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Konzerte
Den Auftakt hierbei bestritt im März 2000 ein außergewöhnlicher Künstler: BEN HARPER beehrte mit seinen INNOCENT CRIMINALS das nicht weit entfernte Straßburg. Dort begeisterte der Amerikaner nicht nur mit dem Sound seiner Washburn-Gitarre, welche er häufig sitzend - das Instrument auf Oberschenkeln zu Dienste liegend - der Pedal-Steel-Guitar gleich spielte. Auch seine Sangeskünste dürften lange nach ihresgleichen suchen müssen. Selten hab ich einen Sänger so nahtlos wechseln hören, zwischen sich wütend-verzweifelt die Seele ausschreien hin zu glasklarer, ja fast engelsgleich sanft klingender Stimme. Sehr beeindruckend!!
Im November 2002 reiste ich nach München, um meine erklärte Lieblingsbänd im dortigen Backstage zu sehen. Die ungefähr erste Hälfte des wie immer recht lange dauernden Konzerts verbrachte ich in der ungefähr dritten Reihe, nicht weit vom Gitarristen Snah entfernt. So konnte ich dem Herrn ausgezeichnet immer mal wieder auf die Finger schauen, wenn der Sound mich grade überhaupt irgendwelche andere Eindrücke wahrnehmen ließ. Um uns nicht hoffnungslos zu reizüberfluten - und auch zur Flüssigkeitszufuhr - ließen wir uns später etwas zurückfallen. Zu vorgerückter Stunde war mein dortiger Freund, Begleiter, Gastgeber, Fahrer und Bereitsteller einer Übernachtungsmöglichkeit ziemlich müde. So deutete er irgendwann, während die Bänd noch Zugaben spielte, an, in Bälde aufbrechen zu wollen. Ich konnte noch genau einen Song aushandeln, und - fucking hell!! - MOTORPSYCHO verabschiedeten sich genau mit dem Überkracher "Vortex Surfer". Danach war Schluss!! Hätte ich dieses Stück verpasst, und danach erfahren, dass es nach meinem Verlassen der Lokalität noch gespielt worden war, ich hätte auf der Stelle reanimationsresistentes Herzversagen erlitten. Und zwar völlig zu Recht!!
Auch recht eindrücklich habe ich das Gastspiel der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN im April 2004 in Karlsruhe - genauer der Festhalle Durlach - in Erinnerung. Dabei fand ich nicht nur die Live-Umsetzung ihrer zu jener Zeit längst schon richtige Songs zu nennendenen Geräuschexerzizien in hächstem Maße gelungen, auch das Zickenspiel, welches Vollzeit-Exzentriker Blixa Bargeld mit seinem Bühnen-Sound-Mischer über weite Strecken immer wieder unwirsch blickend veranstaltete, bereitete mir großes Amusement. Als kleines Extra-Bonbon verkaufte die Bänd nach Ende des Konzerts einen frisch gebrannten, fast kompletten Live-Mitschnitt der Audio-Performance. Die Leute standen Schlange - ich natürlich mittendrin, na logo!!
Nur zwei Monate später, im Juni des selben Jahres, sollte ich in den Genuss eines der schwerst energiegeladenen Konzerte von AGAINST ME! kommen. Diese rockten sich - seinerzeit noch im recht intimen Rahmen der Freiburger KTS - regelrecht die Seele aus dem Leib. Sehr, sehr geil!!
Überaus gerne denke ich an viele schöne Konzerte, die ich im Rattenspiegel miterleben durfte, Freiburgs ehedem kleinste Konzertlokalität, die zu meinem Bedauern vor etwa 3 Jahren für immer ihre Pforte schloss. Im April 2005 gastierten dort die HagforsGebhardtHickstars, kurz: HGH. Schräg-charmant und eigenwillig-abgefahren im Sound, 2 vor Humor fast überbordende Darsteller einer Show, die sie selbst ins Zeichen so genannten Trash-Grass stellten. Dabei verdingten sie sich u. a. an Gitarren, Bass, Banjo, Spielzeugorgel, Fahrradklingeln, Tröte, Hupe... Sie erzählten Geschichten, sangen country-eske wie experimentelle Lieder. Kurzum: sie unterhielten erstklassig. Nicht so erstklassig fand ich die Tatsache, dass Herr Gebhardt, bis dahin hauptberuflich Schlagzeuger einer Bänd namens Motorpsycho, mir nach dem Auftritt bei einem kurzen Gespräch mitteilte, dass er wenige Wochen zuvor aus besagter Bänd ausgeschieden war. Na, wenigstens durfte ich es persönlich erfahren und musste es nicht irgendwelchen Medien entnehmen...
Völlig nervös aus reiner Vorfreude stiefelte ich im Juli selben Jahres beim Zeltival des Karlsruher Tollhaus herum, als dort Conor Oberst mit seinen BRIGHT EYES zu Gast war. Außerdem war ich ziemlich about drinking an diesem Abend, so dass meine Blasenfüllung meist an der oberen Markierung anstieß, weshalb ich häufig einen Bedürfnisort aufzusuchen genötigt war. Auf dem Rückweg vergönnte ich mir dabei niemals, sogleich dem Bierstand noch einen Besuch zu statten, so dass das ganze Konzert, bei dem übrigens fast die komplette Vorbänd The Faint mit Oberst zusammen die gesamte "Digital Ash In A Digital Urn" musikalisch hervorragend umsetzte, ein ausgiebiges Rein-Raus-Spiel war. Das Konzert war Klasse, über meinen Zustand danach möchte ich mich lieber nicht äußern...
Im Dezember 2006 besuchte ich in Stuttgart die äußerst hässlich anzuschauende Porsche-Arena. Der Anlass war allerdings umso ergiebiger: TOOL, eine Bänd, die ich schon jahrelang mit einem Auftritt in meine Biographie gewünscht hatte, gaben ihr Stelldichein. Und dies war nicht weniger als fantastisch. Metallisch angehauchter Art-Rock at its best. Lightshow, Sound, Musikdarbietung sowie Performance lagen sehr nahe an der Perfektionierung einer postmodernen, musikalisch äußerst komplexen Rock-Show.
Der Dezember wäre in der Tat auch ein passender Zeitpunkt gewesen für THE DECEMBERISTS. Diese durfte ich jedoch im September des Folgejahres zu Karlsruhe im hübschen Substage begutachten. Selten beobachtete ich ein Konzert so gebannt wie jenes, wo ich mich bei damals frisch eingeführtem Rauchverbot absolut abstinent zeigte, aus purer Angst, irgendeinen Ton oder ein Ereignis auf der Bühne zu versäumen. Dort sorgte steter Wechsel an der bisweilen sehr ausgefallenen Instrumentierung für ein mich sehr nachhaltig beeindruckendes Konzert der Bänd um den höchst kreativen Songwriter und Storyteller Colin Meloy!!
Die wohl derzeit innovativste deutsche Bänd verspulte mich noch für Stunden nach Ende ihres Auftritts im Freiburger Jazzhaus im Juli des Jahres 2008. THE NOTWIST hatten den Schwerpunkt auf ihre beiden letzten Alben gelegt und präsentierten ihr Set mit einer derart lakonischen Erhabenheit - es war die pure Freude, ihnen zu lauschen. Fantastisch!! No more, no less!!
Den abrundenden Abschluss dieser Retrospektive - als wäre es so geplant gewesen - bildet ein wahrlich ganz Großer: BOB DYLAN. Im April 2009 spielte er mit einer hervorragenden Live-Bänd im Straßburger Zenith ein nicht weniger als großartiges Set vieler seiner besten Songs, wie immer in neuem, einzigartigen Soundgewand - diesmal natürlich im Stile der letzten beiden Alben "Modern Times" bzw. "Together Through Life" (wobei letztere kurz vor der Veröffentlichung stand, der allzeit grantelnde Herr aber leider nix davon vorweg nahm). Manche Stücke waren dabei wie immer fast nur am Text zu erkennen. Und er schaffte es tatsächlich, eines meiner liebsten Stücke von ihm für mich eher mäßig klingen zu lassen, mein mit am wenigsten geliebtestes dafür aber unglaublich gut!! Wenn dieser Künstler nicht in Würde gealtert ist, dann, liebe Leute, dann weiß ich auch nicht...
So sei es an der Zeit, ein klein wenig durchzuatmen, nicht wahr? Die Platten wären durch, die Konzerte auch. Es fehlen hier lediglich noch die mir während des hier besprochenen und nunmehr geschlossenen Zeitfensters persönlich wertvollsten
Songs
Ich möchte doch hoffen, dass die bis hierher Lesenden doch mindestens sehr gespannt sind, welche Lieder ich zum Aufsatzfinale als die besten der letzten Dekade mit Lorbeer bedecken möchte. Ehrlich gesagt, es gibt eine rauhe Menge herausragender Songs, doch bei den Brainstorming-Sitzungen kristallisierten sich dann genau derer 3 für mich nach ganz oben heraus:
"Something Vague", dieses wundervolle Weltschmerz-Stück des noch ziemlich jungen Conor Oberst mit seinen BRIGHT EYES.
Auf die selbe Stufe damit habe ich den folkig-punkigen Killer-Ohrwurm von AGAINST ME! gestellt: "Sink Florida Sink". Man kann sich kaum satt hören dran.
Und nun, sozusagen zu bester Letzt, darf ich meinen persönlichen Favoriten der abgelaufenen Dekade bekannt geben: bar jeder Konkurrenz steht hier - alleine, doch nicht einsam - ein Stück, das bereits anno 2006 von meiner hiesigen Minderheit zum Song des Jahres gekürt werden durfte:
"The 29th Bulletin" von den nicht weniger als großartigen Norwegern MOTORPSYCHO. Was für ein Lied!! An zerbrochener Schönheit nicht zu übertreffen!! Waoh!! Wie sagt noch ein altes Sprichwort? The 29th Bulletin hören, dann sterben? Oder sollte sich da tatsächlich etwas Verwirrung meiner bemächtigt haben? Für diesen Song gibts ganz einfach kein auch nur annähernd treffend beschreibendes Wort!!
Anyway - ob klar oder umnachtet, ob high oder low: jetzt wisst ihrs!! Natürlich leckt sich meine Hoffnung die Finger danach, dass ich den Lesenden, so sie bis zum Schluss durchhalten konnten, nicht nur Freude beim optischen aufsaugen der vielen Worte bereiten durfte, sondern daneben vielleicht sogar ein wenig Interesse für die Musik der einen oder anderen hier erwähnten, sich nun unter einem ganzen Haufen Lorbeeren räkelnden Bänd wecken konnte.
Denn was, werte Leserinnen und Leser, wäre das Leben ohne einen vernünftigen Soundträck dazu?? So verabschiede ich mich nun kurz und schmerzfrei, schließlich ist die neue Dekade bereits voll am Laufen, und mein Plattenspieler lockt mich bereits wieder mit den ersten Neuzugängen zu sich...
Cheers, und bis denn, dann... mit herzlichsten Grüßen nur das Beste wünschend
Euer Pändy
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