Pändys Musikalischer Jahresrückblick 2021

 

Auch im Laufe merkwürdiger Zeiten ist Musikhören – mindestens abseits vom Live-Goutieren kunstgeschmückter Schallwellen – eine durchaus wetter- wie menschenmengen-unabhängige Angelegenheit. Wenn auch gemeinsames Hören einen gewissen Mehrwert im Vergnügen bereithalten kann, hat auch das Solo-Hören zu Hause seine Reize. Nun will ich aber nicht lange vorreden, schon gar nicht mit Erwähnungen vom lausigen Drumherum des jüngsten Alltags, sondern direkt loslegen mit umso wichtigeren Dingen – here we go:
Herzlich Willkommen zum Rückblick auf die Musik des Pändyversum 2021, die doch tatsächlich immer wieder für Erträglichkeit und Kopffreiheit sorgen konnte!!

Die wichtigsten Konzerte 2021

... waren streng genommen ALLE, die ich im soeben frisch zerbröselten Jahr besucht habe. Das ist nicht eben verwunderlich, wenn das Dasein lange ohne regelmäßige Konzertgänge gefristet werden musste. Wie auch jetzt grade wieder die Verlegungen bereits vorfreudig erwarteter Veranstaltungen losgehen....

Änywäy & heute don't look ahead: Nachdem ein Auftritt des Freiburger Trios Wolkenkratzer eines meiner letzten Konzerte vor den globalen Verbreitungsexzessen eines winzigen, aber recht fiesen Krönchens war, fand ich es recht passend, dass ein neuerlicher Auftritt dieser Lärmkünstler Ende Juni mein erstes Konzert seit neun Monaten war. Wie hab ich es genossen!! Welch hell scheinender und laut tönender Lichtblick im für so lange Zeit düsteren Kulturleben war dieses Improvisationskonzert!! Ebenso, wie die dagegen sehr straight den sommerlichen Mensagarten berockenden Hathors. Sehr geil und verdammt groovy, alle beide!! Beeindruckend war auch das Fabia Mantwill Quartett auf eben jener Openair-Bühne im Mensagarten – meiner persönlichen Lokalität des Jahres in Freiburg!! Klassischer Jäzz, bereichert mit Geschichten aus der Welt der begabten jungen Bändleaderin.

Ein wohlbekannter alter Recke räumte mit seinem Auftritt bei mir jedoch die meisten Lorbeerzweige ab: Mein 21er Konzert-Highlight stellte fraglos der Besuch eines Solo-Konzerts von Justin Sullivan, Sänger von New Model Army, dar. Ein großartiger, ernsthafter, dabei gleichermaßen unterhaltsam amüsanter Auftritt eines Menschen mit Hirn, Haltung, Charisma und Stimme. Eine großartige Performänce des Briten im Spätsommer im Freiburger Jazzhaus.

Hierneben möchte ich eine andere Art Live-Veranstaltung zur Live-Performänce des Jahres 2021 küren und salven: Die Aufführung des unglücklich glücklosen Kaspar Sternenkind im Theater der Immoralisten war definitiv ein kulturelles Live-Highlight!! Das Ensemble adaptierte die Geschichte des Kaspar Hauser hervorragend und transformierte sie kreativ ins Jetzt. Ganz große Klasse!! Mitsamt live gespieltem Soundträck des Theaterleiters und Komponisten himself, Florian Wetter. Chapeau!!

So war doch in '21 tatsächlich live mehr geboten als im Jahr zuvor. Diese Tendenz darf gerne anhalten!! Fürs erste gehe ich jetzt jedoch zurück zu den frisch gepressten Alben, die mich in den vergangenen zwölf Monaten beglücken konnten.

 
Die wichtigsten Alben aus 2021

 

Die ersten beiden Monate des Jahres waren geprägt von post-rockend instrumentalen Sounds: Die Dänen Papir schickten ihr Album VI in die Welt, zeitglich erschien Phase V, ein Re-Release der niederländischen 35007 (sprich: LOOSE). Fortan wechselten sich die beiden Alben, jeweils in klaren Vinyls, auf dem Plattenteller ab. Auch optisch sehr chic, das!! Ein schöner Jahresauftakt also, und auch eine angenehme Verkürzung des Wartens auf die Vertigo Days der Weilheimer The Notwist. Vieles ist auf deren neunten Studioalbum erneut anders als gewohnt und kann in der Tat für Schwindelgefühle sorgen. Doch manch vertraut klingende Passagen sowie das öftere Hören und damit ein langsames Wachsen des insbesondere gesanglich illustren Werks steigerten die Freude an den Klängen des experimentierfreudigen Quartetts zunehmend – bis es mir dann doch wieder ein bissl in der Versenkung verschwand. Nun, vielleicht findet ja das aus Oktober verschobene Konzert im April dann wirklich statt und Vertigo Days – übrigens in schick pinkfarbenem Vinyl – taucht allerspätestens dann wieder im Pändyversum auf...

Ende Februar, kurz, nachdem sich die härtesten Lockdown-Beschränkungen langsam abzumildern begannen, nisteten sich zwei skandinavische Jäzz-Alben bei mir ein: Zeitgleich erschienen Defeat vom schwedischen Free-Jäzz-Trio Fire! und Arrival of the new Elder von Elepant9, einer Bänd aus Oslo um den Keyboarder Ståle Storløkken. Dabei macht es ungemein Laune, auch diese beiden Alben direkt nacheinander und im Wechsel zu hören!! Ein echt smoother Trip fürs Gehör, den ich hin und wieder durch einen nach ziemlichem Spaßalbum klingenden Melvins-Release, Working With God, etwas durchzurütteln vermochte. Zudem kam als Nachzügler die zweite Auflage des Solo-Live-Albums von Nick Cave aus dem ersten Lockdown 2020 bei mir an: Idiot Prayer: Nick Cave Alone at Alexandra Palace – ein tolles, sehr intensives Doppel-Album, das allerdings auch die entsprechende Hör-Stimmung braucht, um am Stück goutiert werden zu können.

Als der kühle April kam, brachte er gleich zwei herz- und seelenwärmende Highlights mit: Allen voran Kingdom of Oblivion, von der Alltimefavebänd aus Trondheim. Grade mal acht Monate nach dem letzten schon wieder ein neues, ziemlich anders konzipiertes, fein rockendes Album von Motorpsycho mit einigen Folk-Reminiszensen dazwischen – in gewohnt hoher Qualität!! Am selben Tag erschien das großartige G_d's Pee at State's End! vom kanadischen Kollektiv Godspeed You! Black Emperor. Diese beiden Alben teilten sich eine schöne Weile den Teller; immer wieder hörte ich zudem auch vorherige Werke beider Bänds wieder gehäuft, so dass mir die kleine schicke 45-RPM-Single At Rainbow's End von Spidergawd – ein Vorgeschmack auf VI und eigentlich ein Killer-Ohrwurm – leider ein wenig unterging. Trotz des großartigen Covers "Man on the Silver Mountain" von, na klar: Rainbow, auf der B-Seite!! Doch das sollte sich gegen Ende des Jahres noch ändern, wie weiter unten zu lesen ist... Außerdem gönnte ich mir zwischendurch noch die 20-Jahr-Feier des Deftones-Klassikers White Pony – als 4-LP-Box in Buchform. Ein immer noch sehr geiles Album auf zwei Vinyls und als Bonus dazu die Remix-Version desselben Werks namens Black Stalllion!!

Nun ja, bis hier kam tatsächlich ausnahmslos alles per Post bei mir an. Kein Schwätzchen im oder vorm geliebten Plattenladen, kein vorfreudiges Nachhausetragen der Einkäufe, kein Stempelchen auf dem Rabattkärtchen für Schwerstabhängige; dafür viel Verpackung zu entsorgen. Hmpf – bäd times... Als endlich wieder die Türen zur Dealerei offen standen, traf insbesondere eine Empfehlung meinen Hörnerv ziemlich tief ins Mark: Witch Egg heißt das selbstbetitelte Album eines von vielen Projekten des amerikanischen Multi-Instrumentalisten John Dwyer, das ganz ohne Gesang auskommt und irgendwo zwischen Free-Jäzz, Psychedelik und Jim O'Rourke's Interpretation des Post-Rock mäandert. Sehr geil, grade auch an warmen Nachmittagen und/oder Abenden im leider kurzen 21er Sommer, in welchem nicht mehr viel passierte an Neuzugängen. Ich war mit den bereits erstandenen wie auch wesentlich älteren Errungenschaften beschäftigt und hatte die Sammlung in ein neues Regal zu sortieren – Kisten brauchen einfach viel Platz!! –, sodass ich nun auch bei der weitestgehend alphabetischen Organisation der guten Stücke angekommen bin...

Dann kam auch schon der Spätsommer, in dem ich ziemlich viel und gerne Dinosaur Jr aufzulegen pflegte. Das führte direkt dazu, dass ich mir im Herbst, ein halbes Jahr nach Veröffentlichung, das aktuelle Album Sweep it into Space – erschienen in 4 (!!!!) verschiedenen Vinyl-Versionen – zulegte. Meins ist irgendwie dunkel-violett oder so. Egal, viel wichtiger: J Mascis ist immer noch und mehr denn je der sympathischste Nörgler unter den Indie-Rockern. Zudem stieß ich, sehr passend zu diesen Urgesteinen, auch mal wieder auf Musik aus Good Old England: Little Eden; ein Doppelalbum von The Bevis Frond. Auch so eine Bänd, deren Namen mir über die Jahre immer mal wieder begegnet ist und deren Kopf Nick Saloman bereits zig Veröffentlichungen zu verantworten hat. Mit unaufgeregt kreativem und abwechslungsreichen Gitarrenrock wird Little Eden derweil seinem Titel als kleines Paradies für die Gehörgänge mehr als gerecht.

Fast ein paar Sympathien für einen Ausnahmesänger gekostet hat mich im weiteren Verlauf des Herbst die Lektüre der Autobiografie von Mark Lanegan. Aber auch etwas Respekt abgenötigt, einfach dafür, dass er noch immer lebt... Übelste Junkie-Geschichten sind zu erlesen in Alles Dunkel dieser Welt (Original: Sing Backwards and Weep); dazu gibt es Einblicke in die Zeit des Grunge rund um Seattle/Washington und Geschichten von und um diverse Bänds und Künstler aus den Neunzigern. Das brachte unweigerlich mit sich, dass ich vermehrt Screaming Trees sowie die Solo-Alben und Kollaborationen des US-Amerikaners (wieder)gehört habe. Natürlich mittels der gedruckten Erzählung mit geschärftem Hör- wie Blickwinkel auf das Schaffen des Mannes mit der geräuchert-sonoren, tiefdunklen Stimme. Zur zwischenzeitlichen Aufhellung der akustischen Düsternis bot sich zum Glück Stitches von Nils Petter Molvaer hervorragend an. Ein sehr entspanntes Jäzz-Album, das mittlerweile zehnte Werk der Bänd um den norwegischen Trompeter, den ich bereits mit der Präsentation seines Debüt-Albums Khmer 1997 live erleben durfte und der nun eindrucksvoll, mit vielen stilistischen Ausflügen in unterschiedliche Genres, in meinen kleinen Kosmos zurückgekehrt ist.

Bis tief in den Herbst hinein gedulden musste ich mich wegen Pressverzögerungen auf das Triple-Album Live in Stuttgart 1975 von den experimentellen Uralt-Avantgarde-Blues-Jäzz-Noise-Rockern Can. Gar nicht so schwer zu hören ist diese gut zweistündige, auf drei Mal orangefarbenes Vinyl gebannte Live-Inszenierung der Düsseldorfer, von deren fünf Gründungsmitgliedern drei schon gar nicht mehr unter den Lebenden weilen. Ein weiteres Triple-Album, durchweg in rotem Vinyl gehalten, bescherten ebenfalls im November die Oxford-Briten Radiohead. Die nahmen ganz einfach die Alben Kid A von 2000 und Amnesiac aus 2001, gaben ein Album mit bis dato unveröffentlichten Stücken bzw. Demo-Versionen in deren Mitte und warfen das Gesamtpaket mit dreifachem Klappcover als Kid A Mnesia auf den Markt – ich griff dankend zu...

Eine große neue Entdeckung war gegen Ende des Jahres God of Spinoza von Daily Thompson. Hier finden sich Reminiszensen an diverse Grunge- wie Stoner-Bänds mit außerdem immer wieder aufblitzenden Sonic Youth-Flair drin. Sehr geil, das!! Bald abgelöst wurde dieses Album auf dem Plattenteller von diversen Spidergawd-Alben und 7"-Singles, nachdem das norwegische Quintett endlich VI auf den Markt entlassen hatte. Gleich im Paket mit zwei weiteren 7"-Singles taten sie dies – offenbar als Entschädigung für die verzögerte Veröffentlichung. Auch VI ist neuerlich wieder ein tolles Rock-Album, zeitlos wie auf dier Höhe der Zeit, mitsamt gefühlt noch mehr Mitsing- bis -gröl-Refrains als sonst und natürlich mit jeder Menge Faust-nach-oben-Riffs – einfach nur geil!! Definitiv das "Gute-Laune-Album" des Jahres kurz vor dessen Hinübergleiten in historische Chroniken. Und natürlich in Fortsetzung der optisch wirklich immer wieder herausragenden Aufmachung, vom farbigen Vinyl bis hin zur Gestaltung der Covermotive. Durchaus haben Spidergawd damit einen hochwertigen Jahresschlusspunkt gesetzt und ermöglichen damit gleichsam ein positives Eingrooven ins neue Jahr – whatever das auch bereithalten oder mitbringen möge...

Somit möchte ich nun, zum Abschluss und als Inspiration für musikalisch wohlgeneigte Interessierte, die absolut sub-objektivierte und ohne Platzierungen auf Treppchen vorgenommene Kür der für mich herausragenden Alben des Jahres 2021 – in order of apperarance bzw. des Eintrudelns in meinen Kisten und Regalen – vornehmen:

Motorpsycho's Kingdom of Oblivion ist dabei, na klar, wie mich erneut Godspeed You! Black Emperor mit G_d's Pee at State's End! sehr gekickt haben. Eine große Entdeckung war und ist Witch Egg und sticht als Sommeralbum heraus. Diese drei sowie Nils Petter Molvaer's Stitches und das sechste von Spidergawd waren für mich beim aktuellen Rückblicken die fünf Top-Neuerscheinungen, die mir am tiefsten ins Gehör dringen konnten!! Do it sehr gerne again, Dudes!!

Das wars denn auch schon mit der zu erwähnenden Auswahl an Musik aus dem vergangenen Jahr, das sich ansonsten so nicht mehr wiederholen bräuchte. Mit den nun folgenden und finalen Zeilen meines das Jahr beschließenden kleinen Wortschwalls möchte ich nun unbedingt

ausdrücklich allen danken, die trotz miesester Bedingungen die Kultur am Laufen halten – ebenso meinen regelmäßigen Tippgebenden und allen, mit denen ich immer noch und immer wieder gerne über Musik rede und mit denen ich manchmal sogar welche höre!! Und Extra-Spezial-Dank geht selbstverständlich an meine Lesergemeinde, die treuen wie vielleicht sogar ein paar neue –
Thänx & stay clean!! Rock on 2022!!
Cheerz
Pändy
 

Hoppla - fast hätte ichs vergessen: Ein kleiner, fast unscheinbarer Hit aus dem vergangenen Frühsommer hatte sich noch in meinen Ohren festgezwickt. Leider nicht in physischem Format erhältlich, daher reiche ich meine Lieblingssingle unter den nicht erstandenen in Form eines Links nach:

Hier lang zu Jupiter Flynn und Difficult Times. Sehr schön, wie ich finde...

6.01.22

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