Bootsy Collins & The Funk Unity Band 24.02.14 Stuttgart, LKA Longhorn
Zum einzigen Deutschlandkonzert kamen die Zuhörer sehr weit angereist nach Stuttgart. Im LKA angekommen dröhnte aus den Lautsprechern Stevie Wonder, was schon einmal eine gute Einstimmung war für mein erstes Funk-Konzert. Bootsy Collins ist ja nicht irgendwer, nein schließlich sind seine Wurzeln engstens vernüpft mit James Brown, Matthew Parker und vielen weiteren bedeutenden Künstlern der 60er und 70er Jahre. Und er ist einer der Slap-Pioniere mit einzigartiger Spieltechnik.
Doch zurück in die Gegenawrt: das LKA war nicht komplett ausverkauft und man konnte relativ spät noch relativ weit nach vorne kommen. Kein Gequtesche und gute Sicht. Perfekt, das Konzi kann beginnen. Doch zuvor eine kleine Einlage der Bootsy-Girls (aus dem Publikum), die Werbung machen durften für die Bootsy-Collins-Foundation. Wirkte sehr strange das ganze - ein bisschen wie Splatter.
Mit diesem Eindruck begann das Konzert: 12 Musiker kamen auf die Bühne und zwar in NASA Raumanzugsimitationen mit blauen Overalls und funkten los. Nicht zu glauben, aber wahr: nach 2min tanzte das gesamte LKA - sowas hab ich noch nicht erlebt. Von den Musikern hatte einer nicht wirklich einen Auftrag, sondern gab den Maestro auf der Bühne als einziger in schillerndem weißem Anzug. Ich dachte anfangs, es handle sich um Bootsy persönlich, wurde aber eines besseren belehrt, als der Star des Abends mit majestätischem Abstand die Bühne betrat - mit fettem Dauergrinsen. Schillernd gekleidet, mit Bootsy-Sonnenbrille, Hut und bester Laune verlieh er dem Bühnenbild eine Mischung aus Zirkus, Rocky-Horror-Picture Show und sogar etwas Konzert.
Die Musiker von links nach rechts - Trompete, Saxophon, Keys, Bass, Gitarre, Drums, Synth, 2 Backgroundsängerinnen, 1 Backgroundsänger, Maestro - und Bootsy in der Mitte vor seiner Ampeg 8x10"-Box. Die ersten 60min des Sets liefen ohne Unterbrechung am Stück durch. Alte Funksachen aus Parliament-Zeiten wurden immer wieder durch HipHop-Passagen zersetzt. Die Backgroundsänger/-innen bekamen dabei ausgedehnte Solos. Bootsy wechselte öfter seine fantastischen Outfits und hin und wieder kam eine ähnlich gekleidete Tänzerin mit auf die Bühne.
Ich weiß jetzt, warum Funk die verruchteste Musik der 70er war: Die Musik versprüht dermaßen viel Sex(appeal) und Emotion, dass man sich die Backstageparty gar nicht vorstellen mag (geschürt auch durch das Outfit der Backgroundsängerinnen). Das Publikum war stark gewillt, sich darauf einzulassen, nur schien sich hier der kulturelle Hintergrund der vornehmlich schwarzen Musiker und dem vornehmlich weißen Publikum massiv auszuwirken. Anfangs wollte Bootsy das Publikum zum Funkdialog einladen, jedoch war das Verständnis in weiten Teilen des Publikums dafür einfach nicht da. Bootsy, unangefochten das Alphatier, reduzierte die Ansprüche und erklärte dem Publikum, Funk... - halt: hier kommt schon eine der wichtigsten Lektionen: es ist nicht „Fanck“, sondern die Musik und das Lebensgefühl heißt „Phoongh“. Nach mehreren Fehlversuchen hatte das Publikum das Motto des Abends dann drauf: "Phoongh is...(3)...(4)...making something out of nothing".
Musikalisch war die Veranstaltung eine rhythmische Offenbarung. Die Musiker, allesamt großartig, bauten Solos ein, Bootsy stellte jeden Einzelnen vor und erzählte kurz was zur Person. Er selbst beschränkte sich meist auf das Singen, aber wehe wenn er seinen leuchtenden Sternbass anschlug, dann erzitterte alles. Und zwar wirklich: sein Bass übertönte alles - aber dazu waren wir ja da. Und Bootsy lehrte weiter, wie wenig Action erforderlich ist, um genial zu sein. Natürlich spielte er auch Soli, gefeiert von den Massen, zu denen er immer Kontakt suchte. Nach 90min stieg er nämlich höchstselbst von der Bühne herunter (im VfB-Trikot !!!) und marschierte alleine durch die jubelnde Menge, reichte Hände, drückte und umarmte die Zuschauer. Oh Mann, und das in der Grippezeit...
Gegen Ende des Happenings (denn das war es) wollte er mit dem Publikum einen Kuchen teilen. Na klar, dachte jeder - die Ulknudel wirft jetzt die ersten Reihen voll damit, aber nein - mit einem Riesenmesser wurde der Kuchen zerteilt und Bootsy servierte in den ersten Reihen !
Das Ende der Phoongh-Party wurde dadurch besiegelt, dass Bootsy immer mehr Leute auf die Bühne holte, die dort versuchten, Phoonky zu sein - bis schließlich alles so "crowded" war, dass man nicht mehr erkennen konnte, dass die Musiker die Bühne so nach und nach verließen...
Ein großartiger Abend, der einen in die 70er zurückversetzte und ganz viel Spaß bereitete. Bootsy Collins... jederzeit gerne ! Schaut euch auf uTube um, da gibt‘s gute Mitschnitte !
And don't forget: "Phoongh is (3)... (4).... making something out of nothing".
Micha, 20.03.14