THE NOTWIST  1.02.25 Baden-Baden, Festspielhaus-Hinterbühne

 

Tatsächlich ist mir keine Bänd bekannt, die so gekonnt stilübergreifende Bögen zu spannen vermag, von Rock über Pop zu Free-Jäzz bis hin zum Experimentalsound mit Rave-Elementen, wie es die oberbayrischen Nerds von THE NOTWIST schaffen. Von deren Ursprüngen im punkigen Hardcore ist nur noch der lakonische, manchmal fast gelangweilt wirkende Gesang übrig. Sehr geil sicht- und hörbar war das kürzlich beim Takeover-Festival in Baden-Baden...

Schon die Lokaltität war ungewöhnlich, trat die live diesmal zu siebt agierende Bänd doch auf der Hinterbühne, einem relativ kleinen, etwa fünfhundert Menschen fassenden Saal auf, der eben hinter dem eigentlichen Veranstaltungssaal des prunkigen Festspielhauses lag. Und da im Foyer eine Jäzzbänd spielte, dort eine Menge Leute unterwegs waren, von denen viele irgendwo aus einer Tür raus oder Treppen runter kamen, aber niemand irgendwo rein ging, waren wir erstmal ein klein wenig verwirrt. Irgendwann dann lichtete sich die Menge, der Eingang zur Hinterbühne wurde sichtbar und wir bekamen Einlass gewährt; ein paar kurze Gänge und Abzweigungen später kamen wir schließlich im kleinen Saal an.

Ganz voll wurde der Raum wunderlicherweise nicht. Etwa drei- bis vierhundert Leute dürften beim Konzert gewesen sein, was den Anwesenden wiederum ausreichend Platz bot, sich in der Folge zum Sound der Weilheimer Klangartistik zu bewegen oder sich darin wiegen zu lassen. Auf der Bühne war verschiedenste Elektronik zu sehen: Läptops, viele Effektgeräte auf Pulten und dem Boden verteilt, eine kleine DJ-Anlage mit LPs; dazu natürlich das klassische Rockinstrumentarium aus Gitarren, Bass und Drums, ergänzt um eine akustische Gitarre, Saxofon, Harmonica und Vibraphon.

Das Set, das kurz nach zehn startete, nachdem Sänger und Gitarrist Markus Acher die Wartenden begrüßt hatte, dauerte inklusive fünfzehnminütiger Zugabe anderthalb Stunden und legte Schwerpunkte auf die beiden letzten Alben sowie den Klassiker ‚Neon Golden‘. Dabei entstand mir nicht eben selten der Eindruck, dass vor allem in den gerne mal länger währenden Instrumentalpassagen Teile von anderen Songs in die soeben gespielten einflossen, was eine sehr stimmige Dynamik mit sich brachte und für viele knisternde Spannungsbögen sorgte, die sich wahlweise in Klangexplosionen oder -eskapaden auflösten, um danach neu gespannt zu werden. Sehr geil!!

THE NOTWIST schafften es hervorragend, die Kombination aus Gitarrensound, Jäzz und experimenteller Geräuschtüftelei immer wieder in wohl gepflegte Jämparts und wunderschöne Klangwelten abdriften zu lassen. Wobei sich mir völlig entzieht, ob das nun wirkliche Live- Jäms sind oder ob doch alles sehr genau kalkuliert ist. Wie dem auch sei, auf zeitweise richtig losrockende Passagen, gelegentlich auch mit zwei Gitarren am Start, folgten ruhigere, sperrig unterkühlte Phasen oder fast bittersüß zu nennende Meldodien, von denen manche im Lauf der Jahre zu kleinen Hymnen wurden und von vielen Kehlen – mit gebührend gedrosselter Lautstärke, versteht sich – mitgesungen wurden. Allen voran natürlich „One With The Freaks“...

Bei alldem war der Sound durchweg richtig gut und klar, es gab keine Übersteuerungen oder Gedröhne, so dass auch jeder noch so kleine Geräuschschnipsel der Frickler zu hören war, was für viele Augen-zu-Momente sorgte und das gesamte Konzert zu einem einzigen, großen Genuss machte. So gab ein Highlight dem nächsten den Ton in die Hand, und da es keine Setliste gab, muss ich mich auf meine Erinnerungen stützen, die mir flüstern, dass folgende Stücke im Set waren: Zur Eröffnung „Into Love / Stars“ vom noch aktuellen Album ‚Vertigo Days‘, von welchem mindestens noch „Into The Ice Age“, „Ship“, und „Into Love Again“ gespielt wurden; recht früh im Set waren „Kong“ von ‚Close To the Glass‘ und das wunderschöne „Pick Up The Phone“ von ‚Neon Golden‘; des Weiteren „0-4“ – das älteste Stück des Abends vom 1998er ‚Shrink‘ – und „Into Another Tune“, ebenfalls von ‚Close To The Glass‘. Ziemlich geil war „This Room“, mit viel Drumwirbel, auf den die Saxofonistin immer wieder mit oft abgehackten Tönen antwortete, sodass sich ein fantastischer Call-&-Response-Free-Jäzz-Noise-Style entwickeln konnte, der sehr charmant den Rand des Kakofonischen streifte. Mit dem experimentellen „Different Cars And Trains“ verknüpft und damit ebenfalls sehr ausgedehnt, kam „Pilot“ als Finale des Hauptsets, ehe nach kurzer Applaus- und Verschnaufpause die Zugaben mit „Gravity“ von ‚The Devil, You And Me‘ starteten, das nahtlos in „Consequence“ überging. Mit einem Vibraphon-Solo als Outro des Abends, wohl ein Stück eines ihrer Soundträcks, endete das Konzert so unspektakulär, wie die sieben Musizierenden – Funfäct: alle sechs Männer Brillenträger – vorher ihr Schaffen präsentiert hatten.

Das überaus kreative Kollektiv verabschiedete sich ausgiebig und gleich nach deren Verlassen der Bühne kam Musik vom Band, um jegliche Forderung nach mehr schnell zu unterbinden, so dass wir uns auch bald nach diesem, trotz anfänglicher Verwirrung, alles in allem sehr stimmigen Abend, mit den Songs einer gut aufgelegten Bänd im Ohr zufrieden auf den Heimweg machten...

7.02.25

Einen Mitschnitt vom Konzert zwei Tage vorher in Erlangen gibts HIER

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