Das 21. Jahrhundert wird 10 Jahre alt, herzlichen Glückwunsch!! So bietet es sich durchaus an, im ersten Jahr der zweiten Dekade des dritten Jahrtausends, die so genannten Nuller Jahre zu retrospektieren. Gerne gestehe ich, dass sich dieses Projekt bereits seit längerer Zeit in meinen grauen Zellen tummelte. Damit verschmolzen gewissermaßen Überlegungen, welcher Art und Weise dieser Aufsatz denn wohl gestaltet sein könnte, sowie welche Platten bzw. Konzertereignisse hierfür überhaupt berücksichtigt werden sollten.


Also hab ich nachgedacht. Dies tat ich zeitweise so heftig, dass ich jenes Grübeleien häufig im Windschatten fahrende Kopfkratzen mitunter höchst intensiv betreiben musste, was mir einbrachte, danach regelmäßig auszusehen, als habe ich die Hauptrolle in einem dieser Filme gespielt, welche zumeist karfreitags im deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden. Und dem nicht genug - o nein!! - nach getaner Denkarbeit diskutierte mein Ego mit meinem Alter Ego noch lange über dieselben Themen. Hier ein exklusiver Auszug aus einem solchen Dialog:

"Ja, Ego. Wie machmer das denn nu"

"Ja, Alter, was sagst du?"

"Nee, Ego, ich frag dich!!"

"Nee, Alter, ich frag dich!!"

"Neeee, Eeeeeegooooo, ICH frag DICH!!"
 

So ging das ne Weile hin und her und her und hin - "ja, Ego - ja, Alter - ja, Ego...Alter-Ego-Alter-Ego-Alter-Ego..." - und so weiter, TAGELANG!! Und wir wurden nicht mal bekloppt von, NEIN, wir wurden uns EINIG wie EINEIIGE ZWILLINGE!!
Daher, sehr geschätzte Leserschaft, im Folgenden das Ergebnis streckenweise weit über die Ufer hinaustretender Diskussionen wie Grübeleien: Pändy's


Musikalischer Rückblick auf die Dekade (2000 - 2009)


Um diese Rückschau nicht allzu weit wie breit zu treten, werden zunächst - ganz dem entsprechenden Zeitraum Tribut zollend - 10 meinem Kosmos am wichtigsten erscheinenden Alben Erwähnung finden. Nach der Konservenverlesung möchte ich zum Organischen hinüberschreiten, also den Live-Darbietungen. Auch hier habe ich derer 10 berücksichtigt, welche mir offenbar nachhaltigst im Gedächtnis weilen, bevor ich zum Schluss meine persönlichen Song-Highlights des Jahrzehnts kundtun werde. Zur Missverständnisvorbeugung bereits im Vorfeld sei noch eingeflochten, dass die Reihenfolge mitnichten einer Rangfolge geschuldet ist. Diese wurde blank der zeitlichen Abfolge angepasst. Außerdem wurde der insgesamt doch recht lange Text zur Entzerrung ungefähr in der Mitte auseinander geschnippelt, was bedeutet, dass Teil I nach bequasseln der Platten abrupt endet. Dort jedoch finden unersättliche Leserinnen und Leser selbstverständlich einen direkten Link nach Teil II, wo Konzerte, Songs und Outro zu finden sind.
Alles klar? Na denn - here we go!!


Platten


Am dienstältesten ist hier ein Doppelalbum aus dem fernen Kanada. Jenseits jedweder Konventionen reiten GODSPEED YOU BLACK EMPEROR! auf "lift yr. skinny fists like antennas to heaven!" durch wohl jede Spielart des Post-Rock, verziert mit Elementen aus spärlichem Folk sowie opulent Orchestralem, bis hin an die Schwelle zur Punkverwandtschaft. Nicht zu häufig passiert es, dass man auf lange bekannten Tonträgern auch nach Jahren immer wieder Neues entdeckt. Ein Meisterwerk, das seinesgleichen vergeblich suchen mag!!


Mehrere Monate benötigte ich dafür, mich in "Lateralus" einzuhören, das dritte Album von TOOL. Doch als ich schließlich drin war, zeigte es immer mehr Tiefenwirkung. Schwerer Art-Rock, verpackt in labyrinthisch komplexe Stücke, bei welchen ein Killer-Riff das nächste jagt, während hie und da eine feine Melodie hervorlugt - kühl getragen von Mr. Keenans charismatischem Gesang. Wärs ein Film, wärs ganz großes Kino!!


Gänzlich andere Töne schlugen MOTORPSYCHO mit "Phanerothyme" an, die auf einen Trip in die Sixties entführen. Fast möchte man glauben, sie mögen einen gen Kalifornien tragen... Ich weiß nicht, wie oft ich dieses Album - obschon ein recht atypisches Werk der Bänd - gehört habe. Kann man es nicht lieben, mit seiner melancholischen Fröhlichkeit, die ungefähr mit der Schwere einer flaumigen Feder im Wind umher schwebt?


Das Jahr der Währungsumstellung begann mit einem ausgesprochenen Knüller aus deutschen Landen. "Neon Golden" von THE NOTWIST. Dort treffen Gitarren auf Elektronik, treffen Spielereien auf Geräuschgeschnipsel, und allesamt treffen auf Songs mit unwiderstehlichen Melodien. Wunderschön, das. Und zudem bis heute - und wohl darüber hinaus - eines der wichtigsten Alben überhaupt aus den Gefilden dieser unserer Republik. Herausragend!!


Aus dem hohen Norden, exakt benannt Island, kommt eine Scheibe, welche mir seinerzeit den perfekten Soundträck zum Lesen des Herrn der Ringe liefern konnte. SIGUR ROS nennt sich die Bänd, deren Gitarrist die Saiten mit Geigenbogen streicht, während der Sänger der Legende nach in einer Mischung aus Fantasiesprache und real existierenden Akzenten singt. Zu deutsch bedeutet der Bändname übrigens Siegerrose. Wenn dies alles mal nicht nach fucking Romantik klingt, was? Komplett unbetitelt bleiben hierbei nicht nur sämtliche 8 Stücke, die sich in märchenhaft schwelgerischen Klängen um die Seele schmiegen, sondern gleich das ganze Album. Das Cover ziert lediglich ein "( )", fertig. Wundervoll!!


Gegen Mitte des Jahrzehnts wurde ich über das freie Radio meines Heimatstädtchens auf MARK LANEGAN aufmerksam, der mit seiner Bänd und einigen Gästen (u. a. P. J. Harvey) das Album "Bubblegum" bald fest in meiner Welt verankern konnte. Was für eine Stimme!! Fast möchte man sagen, die Songs und die Musik dazu seinen nahezu egal, strotzten sie nicht vor Melodien, Charme und Reife. Ein echter Dauerbrenner!!


Und - wo wir grade bei Stimmen sind - was wären die letzten Jahre nur ohne Conor Oberst's BRIGHT EYES gewesen? Schwer fiel es mir, Festlegung auf eines seiner Werke zu finden. Ein klein wenig heraus aus gewohnten Rahmen fiel jedoch "Digital Ash In A Digital Urn". Poppige Elektronik rückte nach vorne, die Gitarre trat etwas in den Hintergrund. Nicht den geringsten Abbruch tat dies jedoch seinem untrüglichen Gespür für herzergreifende Songs. Ich möchte fast behaupten, dies sei möglicherweise sein bislang bestes Werk überhaupt!!


Schon immer war ich gut zu haben für eigenwillig Klingendes. Und wer - außer meinen Lieblingen aus Norwegen - würde sich für solches besser eignen als THE DECEMBERISTS? Und welche von ihren großartigen Platten soll man bloß als DIE großartigste rühmen? Colin, Colin, was hast du dir dabei gedacht? Dessen Schelmenhaftigkeit geschuldet, musste ich das Album "Picaresque" eine zeitlang gradewegs aus meiner Nähe entfernen. Aus reiner Angst, ich könne mich eventuell daran über-hören. Dies wäre nicht weniger als eine Tragödie gewesen...


Sehr überraschend kam eines ausgehenden Sommers fast wie aus dem Nichts der ganz große Meister mit seinem besten Album seit nicht nur langer Zeit, sondern für meine Antenne gar einem seiner besten überhaupt: "Modern Times" betitelte BOB DYLAN diese zeitlose und alles andere als moderne Platte. Hat er jemals verschmitzt gekichert, dann dürfte es bei der Festlegung dieses Albumtitels gewesen sein...


Schließlich gibt es sogar noch eine deutschsprachige Platte im Reigen meiner liebsten Nuller-Veröffentlichungen. Doch zeigte sich mitnichten jemand aus der hiesigen Republik dafür zuständig, nein, ein Nachbar aus der Schwyz musste dafür in die Bresche springen: GUZ nennt er sich, taufte seine bis dato wohl beste Scheibe schlicht "mein name ist GUZ", und wirft darauf mit Humor, Ironie, Sprachwitz, höchst charmanten Ohrwürmern und nicht zuletzt süßer Anarchie aus vollen Händen um sich. Was macht diese Platte doch für einen Heidenspaß!!


Damit wären sie also raus, die zwei Hände voll Glanzlichter an Veröffentlichungen der letzten 10 Jahre. Sicherlich sind dies bei weitem nicht alle überdurchschnittlich guten Alben, und wer weiß schon, was zu einem anderen Zeitpunkt vermeldet werden würde. Doch ist jetzt eben jetzt - und nicht wann anders. Drum wollen wir uns nicht lange mit solcherlei aufhalten, sondern lieber den Fokus rüberschwenken, uns zu beschäftigen mit einigen aus den Erinnerungsgebirgen deutlich herausragenden Live-Ereignissen der Dekade.

(weiter zu Teil II)

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