T. C. Boyle                                         8.05.12 Freiburg, Theater

 

Mit Worten tatsächlich Gemeintes auszudrücken kann ganz schön schief gehen. Ein besonders irreführendes Wort ist meines Empfindens der gerne für angenehme Tätigkeiten benutzte Begriff "Zeitvertreib". Was, bitte, soll das suggerieren? Der Mensch weiß nicht, was er mit seiner Zeit anfangen soll? Also vertreibt er sie, versucht, sie wegzujagen - hau ab, verpiss dich, du nervst, elende Zeit!! Um dann später wieder darüber zu klagen, wie schnell die Zeit doch vergeht? Wie armselig ist das denn? Sollte man diesen Begriff nicht viel lieber mit den in heutiger Epoche so beliebten und allzeit praktizierten Sprachverkomplizierungsmaßnahmen belegen? Also einem Wort mit Negativierungshintergrund alsbald einen positiven oder zumindest doch neutralen Touch verschaffen? Mein Vorschlag zur Substitution des Wortes "Zeitvertreib" wäre nun also "Zeitnutzungsaktivität". Zumal die Zeit doch sowieso von selbst vergeht, egal, ob man was macht oder nicht, sie nutzt oder verstreichen lässt.

Als sinnbehaftete Zeitnutzungsaktivität betrachte ich selbst zum Beispiel das Lesen von Büchern. Mit solchen bereitet mir seit Jahren in regelmäßigen Abständen ein U.S.- Amerikaner mit dem etwas komplizierten Vornamen Thomas Coraghessan, kurz: T. C. Boyle, viele Stunden mit Spaß, Spannung, Wortgewalt und Überraschung. Dieser von mir sehr geschätzte Autor beehrte nun also das Freiburger Theater.

Nach einer kurzen deutsch-englischen Einführung betraten er und ein Kulturjournalist und Hörfunkmoderator namens David Eisermann die Bühne. Herr Boyle quatschte zur Begrüßung ein wenig über sein aktuelles Werk "Wenn das Schlachten vorbei ist" (Original: "When The Killing's Done"), die Gegend, in welcher es spielt, unangenehme Gerüche, denen man dort ausgesetzt sein kann und stellte schließlich einen der Charaktere daraus vor. Darauf folgte eine vom Autor in dessen Muttersprache gelesene Passage, welche Herr Eisermann wiederum zu Deutsch las. Danach las nochmal der Autor himself. Nach vielleicht zwanzig Minuten nahmen die beiden auf - im Gegensatz zur Theaterbestuhlung - überaus bequem aussehenden Sesseln Platz und konversierten für etwa ein Stündchen. Dabei erzählte Boyle den einen oder anderen Schwank aus seinem Leben, immer wieder mit "by the ways" abdriftend, während Eisermann mit gelegentlichen Zwischenfragen und Bemerkungen moderierte. So hörte man hie und da kurze Anrisse seiner sonstigen Erzählungen, von Erfahrungen mit Fäns, dann wieder ergaben sich kleine philosophierende Ausflüge und mehr oder minder konkrete Andeutungen bezüglich seines momentan in Arbeit befindlichen Romans.

Viel war über Boyles Liebe zur Natur zu hören, von Erlebnissen, die er auf Streifzügen durch die Wälder seiner Heimat machen konnte. Immer wieder erwähnte er auch seine 'Fau Boyle', ihre Rezepte, rank und schlank zu bleiben. Außerdem hielt er nicht mit seiner Abneigung gegen Katzen hinterm Hügel, ließ weiter an Überlegung teilhaben, was zum Beispiel geschehen würde, wenn man eines Tages zum Supermarkt geht und dort ein Schild mit der Aufschrift "Sorry, no food today" vorfände.

Nicht alle seiner Pointen schienen vom Publikum verstanden, auch ich hatte die eine oder andere Schwierigkeit, ins Englische reinzukommen, doch war es offensichtlich, dass der sich selbst als hyperaktiv bezeichnende Mann einfach gut erzählen kann. In schwarzen Jeans und gelbem Jacket, lässig mit ausgestreckten Beinen im Ledersessel hängend, schien sich der lange Schlaks recht wohl zu fühlen in seiner Rolle als Entertainer. Mir hätte allerdings etwas mehr des Vorlesens, insbesondere seitens Herrn Boyle, gefallen. Dies tat er nämlich außerordentlich lebhaft und ließ den die Übersetzung lesenden Eisermann mit seinem Vortrag daneben recht blass erscheinen.

Abschließend wurden dann noch Bücher signiert. Auch ich hatte zu Hause kurzerhand eines eingepackt, doch war der Andrang wie erwartet recht groß, so dass ich lieber auf eine effektivere Zeitnutzungsaktivität an der Seite meines Begleiters in einer nahe liegenden Schänke in Anspruch nahm...

 

10.05.12

P.S.: Eine Setliste ist hier natürlich schlecht aufzuführen, dafür aber die vorgetragene Passage: Die umfasste ein paar Seiten des Kapitels "Die Paladin", ab Seite 88 - falls das jetzt jemanden interessieren würde...

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