Mark Lanegan Band 2.12.12 Heidelberg, Karlstorbahnhof
Gäbe es auf dieser wunderbaren Homepage Siegerpodeste, so wären unter der Rubrik Stimmen die Treppchen für Platz zwei und drei just leergefegt. Freigeräumt wären diese nach einem sonntäglichen Ausflug ins schöne Heidelberg. Dort nämlich gab ein sich vielseitig beschäftigender Sänger im Rahmen seiner derzeitigen Europareise eines zweier Gastspiele auf deutschem Boden.
Ganz schön jung mutete das Durchschnittsalter der Anwesenden im zwar nicht ausverkauften, jedoch sehr gut besuchten, sechshundert Menschen fassenden Saal dieser ausgesprochen ansprechenden Lokalität an. Die meisten mochten wohl insbesondere 'Blues Funeral', das aktuelle Album des Musikers mit der düsteren Stimme kennen. Doch bevor dieser zum Zuge kam, standen noch drei (!!) Bänds als Vorprogramm auf der Bühne. Die ersten beiden, jeweils Solo-Künstler, ließ ich weitestgehend unbeachtet an mir vorbeiziehen. Die letzte, Creature With The Atom Brain, spielte entspannten, stoner-angehauchten Blues, der mich nicht grade umhaute, aber eine sehr gute Einstimmung auf den Hauptäct überbringen konnte - nicht weiter verwunderlich, bestand des folgenden Ausnahmekünstlers Live-Band doch großteilig aus Mitgliedern der Supports.
Nachdem die Bühne entsprechend umgebaut war, die schwarzen Vorhänge im Hintergrund dezent dunkelgrün angestrahlt waren, betraten um viertel nach zehn die Musiker die Rampe: ein mit Rockabilly-Frisur nicht allzu passend aussehender Gitarrist zur Rechten des Sängers, zur Linken sitzend ein zweiter Gitarrist, welcher auch mit Keyboard, Synthie und Sounds zugange war, etwas dahinter der Bassist neben dem Schlagzeuger. Zuletzt postierte sich in der Bühnenmitte der ganz in Schwarz gekleidete Sänger: Mark Lanegan.
Wortlos begann das Set mit "Gravedigger's Song", dem Opener der Blues-Beerdigung. Der Sound schallte zu Beginn noch etwas schwammig durch den Saal, sollte sich aber bald noch deutlich bessern. In sich versunken wirkend, mit meist halb geschlossenen Augen sich hin und wieder im Groove der ausgesprochen gut aufspielenden Bänd wiegend, hielt dieser mit der linken Hand das Mikro stets fest im Griff. Die Finger der rechten hatte er indes am Mikroständer fast kontinuierlich in Bewegung, grade so, als tippe er im Rhythmus der Musik die Zeilen seiner Unheil verkündenden, tief traurigen, nur sehr selten versöhnlich klingenden Texte mit. Zwischen den Stücken wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht, rückte in kleinsten Schritten wieder in Position und nickte hierbei hin und wieder dem Publikum zu. Nach dem sechsten Stück dann erstmals ein kurzes "Thanks very much". Später sollte er noch die Bänd vorstellen und sich erneut mit knappen Worten bedanken. Und doch, diese minimale, ich möchte fast sagen Null-Performance, reichte nicht einfach nur aus, nein, sie rundete hervorragend das im Ganzen gebotene Bild ab. Neben der in dämmrige Aura gehüllten Erscheinung des Mannes, dessen finsterem Blick und dem Klang seiner düsteren Stimme, stark angerauht und mit sicher nicht wenig Whisky durchtränkt, war weder Platz noch Notwendigkeit für irgend etwas hiervon ablenkendes. Von Zeit zu Zeit hätte ich mir eben diese Stimme mehr in den Vordergrund gemischt gewünscht, doch konnte ihr Klang sich gerade auch im musikalischen Kontext sehr schön entfalten, so dass ausnahmslos jedes Stück zu einem einzigartigen Erlebnis werden konnte. Auch war die Mischung ausgezeichnet, in welcher die ruhigen, oft sehr getragenen Songs und rockigere Stücke präsentiert wurden.
Es ist müßig, zu versuchen, Highlights zu beschreiben, dennoch konnten sich für mich so einige Stücke besonders hervortun. Etwa vom neuen Album "Gray Goes Black", "Harborview Hospital", "Quiver Syndrome" und - zum Abschluss des regulären Sets - "Tiny Grain Of Truth". Dazu ragten vom vorigen Album 'Bubblegum' "Hit The City" und natürlich "One Hundred Days" heraus. Außerdem "Ressurection Song" vom bejahrten 'Field Songs', welches schön straight rockend vorgetragen war. Oder das Screaming Trees-Stück "Black Rose Way" von deren 'Last Words - The Final Recordings' - ach, guckt euch doch unten die Setliste an, dann habt ihr alle Höhepunkte gesammelt...
Nach einem gut einstündigen Set verließen die Musiker für einen Moment die Bühne, um diese fast umgehend wieder zu betreten und aus Lanegan's Queens Of The Stone Age-Kollaboration "Hangin' Tree" durch die Lautsprecher zu jagen, ehe "Methamphetamine Blues", ein 'Bubblegum'-Kracher, das insgesamt fünfundsiebzigminütige Konzert beschloss, ohne wirklich Wünsche übrig zu lassen.
Ein anderes Bild bot Mark Lanegan schließlich nach der Show. Geduldig saß er am Goodie-Stand, signierte dort erworbene Gegenstände wie Live-CDs und Tour-Poster, ließ sich bereitwillig von und mit Fäns fotografieren, stand freundlich für das eine oder andere Schwätzchen zur Verfügung. Ein fast verschmitztes Lächeln erhellte gar seine Züge, als er auf draußen abgehängte Plakate oder im Saal abgesahnte Setlisten ein schnell gekrakeltes Kürzel statt einer amtlichen Unterschrift setzte - eine weitere Demonstration der Eigenwilligkeit dieses von mir nicht nur deshalb sehr geschätzten Sängers mit der Ausnahmestimme? Egal, es war in jedem Fall ein außergewöhnliches Konzert eines ebenso außergewöhnlichen Künstlers, so dass sich die ebenfalls außergewöhnliche Reise mit sämtlichen Strapazen in jedem Falle gelohnt hatte...
...and now - exklusiv für Euch - the Setlist :
GRAVEDIGGER'S SONG / SLEEP WITH ME / HIT THE CITY / WEDDING DRESS / ONE WAY STREET / RESURRECTION SONG / GRAY GOES BLACK / DEVIL IN MY MIND / HARBORVIEW HOSPITAL / QUIVER SYNDROME / ONE HUNDRED DAYS / CREEPING COASTLINE OF LIGHTS / BLACK ROSE WAY / RIOT IN MY HOUSE / ST. LOUIS ELEGY / TINY GRAIN OF TRUTH // HANGING TREE / METHAMPHETAMINE BLUES
6.12.12