Madrugada                        26.03.22 Wiesbaden, Schlachthof


"What's on your mi --- nd?" – schallt es mir durchs Erinnerungsohr. Obwohl diese Refrain-Zeilen zu einem nicht wirklich überragend oder auch nur auffällig guten Song gehören, ist es doch etwas Besonderes, wenn zu dessen durchaus hübscher Ohrwurmmelodie die Bilder einer in blaues Licht getauchten Bühne auftauchen, auf welcher sich ein schlaksiger, kahlköpfiger Sänger mit sonorer Stimme bewegt, der diese Melodie stetig wiederholt...

Nach erneut halbjähriger Konzertbesuchspause ist es eine große Freude, die jedoch ein etwas befremdliches Gefühl parallel in sich trägt, als wir vor'm schicken Wiesbadener Schlachthof auf Einlass zum Konzert der norwegischen Melancholie-Rocker Madrugada warten. Die Schlange ist lang. Während die Vorbänd bereits begonnen hat, müssen noch viele Geimpft- und Genesenen-Nachweise und Testergebnisse kontrolliert werden, ehe wir in den von Maskenpflicht und Abstandsregel befreiten Saal in der hessischen Landeshauptstadt vorrücken können. Drinnen sind in der Tat – nebst meiner Wenigkeit – nur wenige Menschen mit Maske zu sehen. Auch an Getränketresen wie Merchandisetisch halten die Leute eher als 'früher' Abstände ein, es scheinen recht achtsame Menschen hier zu sein, die sich im Laufe von gut zwei Stunden durch das Schaffen von Madrugada führen lassen.

Mir selbst sind die meisten Songs unbekannt und es dauert ein paar Stücke, bei denen ich mich langsam an die Bänd und ihren Stil gewöhnen muss. Dabei fällt auf, dass da eine Lücke klafft zwischen dem aktuellen Album und dem früheren Schaffen: Seit dem vorigen Album sind fast 14 Jahre vergangen. Leider haben mich die neuen Stücke, die mein bändkundiger Begleiter besser identifizieren kann, als ich, nicht überzeugen können. Eher vor sich hin plätschernd ziehen sie für mich den Auftritt insgesamt ein wenig in die Länge. Ein deutliches Mehr vor allem instrumentaler Dynamik halten dagegen die älteren Stücke bereit, auch stilistisch breiter gefächert von fast chanson-esk bis ein wenig noisy, häufig mit Twang-Gitarrensound, aber auch mal mit etwas diabolisch anmutender Verzerrung. Und oft mit den schöneren Melodien, vorgetragen mit der markanten Stimme von Sivert Høyem, die durchweg für die wesentliche Prägnanz des Gesamtsounds verantwortlich ist und längere instrumentale Einlagen schlicht zu verbieten scheint.

Ein schönes Konzert war es dennoch. Zum einen, weil ich den mir geläufigsten Song der Bänd, "Look away Lucifer", vom 2008er selbstbetitelten Album in einer sehr starken Version hören durfte, zum anderen, weil es einfach Spaß machte, dem Lead-Gitarristen zur Linken des Sängers bei seinem in sich und das Instrument versunkenen Wirken zu beobachten, während der Bassist, rechts von Høyem, stoisch seine unauffälligen Läufe spielte. Am meisten der musikalischen Variation kam vom zweiten Gitarristen, der häufig zwischen Keyboardtasten und Sechssaiter wechselte, während der Drummer – außer bei einem marschähnlichen Intermezzo – ebenfalls recht unauffällig den Takt angab.

So hielten die achtzig Minuten des regulären Sets und der satten dreiviertel Stunde an Zugaben immer wieder Momente bereit, die aufhorchen oder, bei durchweg gutem Sound, die Augen schließen ließen. So auch beim finalen, ebenfalls dem 08er Album entlehnten und sehr schönen "Valley of Deception" – da sind auch ein paar kleine Längen zwischendurch zu verkraften, zumal diese in keinem Verhältnis zur Länge der zuletzt vergangenen Monate ganz ohne Konzertbesuche standen...

27.03.22

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