gut ins Gesamtbild.

Am Firmament schienen die guten Sternchen schließlich doch noch deutliche Überhand gewonnen zu haben...

 

(5.03.10)

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