Klingendes Musikerviertel in Herdern 2023

21.05.23 Freiburg, verschiedene Lokalitäten im Musikerviertel Herdern

 

Am ersten wirklich frühlingswarm-sonnigen Tag des Jahres fand im Freiburger Stadtteil Herdern ein besonderes Festival statt. Bislang war mir nicht bekannt, dass der Bürgerverein Herdern dies jedes Jahr veranstaltet; bei schönem Wetter auf Straßen und in Höfen, bei schlechterem in diversen Kirchen des Stadtteils. Idee der Veranstaltung ist, dass im Viertel mit den nach Komponisten benannten Straßen zwischen 15 und 22 Uhr Musikerinnen und Musiker in wechselnden Besetzungen Stücke des jeweiligen Straßennamensgebers spielen. Und nein, hier muss nicht gegendert werden, weil das halt nun mal alles Männer sind. Oder vielmehr waren - egal: Ein schicke Idee, dachte ich mir, nachdem ich darauf aufmerksam gemacht wurde und zog gegen halb vier mit der Ideengeberin des Besuchs der Veranstaltung los...

Zuerst blieben wir in der Schumannstraße hängen. Im Park des dortigen Herz-Jesu-Klosters war ein Pianist solo in einem wirklich schönen Ambiente unter mächtigen, saftig grünen Bäumen mit vielen Sträuchern drum herum am Wirken. Nach ein paar Minuten endete das Stück, es gab begeisterten Applaus und der Pianist kündigte sein letztes Stück an, die Fantasie C-Dur op. 17 - eines der wenigen Schumann-Stücke, die mir bekannt sind. Sehr schön zu goutieren im lauschigen Park bei angenehmen Temperaturen.

Nach dem Pianisten betraten eine Pianistin und eine Sängerin den Ort des Geschehens und spielten zwei Stücke. Ich kann ja insbesondere mit dem Gesang bei Opern nichts anfangen, doch wurde auch keine Oper, sondern nach meinem Dafürhalten eher religiöse Stücke gespielt, aber der Gesang klang für meine Ohren arienmäßig. In der Stimme der physisch recht zierlichen Sängerin lag jedoch eine unüberhörbare Wucht und Kraft, was durchaus ein gewisses Faszinosum für mich Ahnungslosen dieser Kunstform darstellte.

Obwohl das Programm mit einer anderen Formation fortgesetzt wurde, zog es uns weiter zur Haydnstraße. Dort war einfach die blanke Straße als Bühne umfunktioniert, rundherum positionierte sich das Publikum; auf Stühlen, am Bordstein, auf Treppen, auf der Straße. Hier spielten vor allem verschiedene Streicherformationen, nebst einem sehr jungen Mädchen solo am Piano und einem Bläsersextett bei unserem Eintreffen. Von den Streichern stach ein Quartett, das mit zwei Violinen, Viola und Cello Haydns Streichquartett Nr. 5 f-moll op.20 spielte, für mich besonders heraus. Eine sehr schöne Darbietung und eine echte Entschädigung für das anfangs an diesem Ort für lange Zeit ziemlich schwierige Einlassen auf die mir völlig unbekannte Musik aufgrund der schlichten Begebenheit, dass allzu viel Gequäke von Kindern um mich herum zu hören war. (Und nein, ich bin kein Kinderhasser, aber wenn ihnen das Stillsitzen und beobachten einer kulturellen Zuhör-Veranstaltung, bei welcher echte Menschen sich echte Mühe geben und echte Aufmerksamkeit verdient haben, zu viel wird, würde ich es durchaus gutheißen, wenn sich die Eltern mit ihnen in ein bissl Entfernung beschäftigten. Aber das ist eben nur meine persönliche Meinung, das kann frauman auch anders beurteilen...)

Änywäy: Da gegen Ende der Haydnstraßenveranstaltung ein großer Teil des Publikums bereits weiterzog, als oben genanntes Quartett gerade begonnen hatte, wurde mir einen Platzwechsel nahe ans musikalische Geschehen und damit endlich echter Genuss der Darbietung möglich.

Auf einem Fußgängerquerweg in der Carl-Maria-von-Weberstraße spielte grade bei Ankunft ein Duo aus Horn und Klavier, unmittelbar danach gab es ein Weber-Stück für Posaune und Klavier, was für mich ebenfalls etwas völlig Neues war und mir recht gut gefallen hat - ohne dass ich das jetzt wirklich beschreiben könnte. Danach war irgendwie nicht klar, ob hier noch was passiert oder nicht. Ein Cellist stand da, sah wartend aus, tat nach einigen Minuten und nachdem mehr und mehr Leute den Ort zwischen vielen Hecken zu verlassen im Begriff waren, kund, dass er noch auf Mitmusiker warte, die offenbar noch woanders am Spielen seien. Leider könne er kein Solo-Stück von Weber, der ja hier programmatisch wäre, weshalb er nun einfach ein Stück von Bach spiele, fuhr er fort, was das Publikum wiederum mit freudigem Applaus begrüßte. Aus dem einen wurden zwei sehr schöne Cello-Solo-Stücke, ehe der Musiker sich verabschiedete, weil er nun in der Johann-Sebastian-Bach-Straße einen Auftritt hätte. So fiel Webers eigentlich geplante Aufforderung zum Tanz zwar aus, dafür gabs halt spontan Bach zu hören...

Nach mittlerweile gut zwei Stunden und drei Spielorten unterschiedlichster Präsentationen waren wir zufrieden und gesättigt; nicht zuletzt zog langsam, aber ziemlich sicher, ein Gewitter auf, vor dessen stärksten Ergüssen wir uns in einem nahe gelegenen Café geschickt zu verstecken wussten, ehe wir uns verabschiedeten und ich mich auf dem Heimweg nach tollen musikalischen Eindrücken für knappe zwanzig Minuten beregnen ließ.
Alles in allem empfand ich das Klingende Musikerviertel als eine durchaus gelungene Veranstaltung, schön unkonventionell dargeboten, gebettet in ein schön unkonventionelles Konzept und behaftet mit hoher musikalischer Qualität. Eine schöne sonntagnachmittägliche Abwechslung...

23.05.23

Hier statt Setliste noch die nach Recherche des Programms eruierten Stücke und deren Interpretierende, die ich sicher erinnere:


Schumannstraße:

Fantasie C-Dur op. 17
Luis Alfsmann - Piano

Seit ich ihn gesehen & Er, der Herrlichste von allen
aus „Frauenliebe und Leben“, Op.42
Suji Choi - Sopran
Yoonji Gong - Klavier

Haydnstraße:

Streichquartett Nr. 5 f-moll op.20
Florencia Falcioni - 1. Violine
Laura Peres - 2. Violine
Jose Carlos Palmero Casanova - Viola
Cai Xinrun - Cello

Carl-Maria-von-Weberstraße:

Romanze für Posaune und Klavier
David Cox - Posaune
Andrea Mele - Klavier

Concertino für Horn und Klavier
Arnau Ivorra Francés - Horn
Andrea Mele - Klavier

mir unbekannte Bach-Stücke

Tomohisa Yano – Cello

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