Motorpsycho                           15.10.19 Frankfurt, Mousonturm

 

In Frankfurt fand dieser Tage das Norsk Festival statt, ein Festival für norwegische Musik, Literatur und Performance. Womöglich stand dies in direktem Zusamenhang mit der just eröffneten Buchmesse, auf welcher Norwegen das diesjährige Partnerland ist. Und offenbar hat man dort zudem beschlossen, das Highlight norwegischer Kunst gleich am ersten Abend zu präsentieren!! Dieser Einladung, dieses Jahr mein drittes Konzert der Trondheimer Musikfreaks besuchen zu können, kam ich natürlich äußerst gerne nach...

Ein ausgesprochen schöner Ort war hierfür auserkoren worden, das Mousonturm, ein Künstlerhaus, das ehemals eine Seifen- und Parfumfabrik war. Während weiter oben im Gebäude eine Lesung stattfand, traten Motorpsycho im ebenerdig gelegenen Saal auf, der gut und gerne sechs- bis siebenhundert Menschen fassen dürfte. Und da das Konzert nicht ausverkauft war, konnte man auch weiter vorne recht entspannt stehen und schön gespannt auf das Set sein, welches die Four Norsemen an diesem Abend zu präsentieren gedachten. Die stiegen gleich mit ihren beiden Zweihälsern und "The Crucible" ein. Über den anfänglichen Sound waren meine Mithörer und ich uns etwas uneinig. Ich fand die klanglichen Verhältnisse zwar anfangs auch nicht optimal, aber so grottig wie andere Ohren dies erlebten, war er für mich nicht. Sei's drum, die Akustik wurde im Lauf des Abends ohnehin noch deutlich besser, während sich Tomas, Snah, Bent und Reine in ihren gewohnt großartigen Wahn spielten und hin und wieder im Hintergrund spärlich eingesetzte, zu ausgewählten Songs präsentierte Videos abgespielt wurden. Besonderen Reiz hatten die farbigen Animationen als Untermalung von "Mountain", dem letzten Stück des regulären Sets, dem eine wahre Achterbahnfahrt an stetem Wechsel zwischen ruhiger, lärmiger, straight rockender wie jäzziger Darbietungen vorangegangen war - ehe nach erwähntem Klassiker nach zwei Stunden und fünfzehn Minuten eine winzige Verschnaufpause kam.

Tatsächlich gab es die eine oder andere Überraschung in dieser Aneinanderreihung von Highlights; sei es das (nach meiner Recherche) erstmals seit neun Jahren live gespielte "On my Pillow" vom 94er Album 'Timothy's Monster' oder das hierauf folgende, ebenfalls mit zwei akustischen Gitarren zu E-Bass und Schlagzeug gespielte "Mad Sun" - großartig!! Nach diesem Zwei-Song-Akustik-Intermezzo gings mit "A Song For Everyone" sehr straight nach vorne los. Lasst uns rocken, sagte Bassist Sæther das Stück von 'The Tower' an. Das taten die vier, nahmen das Publikum mit und schlossen dem Stück sogleich den Titelsong des 2017er Albums in einer neuen Version, mit fabulösem Snah-Gitarren-Zwischenteil, an. Ebenfalls herausstechend gaben sich "Song for a Bro", das Instrumental vom 00er Werk 'Let Them Eat Cake' und - gegen Ende zwischen "Psychotzar" including Drum-Solo und "Mountain" eingeflochten - der auf Tonträger recht rare Song "Bonny Lee".
Auch Herrn Fiske wurde an diesem Abend manche Freiheit eingeräumt, sei es an der Gitarre oder am Mellotron, die er recht freudig nutzte. Wie überhaupt das Quartett zum wiederholten Male gut aufgelegt schien ob der neuerlichen Live-Dokumentation ihres sich stets im Fluss befindenden Wirkens, das durchaus als eine Auslotung der Grenzen von Instrumenten, Songs, Sounds und Sessions bezeichnet werden darf.

So war der mich letztlich wohl am stärksten beeindruckende Moment, oder vielmehr eine Aneinanderreihung von Momenten, der finale, minutenlange Ausklang des Konzerts; der ruhige, ja, meditative Abschluss einer großartigen Interpretation von 'Blissard's "Fool's Gold", als die Bänd es schaffte, den gesamten Saal zum Schweigen zu spielen. Es war einer dieser sagenhaften Momente, als Motorpsycho den Raum vollkommen mit der Atmosphäre ihres - in diesem Fall mehr und mehr zurückgenommenen Sounds - erfüllten. Am Ende dieser zwanzig Minuten währenden Zugabe herrschte im Publikum absolute Stille, sodass man, als bald auch die letzten Quasselmäuler ihre Gespräche eingestellt hatten, die Ehrfurcht im Raum mit bloßen Händen zu greifen vermochte!! Ein toller Abschluss dieses Auftritts!!

Im Übrigen konnten sich geneigte Hörer wie Käufer beim Rausgehen noch ein Tour-Vinyl mitnehmen: 'The Light Fantastic', untertitelt mit 'Artefacts from the Psychomprehensive Vaults' und übertitelt schlicht mit 'Connaisseur's Catalogue'. Das nicht ganz billige Stück, ausgestattet außerdem mit einem siebzigseitigen Booklet, enthält u. a. zwei bislang unveröffentlichte Stücke aus den Crucible-Sessions und einige weitere Songs aus diversen Phasen der letzten fünfzehn Jahre. So auch das zuvor live präsentierte "Bonny Lee", ein Outtake des 2006er 'Black Hole/Blank Canvas'-Doppelalbums, laut Liner-Notes damals ausschließlich auf einer raren Promo-Single erhältlich, und "Mockingbird" von den 2014er in Form eines 7"-Quartetts via Homepage vertriebenen 'Motorpnakotic Fragments', das im Set nach den beiden langen Stücken zu Beginn als melodiöser Türöffner für "Überwagner..." including "The Pilgrim" an dritter Stelle des abendlichen Sets begeistern konnte. So hat sich der Abend also nicht nur für das Live-Erlebnis der insgesamt zwei Stunden und fünfunddreißig Minuten gelohnt, sondern auch für ein bleibendes physisches Andenken an another great Evening mit Motorpsycho...

 

Abschließend natürlich noch die verifizierte Setliste:
The Crucible / A Pacific Sonata / Mockingbird / Überwagner or a Million Bubbles in My Mind->The Pilgrim / Whip that Ghost (Song for a Bro) / On my Pillow / Mad Sun / A.S.F.E. / The Tower / Psychotzar->Bonny Lee / Mountain // Fool's Gold


19.10.19

hier zur Akustiksession (aus Leipzig am nächsten Tag)

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