Kraftwerk  12.08.23   Karlsruhe, Schlosslichtspiele am Schlossplatz

 

Als ich im Frühjahr von einem lieben Freund gefragt wurde, ob ich Interesse an einem Ticket für das Kraftwerk-Konzert in Karlsruhe hätte, sagte ich ohne lang nachzudenken: Ja, gerne!! Die Bänd ist schließlich Legende, dachte ich mir, und sehr prägend in Stilen, mit denen ich zwar nur punktuell - wenn überhaupt - Berührung habe, doch "Das Model" und "Die Roboter" erinnern mich dann doch immerhin sehr an meine Kindertage. Das 1974er Album"Autobahn", das in großen Teilen der Musikwelt als erstes Elektropop-Album gilt, nahm ich vor vielen Jahren auf einer Plattenbörse mit, weil in der heimischen Sammlung auch eine Platte der zweifelsohne bedeutenden futuristischen Elektroniker nicht fehlen sollte. Soviel also zur Stellung der Düsseldorfer in meinem musikalischen Kosmos.

So bekam ich erst wenige Tage zuvor mit, dass dies nicht nur ein Live-Konzert der mir in ihrer Haltung durchaus sympathischen Personenkultverweigerer sein sollte, sondern eine sehr spezielle Performänce, ja, eine wohl nicht wiederholbare, werden würde: In Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien - ZKM - war es nämlich ein Herzenswunsch dessen langjährigen Vorstands Peter Weibel, die von ihm 2015 ins Leben gerufenen Schlosslichtspiele, bei welchen die 170 Meter lange Fassade des Schlosses als Leinwand für verschiedene Videoperformänces dient und die Kraftwerk-Klänge zusammen zu bringen. Doch wie das Leben häufig tragische Haken schlägt, verstarb der Vater dieses Gedankens ein knappes halbes Jahr vor Umsetzung der Idee...

Als wir vier ankamen, war der Bereich unmittelbar vor dem Schloss bereits von sechstausend Menschen bevölkert, damit komplett ausgelastet und für weitere Leute gesperrt, weshalb wir und die anderen zehntausend auf dem großen Gelände einen Platz mit akzeptabler Sicht aussuchten, bis es um kurz vor halb zehn ausreichend dämmerig für den Start der Vorstellung war und, na klar, mit einer Begrüßung per nostalgisch, kwasi retrofuturistisch, klingender Computerstimme losging. Die Fassade des altehrwürdigen Gemäuers war zum Opener "Nummern" mit vielen Zahlen gespickt, auf dem Balkon standen plötzlich vier Herren in fluoreszierenden Anzügen hinter Läptoptischen. Dieser zur kleinen Bühne umfunktionierte Balkon mit den vier als Mensch-Maschinen minimalistisch Operierenden, war im Verlauf des Abends Dreh- und Angelpunkt des Geschehens und diente als Fixpunkt im Zentrum des mit elekronischer Musik untermalten Lichtspielgeschehens. Nicht, dass die Bändmitglieder jetzt gut zu sehen gewesen wären, doch konnten die Männchen hinter den Tischchen klar als Menschen, die hin und wieder im Takt mit dem Bein wippen, identifiziert werden.

Und es war in der Tat sehr beeindruckend, was diese in den nun folgenden knapp zwei Stunden, ohne Pause oder Unterbrechung, die Anwesenden an Sound kombiniert mit Projektion erleben ließen. Da machte es auch nicht viel aus, dass es musikalisch für mich die eine oder andere Länge gab, denn visuell passierte ja ständig etwas: Projektionen aus dem Kraftwerkschen Video-Fundus standen, wanderten, zuckten, blinkten, jagten in Wellen über die Fassade oder es gab großflächig projizierte Animationen zu sehen; bewegte immer in stetem Wechsel mit ruhenden Bildern, durchweg in großer Farbenpracht des vermutlich gesamten möglichen Spektrums breiteten sich zu technoiden Klängen mit mal mehr oder mal weniger konventioneller Songdynamik aus; ein wahrlich trippiges Klang- & Lichtfeuerwerk!! Chapeau!!

Zwischen den Stücken war die Fassade zumeist verdunkelt, um den Augen auch mal eine kleine Pause zu gönnen, sich wieder für das folgende Spektakel bereit zu zeigen. Und natürlich gab es auch das eine oder andere Song-Highlight für mich. "Spacelab" gefiel mir beispielsweise ganz gut; oder "Geigerzähler/Radioaktivität" - sehr geil!! Dazu natürlich "Autobahn", die oben erwähnten Hits und - großartig - das mir bis dato völlig unbekannte "Trans Europa Express", unmittelbar gefolgt von der Interlude "Metall auf Metall" und in das Stück "Abzug" übergehend, das mir so manch Parallele zu den Einstürzenden Neubauten zuzwinkern ließ - wohl wissend, dass vielmehr die Berliner hiervon inspiriert gewesen sein dürften, als anders herum...

Während auf Leinwand und aus den Boxen die "Tour de France" lief, hatte eine Begleiterin die Idee des Abends: Sie war ein wenig umherspaziert und hatte festgestellt, dass es ganz vorne wieder Einlass gibt. So verließen wir unseren bisherigen Standort und hatten die letzte dreiviertel Stunde die gesamte Fassade im Blick!! Auch der Sound war hier vorne etwas lauter, der diesbezüglich weiter hinten manchmal etwas zu wünschen übrig ließ - zumal dort irgendwelche Labermenschen eher zum Quatschen denn Hören und Sehen vor Ort zu sein schienen.

Gegen Ende des letzten Stücks traten die Protagonisten, aktuell die drei Audio Operatoren Ralf Hütter, Fritz Hilpert und Henning Schmitz, sowie der Video Operator Falk Grieffenhagen, zeitversetzt einer nach dem anderen ein Stück nach hinten, erhielten Spotlight für eine kurze Verbeugung und verließen den Balkon, bis nur noch Ralf Hütter zugegen war. Dieser beendete die Musik-Licht-Performänce mit den einzigen ans Publikum gerichteten Worten: "Die heutige Performance war für meinen wunderbaren Künstlerfreund Peter Weibel". Er wünschte noch eine gute Nacht und verschwand dann, nach ein paar Verbeugungen, ebenfalls durch die Balkontür und das Spektakel war vorbei.

Alles in Allem war diese Veranstaltung ein wirklich tolles, sehr entspanntes und audio-visuell höchst eindrucksvolles Erlebnis!!

21.08.23

 

Bleibt abschließend noch die Setliste zu notieren, die ich natürlich von setlist.fm abgeschrieben habe und für die ich selbstverständlich keine Gewähr übernehmen kann (ebensowenig wie für die unten noch angefügten Linx):

Nummern/Computerwelt / It's More Fun to Compute/Heimcomputer / Spacelab /
Ätherwellen/Tango / Die Mensch-Maschine / Electric Café / Autobahn / Computer Liebe / Das Model / Neonlicht / Geigerzähler/Radioaktivität / Tour de France 1983/Prologue/Tour de France Étape 1/Chrono/Tour de France Étape 2 / Vitamin / Trans-Europa Express/Metall auf Metall/Abzug / Die Roboter / Planet der Visionen / Boing Boom Tschak/Techno Pop/Musique Non-Stop

 

Die gesamte Konzert-Performänce zu hören und sehen gibt es HIER

Für besonders Interessierte noch ein paar Artikel der lokalen bzw. regionalen Presse:

Ankündigung der BNN

Bericht der BNN vom Auftritt

Bericht des SWR vom Auftritt

nach oben

News /Termine
Heißer Scheiß

Pändys neueste Empfehlungen NEWS 28. April 2024
mehr

* * *