Christian Kjellvander                    8.03.17  Mainz, Schon Schön

 

Manchmal fragt man sich schon, warum man zum x-ten Mal wieder in eine dieser ca. 100 km entfernten Städte gurkt, um sich dort irgendeine Band anzusehen, die man eigentlich nur vom Namen kennt; und dies in irgendeiner Location, deren Namen man nicht mal kennt. Okay, eigentlich war sowieso ein Kurzbesuch bei einer lieben Freundin in Mainz geplant. Praktischer Nebeneffekt: Diese Kurzbesuchte lässt sich erfahrungsgemäß immer für Musik-veranstaltungen jeglicher Art begeistern! Also zwei Fliegen, eine Klappe und Patsch!!


Christian Kjellvander ist einer dieser skandinavischen Singer/ Songwriter, von dessen Alben ich in den letzten Jahren immer wieder gelesen, aber noch keinen einzigen Ton gehört hatte. Bis zu diesem Abend im Schon Schön in der rheinland-pfälzischen Landes-hauptstadt. Ein Laden, dessen Namen zu ausgiebigen Sprach-spielereien übrigens geradezu einladen würde. Aber ich möchte den Leser hier nicht schon wieder mit meinen Kalauern quälen - deshalb kann das jeder Einzelne diesmal bei Bedarf selbst mitdenken.
Ich hatte mich bewusst im Vorfeld nicht mit Kjellvanders Musik beschäftigt und dementsprechend auch wenig erwartet. Singer/Songwriter-Zeugs mit bestenfalls dem Potential für einen schon schönen Abend (kann es doch nicht lassen!) - dachte ich mir so.
Zunächst gab es allerdings vier Songs eines nicht weiter erwähnenswerten deutschsprachigen Duos, dessen pseudo-intellektuelle Texte - à la Kettcar in ganz schlecht - wirklich zum Fremdschämen waren. Ein denkbar grauenhafter Einstand, aber Gott sei Dank schnell vorbei.


Nach kurzer Pause schlichen die Hauptprotagonisten auf die schmale Bühne. Ganz links (also stage-right) Mr. Kjellvander mit einer Vielzahl von Effekt-Tretminen vor sich, daneben ein spartanisches Schlagzeug, dazwischen eingeklemmt der Bassist und im Hintergrund die gute alte Fender-Rhodes-Orgel.
Die dann folgende Musik zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Im weitesten Sinne passt das Etikett Singer/Songwriter natürlich schon, vor allem, weil Kjellvander mit seinem Country-Timbre in der Stimme und wunderschön tiefgehenden Balladen wie "Shallow Sea" durchaus klassischen Vorbildern folgt. Townes van Zandt mit dem bassig-vollen Organ eines Mark Lanegan, die verzerrt klagenden Gitarren eines Neil Young kombiniert mit dem legendären Hank Williams-Feeling. So weit, so erwartbar...


Aber während des Konzertes wurde Song für Song klar, dass hier eine ganze Band den Sound prägt. Die Einflüsse dieses Sounds sind unglaublich vielfältiger Natur. Ein Song wie "Midsummer (Red Dance)" ruft Assoziationen zu den frühen Radiohead (vor 'OK Computer' ) hervor. Im weiteren Verlauf durfte sich noch Nick Cave da einreihen, Bonnie 'Prince' Billy sowieso, aber auch die sperrige Eigenwilligkeit eines David Eugene Edward (16 Horsepower; Woven Hand) kam zu ihrem Recht. Selbst Morrisey- Einflüsse konnte ich hier und da raushören ("Riders in the Rain"). Meine Begleitung brachte später in einer kurzen Rauchpause vor den Zugaben noch die frühen Porcupine Tree ins Spiel und an dem Gedanken ist ebenfalls viel dran.


Klingt alles etwas unschlüssig, folgt aber einer ganz eigenen musikalischen Idee. Wahrscheinlich kann der Künstler mit diesen Vergleichen auch nicht wirklich was anfangen. Der Gute macht halt einfach sein Ding. Dies kommt meist sehr ruhig, zurückgenommen daher, ohne großes Pathos aber mit viel Liebe zum Detail. Besonders beeindruckt haben mich seine schönen Gitarrenlinien, die oft die Songs einleiten, von den Mitmusikern fortgeführt und dynamisch abgewandelt werden. Dem üblichen Strophe-Refrain-Schema folgte man recht selten - die Stücke hatten eine sehr spezielle Dramaturgie, gingen ganz ungewohnte Wege und landeten erst irgendwann gegen Ende wieder bei ihren betörenden Ausgangsmelodien. Es hat schlicht großen Spaß gemacht diesen Ausflügen nachzuspüren und selbst einen 'alten Hasen' wie mich konnten viele der Songs richtiggehend anrühren.


Nach knapp 90 Minuten inklusive Zugaben war Ende Gelände.
So teilte ich mir mit meiner ebenfalls sehr angetanen Begleitung noch brüderlich-schwesterlich einen Tonträger (ich das Vinyl, sie die beiliegende CD), der seitdem bei mir in Dauerrotation läuft, und raus ging es in die verregnete Nacht. Verzichtet haben wir allerdings auf das irgendwie lustige, aber offensichtlich durchaus ernstgemeinte Angebot von Christian Kjellvander am Tonträger-Stand, uns noch die schwarze Plattenhülle mit seinem ebenfalls schwarzen Edding zu signieren.
Das Fazit von 100km-Gekurke: Ein Blindkonzert, das positiv überrascht hat; in einer sehr empfehlenswerten Location, der ich sicherlich nicht zum letzten Mal einen Besuch abgestattet habe.

Martin 27.03.17

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