Godspeed You! Black Emperor   17.04.23 Karlsruhe, Substage

 

Am Montagabend durfte ich das letzte aufgrund der Pandemie verschobene Ticket einlösen: Das achtköpfige kanadische Kollektiv Godspeed You! Black Emperor holte sein Gastspiel im Karlsruher Substage nach. Wir reisten früh an, konnten einen Top-Parkplatz nur wenige Meter vom Eingang der Lokalität belegen und genehmigten uns unweit des Substage noch ein stärkendes Essen...

Pünktlich um zwanzig Uhr startete Marisa Anderson ihr Set. Alleine an der E-Gitarre spielte sie einige Instrumentals, erzählte hier und da eine Geschichte zum Song, schnodderte emotionsbefreit ihre Freude über den Auftritt ins Mikro und stimmte ihr Instrument häufig und ausgiebig. Leider vermisste ich ein wenig die Dynamik in und unter ihren Stücken, so dass ich nicht so richtig angefixt werden konnte. Nachdem Anderson nach einer guten halben Stunde geendet hatte, füllte sich der Raum vor der Bühne in Erwartung der Post-Rocker aus Montreal zunehmend. Insgesamt war das Substage an diesem Montag Abend ziemlich gut besucht, aber nicht ausverkauft.

Um neun verdunkelte sich der Raum und ein gleichmäßiges Dröhnen erfüllte den Saal. "Hope Drone", das seit geraumer Zeit gängige, vom Band kommende Intro in die Live-Auftritte der Kanadier erklang eine zeitlang, ehe sich die Violinistin und der Kontrabasser an ihre Instrumente begaben und das Set langsam starteten. Nach und nach gesellten sich ein E-Bassist dazu, zwei Schlagzeuger und drei Gitarristen und das Hoffnungsdröhnen konnte zu einem Song werden, ehe es in "First of the Last Glaciers", das erste Stück des aktuellen 2021er Albums, 'G_d’s Pee AT STATE’S END!', überging.

Mit diesem Auftakt war großartig zelebriert, wie sich Stücke ganz langsam aufbauen und entfalten können, ohne dass auch nur im Ansatz Langeweile Einzug hält!! Sehr geiler Beginn!! Dem sollte mit "Bosses Hang" mein persönliches Highlight des Abends folgen, ein Stück in drei Teilen vom vorletzten, 2017er Album 'Luciferian Towers'. Hier ertönte recht bald die bestimmende, für ausgeprägte Gänsehaut sorgende Melodie, zunächst verhalten, dann immer einnehmender bis hin zur kurzzeitigen Dominanz, ehe verschiedene Ausflüge der Musizierenden anstanden. Besonders angetan war ich von der Performance im zweiten Teil des Stücks, als ausgiebige repetitive Passagen erklangen, die mich stark an Kompositionen des American Minimal, etwa von Terry Riley oder Steve Reich, erinnerten und sicherlich nicht zufällig so konzipiert sind.

Der Sound war durchgehend gut austariert, in ruhigen Passagen klar, in lauten nicht überdreht, was für sehr schönen akustischen Genuss sorgte. Während von der Bänd kein einziges Wort ans Publikum gerichtet wurde, liefen im Hintergrund Videosequenzen, ausschließlich in schwarz-weiß und mit mehr oder weniger apokalyptischen Bildern. Auf der Bühne wechselte im Laufe des Sets die Geigerin hin und wieder an ein Keyboard, zwei Gitarristen riefen gelegentlich Sprachsequenzen vom Band ab oder es wurde ein Metallophon ins Spiel gebracht; einer der Schlagzeuger war hin und wieder an Percussions tätig, der Kontrabasser nahm nicht selten einen E-Bass zur Hand. Die Musizierenden verstanden sich dabei offenbar ohne Worte, ein Blick hier und da reichte vollkommen aus, um die Soundwälle zu koordinieren.

Es folgte "Cliffs Gaze", der zweite Teil des aktuellen Albums, ehe die Bänd mit "Dead Metheny" ganz weit zurück ging zum Debüt-Album von 1997 mit dem kryptischen Titel 'F# A# ∞'. Während des Intro zum abschließenden "BBF3" von der 99er EP 'Slow Riot for New Zero Canada', tat Kehlenbefeuchtung not; wir schoben uns durch die Menge an die Bar und gingen dann mit unseren Softdrinks nach oben auf den Balkon, wo der Sound zwar nicht mehr ganz so wuchtig, dafür umso klarer war. Außerdem war ein ausgezeichneter Überblick über die Bühne und den gesamten Raum geboten, was ein durchaus schöner Perspektivwechsel war.

Nach einer Stunde und gut vierzig Minuten verließen die Musizierenden nach und nach und einzeln die Bühne, stets mit einem Winken ans Publikum und von diesem mit Applaus verabschiedet, indes die Gitarre noch nahezu zehn Minuten nachdröhnte, so dass der Schluss, wie der Auftakt, seine angemessene Zeit in Anspruch nehmen konnte. Auf Zugaben verzichtete die Bänd, auch dies ist wohl als Statement so mancher Verweigerung üblicher Gepflogenheiten zu verstehen. Selbst ihren wohlverdienten Applaus vom Publikum, das sich im Übrigen sehr still und angenehm konversationsfrei auf das Konzert eingelassen hatte, ließen die Acht im Abschlusssound der minutenlang ungespielt vor sich hin lärmenden Gitarre untergehen...

Unterm nachhallenden Klangstrich haben Godspeed You! Black Emperor ein ausgezeichnetes Konzert gespielt, das zumindest bei mir keine Wünsche offen ließ. Rundum zufrieden konnten wir also die elf Schritte zum Auto gehen, um kurz danach der nächtlichen Autobahn Hallo zu sagen...

19.04.23

Anbei noch die recherchierte Setliste, die bei GY!BE aufgrund der langen, oft in viele Untertitel eingeteilten Titel jedoch immer mit Vorsicht zu betrachten ist. Nachdem ich natürlich die Stücke nachgehört habe, halte ich die auf Setlist.fm angegebene für veritabel:

Hope Drone / First of the Last Glaciers / Bosses Hang / Cliffs Gaze / Dead Metheny / BBF3

Und HIER ein Link zu einem Video der Tour, kein Song aus der Karlsruher Setliste zwar, bietet aber einen sehr guten Eindruck vom Auftritt...

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