MOTORPSYCHO  The Tower   (VÖ: 8.09.17 / Stickman Records)

 

Ein Jahr und drei Monate nach dem Ausstieg von Kenneth Kapstad und dem Ende einer fast zehnjährigen Ära, ein dreiviertel Jahr nach Übernahme der Drumsticks durch einen gewissen Tomas Järmyr, sind die höchst verehrten und im besten Sinne musikwahnsinnigen Herren von Motorpsycho mit einem neuen Album zurück. Umso größer die Freude, dass mir erneut die Wartezeit verkürzt wurde und ich in der glücklichen Lage bin, The Tower vorab zu begutachten. Und - das wird bald nach Einlegen des ersten der beiden Scheibchen klar - zu goutieren, bestaunen und genießen. So muss ich höllisch aufpassen, hier nicht eine mehrseitige Laudatio in ähnlicher Ausuferung mancher Stücke der Norweger zu formulieren...


Das erste Hören ließ mich zunächst zwischen schlichter Begeisterung, zaghafter Verwirrung und milder Irritation zurück. Zum einen, weil ich unzählige Eindrücke der Doppelalbum-Langstrecke noch unsortiert im Ohr hatte; außerdem, weil das letzte Stück, "Ship of Fools", ein Trip ist, der das Hirn derart durchbläst, dass ich danach die Hand ans Kinn führen musste, um den Unterkiefer wieder hochzuklappen. Ja, richtig erkannt: Ich bin restlos begeistert!!
Ich versuche diesen Turm von einem Album jetzt mal anhand des Fünfzehnminüters "A Pacific Sonata" zu beschreiben, dem zweiten Stück auf der zweiten Disc, das mit einem ruhigen Intro einsteigt, was klanglich stark an die orchestrale Phase um Let Them Eat Cake und - noch mehr - die poppige Sixties-Platte Phanerothyme erinnert. Der balladeske Charakter macht den ersten Teil der Sonate aus. Nach dem Refrain verstummen die Gesänge, derweil die Gitarre eine sanft bluesige Erzählung startet, die nach ihrem brillierenden Solieren wiederum zurück im vokalen Refrain mündet, welcher sich alsbald in sphärischen Tastenklängen auflöst. Aus diesen entwickelt sich nun ein von tänzelnden Rhythmen geführter, ausführlicher Instrumental-teil, der mich etwas an das hippelig angejäzzte "Kvaestor" von Behind The Sun erinnert, bevor auch jener Part schließlich die Melodie des Refrains wieder aufnimmt, ehe sich die Stimmen wieder einklinken und die Sonate beenden.


The Tower ist also ein Werk, welches erneut frühere Schaffens-phasen der Trondheimer aufgreift, diese ins nun erweiterte Gesamtwerk einbettet und mit neuer Inspiration gespickt sogleich weiterführt. Das ist mir bei Motorpsycho nicht neu; das ist eigentlich wie immer - doch genau dieses Wandeln auf bekannten wie neuen Pfaden macht diese Bänd mit ihrem dabei stets unverkennbaren Sound auch aus.
Die Neuerungen finden sich - nebst der neuen Besetzung am Schlagzeug und einem Gast an Bord - in mehr oder minder auffälligen Details. Am Markantesten ist, dass auf harte Riffs à la Heavy Metal Fruit oder Demon Box noch einiges an Gewicht und damit Härte im Sound draufgepackt wurde. Gleichzeitig werden diese Schwerstmetallriffs verziert mit Gesängen Marke Behind The Sun und Here Be Monsters, sowie gepaart mit der Aura von The Death Defying Unicorn. So zu hören etwa bei "Bartok of the Universe", welches zudem mit in dieser Form ebenfalls noch nicht dagewesenen Leadgitarrenklängen gespickt ist. "A.S.F.E." (sprich: A Song For Everyone) wiederum verbindet den treibenden Rhythmus von "X-3 (Knuckleheads in Space)" (Heavy Metal Fruit) mit sich ins Ohr wurmendem Pop-Appeal. "Intrepid Explorer" atmet in seinem Instrumentalteil in großen Zügen Little Lucid Moments-Brisen, "Ship of Fools" lässt dezente Lärmattacken des "Grindstone" (Timothy's Monster) aufleuchten und erreicht eine Bedrohlichkeit wie zuletzt "Big Black Dog" vom letztjährigen Album Here Be Monsters, während insbesondere "Stardust" wiederum direkt aus der Phanerothyme-Zeit stammen könnten. Zu den bereits erwähnten neuen Klängen im motorpsychedelischen Universum gesellen sich bei "In Every Dream Home (there's a dream of something else)" in manchen Passagen schmucke Flötenklänge hinzu, die einen wunderbaren Kontrast zur ultraharten Gitarre geben.


Ich kann also erneut geneigten wie aufgeschlossenen Hörerinnen und Hörern dieses Album als akustischen Ausflug durchs Motorpsycho-Universum - und damit einem Ritt durch Stile und Genres - mit knapp anderthalbstündiger Reisezeit nur allerwärmstens ans Herz legen; was wohl kaum überraschen wird, wenn Rezipient*in dieses Textes meine musikalischen Präferenzen auch nur flüchtig kennt...
Nixdestotrotz: The Tower ist ganz, ganz großes Hör-Kino!!

31.08.17

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