Sigur Rós                  25.03.13  New York, Madison Square Garden

 

In New York ist vieles höher, größer und schneller. Das kann ganz schön anstrengend sein. Nicht verwunderlich, dass mir nach zwei Tagen Sight-Seeing, teilweise im Hardcore-Bereich dieser Art Tagwerk, Montag abends ein wenig nach entspannter kultureller Darbietung war. Allerdings nicht irgendwo, sondern - wenn schon, denn schon - in einer ziemlich berühmten Lokalität: dem Madison Square Garden. An diesem Abend spielten hier Sigur Rós. Spätestens als ich vor der Halle stand war mir klar, dass ich mir dieses Konzert nicht entgehen lassen wollte. Auch meine beiden Begleiterinnen schienen nicht gänzlich abgeneigt. So verhandelten wir halbherzig tüchtig mit einem offenbar freiberuflichen Kartenverkäufer vor der wohl ausverkauften Arena und bekamen drei Tickets knapp unterhalb des aufgedruckten, regulären Preises. Leider waren nicht alle Plätze beieinander, so dass ich mich nach Betreten der Lokalität von den charmanten Damen trennen musste und über fünf Treppen meinen Platz ansteuerte, der eine Sicht von schräg oben auf die Bühne zuließ. Dort angekommen blieb noch etwas Zeit, die Arena zu beäugen.

Der MSG, das vorweg, ist nicht grade das, was man eine schöne Konzertarena nennen kann. Dafür halt groß. Laut Tante Wikipedia bietet das Rund der Mehrzweckhalle bei Konzertveranstaltungen bis zu zwanzigtausend Menschen Platz. Fast durchweg sitzend, wohlgemerkt. So geht die hauptsächliche Faszination denn auch von der Größe des Ladens aus. Und selbstverständlich - man befindet sich ja nicht irgendwo und soll das gefälligst auch merken - fehlte auch hier nicht die Leuchtreklame mit Hinweisen auf forthcoming concerts. Zum Beispiel die drei Gastspiele von Nick Cave an anderer Stelle der Stadt, das erste exakt am Tag meiner Abreise - aua... Na gut, you can't always get etc.pp. - jedenfalls, die Bühne, seitlich und nach vorne in einen hellen Vorhang gehüllt, wirkte recht klein und fast etwas verloren in diesem großen weiten Rund. 

Gegen 21 Uhr betreten Sigur Rós unter für diese Menschenmassen artig anmutendem Applaus die Szenerie. Gitarrist und Sänger Jónsi hat den Platz vorne in der Mitte der Bühne inne; das Licht rückt ihn, mit Ertönen der ersten Klänge, von hinten angestrahlt als schemenhafte Schattenfigur auf den Vorhang. Von Zeit zu Zeit tauchen um ihn herum Videoeinspielungen auf, hin und wieder übernehmen diese auch die komplette Leinwand - eine tolle Visualisierung zum sich langsam aufbauenden und bald in voller Entfaltung stehenden Gesamtsound. Nach etwa einer viertel Stunde, exakt am Übergang einer sehr ruhigen zu einer lauteren Passage eines Stücks des unbetitelten dritten Albums, fällt der Vorhang. Ein dramaturgisch ganz exzellenter Moment, der viele kleine Perlen namens Gänsehaut zu verursachen weiß. Sehr stark, das!! Nun ist also auch der Blick auf das Bühnengeschehen frei, auf das aus elf oder zwölf Musikerinnen und Musikern bestehende Ensemble.

Zur Rechten bzw. Linken des singenden Gitarristen sind Bassist und Schlagzeuger platziert. Diese beiden legen einen warmen, vollen Rhythmus-Teppich bereit, der von trance-lastig langsam bis druckvoll rockend reicht. Bald bewegt sich der Pulk auf den wenigen Stehplätzen vor der Bühne in wellenartig aussehenden Nickbewegungen. Der Rhythmus bietet außerdem eine sichere Grundlage für den Gitarrensound, den Jónsi per Geigenbogen aus den Saiten streicht und kitzelt. Nur selten gibt dieser sich im Verlauf der annähernd zwei Stunden herkömmlichem Gitarrenspiel hin. Weiter sorgen Streicher und Bläser für orchestrale Klänge und viel Atmosphäre und übernehmen neben dem charakteristischen Falsett-Gesang nicht selten die stets durch die Stücke streifenden Melodien. Daneben kommen Glockenspiel und Keyboards, Synthies wie percussive Instrumente zum Einsatz. Insbesondere Bassist und Drummer wechseln immer wieder an Tasten, Knöpfe und Klöppel.

Fast verloren wirkt die Lightshow im riesigen Rund, für hübsche Untermalung jedoch sorgen gelegentlich viele kleine, über die Bühne verteilte, an Teelichter erinnernde Lämpchen. Vergeblich warte ich auf ausgiebige Verhüllung des Bühnengeschehens in Nebelschwaden - was sonst würde an optischer Untermalung so gut zu diesen nicht selten mystisch-mysteriöse Stimmung suggerierenden Stücken passen, die mich nicht selten an die Elben aus den Geschichten Tolkien's erinnern, als dichter Nebel? So beschleicht mich, nein, springt mich nicht selten geradezu der Gedanke an, dass diese musikalische Darbietung als Gesamtereignis in einer deutlich kleineren Lokalität wesentlich mehr Wirkung hätte mit sich bringen können. Wobei man bei der Musik der Isländer nicht falsch daran tut, einfach mal die Augen zu schließen und sich von den Klängen führen zu lassen. So wiegt sich häufig die körperliche Hülle meiner frei schwebenden Seele auf ihrem nicht sonderlich bequemen Sitz im Sog der Soundwellen. Am meisten ziehen mich die Stücke der beiden betagteren Alben - 'Ágætis byrjun' und '()' - in makellosen Bann und stellen somit für mich so manche Höhepunkte dar. Bei den anderen Stücken fällt es mir schwer, sie einer Schaffensphase zuzuordnen; nicht zuletzt, weil live alles wie ein langer, mal ruhiger, mal tosender Fluss daherkommt, lediglich unterbrochen durch winzige, meist wortlose Pausen zwischen den einzelnen Songs.

Mit dem letzten Lied des unbetitelten dritten Albums, auf dem Live-Album auch als "Popplagid" bezeichnet und mein Lieblingsstück der Bänd, beenden Sigur Rós das akustische Spektakel nicht weniger als grandios. Damit wird das gesamte Geschehen des Abends noch einmal in einem epischen Stück zusammengefasst, vom ruhigen, verträumten Beginn bis hin zu den dramatischen Wendungen - der absolute Hammer!! Ich hoffe gradezu, dass sie sich von den Standing Ovations, die ihnen nun völlig zu Recht zuteil werden, nicht zu einem weiteren Aufspielen verleiten lassen, denn besser kann das Finale nicht werden. Das wissen natürlich auch die Herren von der sagenumwobenen Insel, kommen zwar noch ein weiteres Mal auf die Bretter zurück, um sich um sich minutenlang feiern und beklatschen zu lassen, verneigen sich, einander in einer Reihe an den Händen fassend erneut mehrfach, bevor das Licht angeht und die Menschenmassen durch verschiedene Kanäle hindurch nach draußen und dorthin verschwinden, von wo sie gekommen waren... 

 

Und hier noch  - ohne Gewähr - die recherchierte Setliste:


Yfirborð / Ný Batterí / Vaka / Hrafntinna / Sæglópur / Fljótavík / E-bow / Varúð / Hoppípolla / Med Blódnasir / Olsen Olsen / Kveikur / Festival / Brennisteinn //
Encore: Glósóli / Popplagid

 

17.04.13

nach Teil III - Bad Religion im Terminal 5

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