GAVIAL    VOR   (VÖ 19.05.23 / Exile On Mainstream)

 

Am Tag der Arbeit habe ich selbstverständlich für euch gearbeitet und nicht nur eifrig einige Klänge probegehört, sondern auch noch eine Prise mehr oder weniger nützliches Wissen ausgebuddelt. Nämlich, dass Gaviale biologisch zur jener Gruppe der Amnioten zählen, welchen beispielsweise auch Krokodile angehören. Allerdings haben Gaviale wesentlich schmalere Kiefer, optisch fast an einen Schnabel erinnernd, besitzen dafür wiederum deutlich mehr Zähne, als die berühmteren Verwandten, denen sie ansonsten sehr ähneln.

Wie ich auf sowas komme und was das in der Plattenkiste zu suchen hat? Ich hab grade ein ziemlich geiles Album einer Bänd gehört, die sich früher Tourette Boys nannte und unter diesem Namen bereits drei Alben kredenzte, sich aber jüngst aus Respekt vor Menschen, die Tourette-geplagt sind, in GAVIAL umbenannte. Und weil die Bänd, deren alter Name an Two Red Boys angelehnt war, sich offenbar ausführlich über ihren Namen Gedanken macht, wollte ich wissen, was es mit dem neuen Namen auf sich haben könnte. Ob sich das Quartett nun tatsächlich nach den bissigen Lederhäutern benannt hat - und falls ja: weshalb? - kann ich nicht sagen. Doch stelle ich alsbald insofern Parallelen fest, dass sich der Sound der Bänd, nach verhaltenem Beginn, schnell so stark im Gehör festbeißt, als wären da ungefähr hundert Zähne am Zuschnappen.

Mit einem Instrumental, "Circles, Part 1", eröffnen GAVIAL, die mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Stimme auskommen, das Album gemächlich, ehe "Modern Times" in die Vollen geht. Treibende Groovewellen, tänzelnde Bässe, klagend solierende Gitarren über dezent drückendem Riffing schaffen Soundweiten, die mal nach Psychedelik der Neunziger klingen, punktuell an klassischen Postrock erinnern, dann wieder wie entstaubter, glasklarer Wüstenrock des einundzwanzigsten Jahrhunderts anmuten. Häufig alles gleichzeitig.

GAVIAL fesseln auf VOR durch entschleunigt mitreißende Dynamik, die von Beginn an von klarer Eindringlichkeit bestimmt wird und bis zum Ende der acht Stücke mit knapp drei bis gut zehn Minuten Dauer nicht mehr los lässt. Das längste Stück, das vorletzte des Albms, ist ein Instrumental mit dem Titel "Passing". Und selten habe ich ein Instrumental gehört, das dem Titel klanglich so gerecht wird. Wenn das Verschwinden der Welt so geil klingt, muss sich niemand mehr fürchten...

Ein sehr geiles, völlig zeitlos klingendes Album, das auf die ganz großen Ausbrüche verzichtet, dafür mit immenser Klangdichte und Intensität überzeugt!!

1.05.23

Aktuelles ist vorab noch nicht viel zu haben. Einzig der Opener, das prologartige "Circles, Part 1", ist bereits HIER  zu hören. Und das dem Opener folgende "Modern Times" in einer älteren Version samt Video gibts DA  

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