Mark Lanegan & Duke Garwood
Passionskirche Berlin, 25.Oktober 2013
Besondere musikalische Darbietungen verlangen nach besonderen Orten. Ein solcher Platz ist ohne Zweifel die Passionskirche in Berlin-Kreuzberg - ein neuromanischer Sakralbau, in dem neben den üblichen Gottesdiensten bereits seit Jahrzehnten auch Konzerte unterschiedlichster Coleur stattfinden.
Den einzigartigen Mark Lanegan konnte man nach einigen Jahren der Abstinenz zuletzt auf Deutschlands Bühnen in klassischer Rockbesetzung anlässlich seiner Blues Funeral – Tour erleben. Mittlerweile hat der Workaholic schon wieder zwei neue Alben am Start, die beide allerdings etwas anders geartet daherkommen. Zum einen die schlicht unglaubliche Black Pudding – Gänsehautmaschine, ohne Zweifel eines meiner musikalischen Highlights des Jahres, zum anderen das druckfrische Imitations, eine Sammlung diverser Coverversionen, die leider dann doch des öfteren die Grenze zum puren Kitsch schmerzhaft überschreiten.
Ein junger Herr namens Lyenn machte pünktlich um 20 Uhr den Anfang. So ab dem vierten Song hatte er sich warm gespielt, begann sich in seinem musikalischen Element, das sich etwas an den dunkleren Seiten eines Conor Oberst in frühen Jahren anlehnt, sichtlich wohl zu fühlen. Leider war seine Bühnenzeit da schon fast abgelaufen, und so zeigte eigentlich erst der Abschluss, dass dieser schüchtern wirkende Mann da vorne auch expressivere Töne anzuschlagen versteht.
Auch Duke Garwood war mir persönlich vor Black Pudding kein Begriff. Lanegan bezeichnet ihn in Interviews allerdings schon seit Jahren als ‚one of his all time favorite artists’. Und wenn dieser bärtige, leicht ergraute Londoner dann tatsächlich livehaftig seine Gitarre zu zupfen beginnt, kommt man einfach nicht umhin sich diesem Urteil bedingungslos anzuschließen! Es ist tatsächlich zunächst diese rechte Hand die fasziniert, wie sie in einem Picking-Style über die Saiten gleitet, den ich in dieser Form so bisher weder gesehen noch gehört habe. Nicht so weit entfernt von einem Harfen-Klang, aber wesentlich dreckiger, weil er nebenbei Gitarre, Mandoline, Metall-Dobro auch immer wieder als Percussions-Instrument nutzt, sich den eigenen Beat vorgibt. Die Songs geben sich zurückgenommen bis spröde, völlig unaufdringlich, reduziert bis auf die Knochen, aber dabei eine Magie entfaltend, die Bilder von Wüstensonnenuntergängen bis Schneesturmszenarien herauf-beschwört. Ziemlich beeindruckend das alles.
Nach kurzer Pause stapfte dann Mr. Lanegan auf die ansonsten dem Altar vorbehaltenen Bühne, im Hintergrund ein Streicherensemble aus Cello und Violine, Lyenn am Bass, Garwood am Tenor-Sax (von dem allerdings auf unseren Plätzen auf der Empore schlicht gar nix zu hören war) und einem weiteren mir unbekannten Mann an der E-Gitarre. Schon die ersten Songs zeigten: Die Akustik der Passionskirche passt perfekt zur kammermusikalisch anmutenden Besetzung und dem tiefen Organ des abendlichen Hauptprotagonisten.
Warm und voll kamen die Versionen der Songs von Bubblegum rüber, fast schon intim das wunderbare One Way Street vom Klassiker Field Songs. Demgegenüber konnten die beiden Stücke von Blues Funeral nicht wirklich überzeugen. Das fehlende Schlagzeug versuchte die Band durch einen durchdringenden Bass-Sound wettzumachen, der allerdings in diesem steinernen Gebäude einfach alles andere gnadenlos wegwummerte.
Wie schon bemerkt: Mit der schlagerhaften Schwülstigkeit, in die das neue Album Imitations vor allem im letzten Drittel abgleitet, habe ich so meine Probleme. Aber ich muss gestehen, dass die vier dargebotenen Songs in einem kirchlichen Ambiente durchaus ihre Wirkung zu entfalten verstanden, was sich vor allem das wundervolle Streicher-Duo auf die Fahne schreiben darf. Selbst das eigentlich richtig furchtbare Neil Sedaka – Cover Solitaire strahlte im Kirchensound-Outfit eine gewisse Erhabenheit aus.
Im stürmisch geforderten Zugabeteil dann endlich: Lanegan und Garwood mit viermal schwarzem Pudding – vor allem Driver und Pentacostal waren dabei großer Ohrenschmaus!
Ein mit nur wenigen Abstrichen einfach großartig zu nennendes Konzert, das mir mal wieder die immense künstlerische Spannbreite dieses Musikers vor Ohren geführt hat. Aber ein bissel was zu meckern habe ich ja meistens! Neben den erwähnten soundtechnischen Problemen in der Umsetzung der beiden Blues Funeral – Songs (wie man solche Rockband-Songs auch angemessen interpretieren kann, bewies Lanegan an diesem Abend übrigens eindrucksvoll mit dem Screaming Trees – Klassiker Halo of Ashes), fand ich es vor allem schade, dass das gemeinsame Wirken von Lanegan und Garwood einen etwas zu geringen Teil des Sets einnahm.
Obwohl: Letztendlich muss man es ja eigentlich als eine Ehre betrachten, diesen englischen Ausnahme-Musiker überhaupt einmal live erlebt zu haben. Allein dafür gebietet es sich schon dem guten Mark seinen tausendfachen Dank auszusprechen.
Und weil das hier so üblich ist…. The Setlist!! --- et voila:
When your number isn’t up – The Cherry Tree Carol – One Way Street – The Gravedigger’s Song – Phantasmagoria Blues – Can’t catch the Train – Mack the Knife – You only live twice – Solitaire – Autumn Leaves – One hundred days – Mirrored – On Jesus Program
Zugaben: War Memorial – Cold Molly – Driver – Pentacostal – Bombed – Halo of Ashes
Martin, 31.10.13