dEUS 9.12.14 Berlin, Postbahnhof
Es gibt nur ganz wenige Musiker, die einem im Laufe der Jahrzehnte derart ans Herz gewachsen sind, dass man hier nicht nur zum puren Fantum neigt, sondern darüber hinaus schon fast freundschaftlich bis familiäre Gefühle zu hegen beginnt. Der Chronist beobachtet diese bedenkliche Entwicklung an sich selbst nun schon über einige Jahre, genauer gesagt derer 20. Denn genau so lange ist es nun her, dass ein Album namens 'Worst Case Scenario' samt dazugehörigem Überflieger-Hit 'Suds & Soda' in meine kleine Welt platzte. Für mich bis heute schlicht eines der besten und stilistisch anspruchsvollsten Debüts ever! Auch wenn die Belgier dEUS seit ihrer Wiederbelebung von 2014 auch gerne mal in ziemlich popigen Gefilden wildern, gehören sie definitiv immer noch zu den spannendsten Bands dieses Planeten – mindestens!
Pure Freude also, als die Nachricht vom einzigen Deutschland-Konzert im Berliner Postbahnhof den Rezensenten erreichte. Anlass für eine Mini-Europa-Tour war erwähntes Jubiläum, neues Songmaterial gab es dabei nicht zu promoten. Man konnte sich also auf eine Retrospektive von zwei Dekaden dEUS freuen und bekam genau das geboten. Durch eine überaus glückliche Fügung landete ich sogar nebst selbstgewählter Begleitung auf der Gästeliste. Gute Voraussetzungen für den perfekten Abend also.
Da die Begrüßung so einiger Bekannter anstand, weilte ich noch munter plaudernd im Foyer, als Tom Barman und seine Truppe pünktlich um 21 Uhr den Abend (ausgerechnet) mit dem genialen 'Via' eröffneten. Aha, also keine Vorband.... Derart überrumpelt von einem solch plötzlichen Konzertbeginn bekam ich auch nur noch die Schlussakkorde von 'The Architect' mit, bevor der Platz vor der Bühne dann endlich erobert war und der Genuss beginnen konnte.
Während im Saal die Begeisterung von Song zu Song wuchs, merkte man der Reaktion von Mr. Barman an, dass irgendetwas nicht so ganz rund lief da oben. Bereits während 'Girls keep drinking' beschwerte er sich gestenreich beim Mischer am Bühnenrand. Dann schien es einige Schlagzeugprobleme zu geben, die man erst noch mit Humor nahm ('We can play 'Right as Rain' without the drums!'), aber letztlich dann doch zu einer mehrminütigen Zwangspause führten. Vermute mal ein gerissenes Fell oder ähnliches Ungemach.
Nach kurzer Zeit waren die Probleme behoben und es konnte mit einer sehr kraftvollen Version von 'Little Arithmetics' weitergehen. Offensichtlich glaubte die Band nun mit doppeltem Elan Wiedergutmachung betreiben zu müssen (was eigentlich gar nicht notwendig war – kein Publikums-Murren weit und breit, eher Zufriedenheit darüber sich noch einmal mit Getränken versorgen zu können) und spielte dabei mehr und mehr sich selbst und so ziemlich alle Anwesenden in einen wahren Rausch.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt war es dann komplett unmöglich, irgendwelche Höhepunkte auszumachen: Highlight folgte auf Highlight folgte auf Highlight – dEUS beherrschen schlicht alle Facetten ihrer Klangkunst fast schon erschreckend perfekt. Vom Ohrwurm-Pop ('Eternal Woman') über schräge Jazzsounds ('Fell off the Floor, Man') bis zu sich auftürmenden Rockmonstern à la 'Bad Timing' – vom Zugaben-Triumph-Trio mit 'Theme from Turnpike', 'Roses' und 'Suds and Soda' ganz zu schweigen. Meine Begleitung war dann auch schwer begeistert von einer Band, die viele Musik-affine Menschen zwar irgendwie zu kennen glauben, bei genauerer Beschäftigung mit deren Gesamtwerk allerdings immer wieder positivst überrascht zu sein scheinen.
Ohne Zweifel! Die Vertiefung einer langjähriger Freundschaft geht weiter. Wäre ich ein weibliches Wesen, ja, ich würde es laut rausschreien: dEUS – ick will ein Kind von dir!!
Setlist:
Via / The Architect/ Constant Now/ Eternal Woman/ Fell Off the Floor, Man/ Girls keep Drinking/ Smokers Reflect/ Right as Rain/ Nothings/ Little Arithmetics/ If you don't get what you want/ Quatre Mains/ Sun Ra/ Hotellounge (Be the Death of Me)/ Nothing really Ends/ Bad Timing
Zugaben: Theme from Turnpike/ Roses/ Suds and Soda
Martin, 22.12.14