Jeffrey Lewis & The Junkyard                   31.05.12 Freiburg, Swamp

 

Vor einigen Jahren kam in einer Stadt namens New York eine kleine musikalische Bewegung auf, die - von wem auch immer - mit dem schlicht anmutenden Begriff Antifolk beschrieben wurde. Doch sind schlichte Begriffe bei weitem nicht immer schlicht, kann doch gerade dieser in die Irre führen. Die daher schönste und wohl treffendste Beschreibung dieser Szene findet sich in Martin Büsser's Buch 'Music is my Boyfriend': "Antifolk ist für Folk das, was Punk für Rock gewesen ist"¹. Adam Green dürfte der bekannteste Protagonist sein, welcher einst dieser Bewegung entschlüpfte um berühmt zu werden - und selbst um ihn ist es mittlerweile wieder recht ruhig geworden. Nun befindet sich derzeit ein weiterer Protagonist des Antifolk auf Europareise. Der lässt es sich nicht nehmen, auf dem Weg von Zürich nach London sein einziges Deutschland-Konzert im guten Swamp zu spielen. Wieder mal sehr eng wird es dort zu Konzertbeginn, obwohl im Vorfeld vereinzelt gerüchteweise gemunkelt wurde, ein - pfff - Testspiel von Bundes-Jogis Nationalbuben könnte so manchen Menschen an die Fernseh-Fesseln setzen. Dem ist nicht so.

Fluffig-folky gestaltet Jeffrey Lewis, unterstützt von seiner begleitenden Bänd The Junkyard, den Auftakt. Gitarre, mehrere Stimmen, Schlagzeug, Bass, Harp, eine Geige und Keyboard sind die Ausstattung, mit welcher die drei Männer und eine Lady im Lauf des Abends zu Werke gehen und welche auch gerne mal etwas schräger als gewohnt eingesetzt werden. So mischen sich bald auch noisy Lärmwellen in den Sound, die einem unwillkürlich an Sonic Youth denken lassen - um im Fallenlassen von Namen straight fortzufahren. Das Set baut sich langsam auf, die Songs variieren gerne im Tempo, auf Genres wird wenig Rücksicht genommen. Folk bietet die Grundlage für punkigen Rock ebenso wie für psychedlische Klänge, auch ein Reggae darfs mal sein...

Und da Mr. Lewis nicht nur musiziert, sondern auch Cartoons kreiert, werden auch diese vorgestellt. Seite für Seite stellt er unter a-capella singenden Textvortrags die Geschichte einer dreiköpfigen Außerirdischen vor, welche zur Erde kommt und sich sehr verwundert über den Beleuchtungswechsel zwischen Tag und Nacht zeigt, welchem die Erde bekanntlich obliegt. "Süß" war hierbei der am häufigsten zu vernehmende Kommentar - durchweg weiblichen Kehlen entweichend. Später wird unter musikalischer Untermalung durch die gesamte Bänd denn auch die französische Revolution und deren Folgen sehr einfallsreich aufgearbeitet.

Ein hoch abwechslungsreicher Auftritt also, der nicht nur viele Stilmixe bereit hält, sondern auch zwischen verschiedenen künstlerischen Ausdrucksweisen umherwandelt. Gegen Ende des neunzigminütigen Sets nimmt mehr und mehr der Rock die Sache in die Hand, die akustische Gitarre wird wild durch den Verzerrer gejagt - so ist auch hier der eigenwillige Stempel des Künstlers deutlich zu bemerken. Als kleine Zugabe, mehr so zum wieder Boden unter den Füßen zu erhalten, räppt Jeffrey Lewis, massiv unterstützt von seinen Junkyards, noch eine Runde, bevor der imaginäre Vorhang in der Gewissheit fällt, ein schön aus gewohnter Reihe fallendes Konzert genossen zu haben...

 

2.06.12

...und für alle vor der Sonne Flüchtigen: Der Künstler hat übrigens eine sehr interessante Seite im weiten Netz: thejeffreylewissite.com

 

¹ Erwähnter Satz stammt von dem Songwriter Lach, hier zitiert nach Martin Büsser: Music is my Boyfriend. Texte 1990-2010. Ventil Verlag, Mainz: März 2011 - ein im Übrigen ein sehr empfehlenswertes Buch des allzu früh verstorbenen Martin Büsser mit einer Sammlung von Essays und journalistischen Texten rund um die Popkultur.

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