Die Goldenen Zitronen                 3.10.19 Freiburg, Atlantik

 

Gibt es einen passenderen Termin für ein Konzert der "Goldies aus Hamburg", wie Schorsch Kamerun im Lauf des Abends immer wieder kundtat, als den Tag der deutschen Einheit? Wohl kaum...

Aber nicht deswegen begab ich mich an diesem draußen recht kühlen Abend ins Atlantik, sondern insbesondere aufgrund dessen, weil Die Goldenen Zitronen eine stets ebenso gehaltvolle, geistreich-unterhaltsame wie auch musikalisch, textlich und optisch ansprechende Performance aufs Parkett schütteln. Dabei sind sämtliche Statements glasklar; "es gilt Privates muss politisch sein" - wie in "Scheinwerfer und Lautsprecher" vom 13er Album 'Who's Bad?' gleich nach dem Opener "80.000.000 Hooligans" (geil!!) bereits beim zweiten Stück des Abends kundgetan wurde. Kamerun kann solche Zeilen gleichzeitig beiläufig wie gewichtig klingen lassen, ohne dass er mit ganz großen Gesten fuchteln oder sonstwie dick auftragen müsste. Damit haben Ted Gaier, neben Gitarre unter anderen Instrumenten auch an Bass und Synthesizer zu Werke, und der Erzählsprech-Sänger, die beiden Köpfe der Bänd sowie deren weitere vier Mitstreiter sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal in der Musikkultur hierzulande. Zumindest fällt mir auf die Schnelle keine Bänd ein, bei welcher avantgardistischer Kunst-Pop so deutlich mit den Punkwurzeln verschmelzen mag. Ja, auch vor der Blockflöte schrecken die Goldies nicht zurück, schön zelebriert von Enno Palucca, dem seit Anfang der Neunziger langjährigsten Mitglied der Hamburger Institution, der zumeist am Schlagwerk zugange ist, wie alle anderen Musiker aber Multiinstrumentalist ist.

Auch durch diese Flexibilität an den Instrumenten war eine permanente Dynamik durch häufige Instrumentenwechsel im Set wie auf der Bühne, was eben auch beim Zuschauen in jeder Sekunde des Auftritts für gute Laune sorgen ließ. Während die Bänd in ihrem Werken zu keinem Zeitpunkt angestrengt wirkte und offensichtliche Freude an ihrer Darbietung hatte, waren auch zwischen Bänd und Publikum regelmäßige Interaktionen an der Abendordnung. Insbesondere Gaier und Kamerun nahmen regelmäßig direkten Kontakt zum Publikum auf. So warf der Gitarrist, nach einer kurzen Anekdote zu fortgeschrittener Stunde, die Frage in den Raum, wie es denn gehen solle, "national zu fühlen"? Die Frage musste offen bleiben. Hingegegen mochte die Erforschung des Schuhwerks der ersten Reihen, ausgeleuchtet von Kollegen Reents, für Kamerun aufschlussreicher gewesen sein, ehe "Wenn ich ein Turnschuh wär" angestimmt wurde - mit erschreckender Aktualität dieses Songs vom 2006er Album 'Lenin'. Oder die Analyse der Anwesenden, als die Bänd ihren Song "Der Investor" unterbrach und die Frontleute das Publikum, eben aus der potenziellen Sicht eines Investors, zu erforschen suchten.

Vielleicht waren sie ja gerade deshalb diesmal in einer eher kleinen Lokalität zugange, wo an diesem Abend ob der Fülle im Raum wohl kaum jemand ohne regelmäßigen Körperkontakt mit Umstehenden auskam. Derweil spielte sich die sechsköpfige Kapelle binnen neunzig Minuten inklusive zweimaliger Zugabe so ziemlich durch ihr Gesamtschaffen, ließ es hier und da auch mal ganz schön krachen und konnte mit so manchem Highlight den Abend versüßen. Ich erinnere mich, nebst den erwähnten Songs, außerdem eindrücklich an "Meine kleine Welt", mit schön verzerrter Akustik-Gitarre und "Rittergefühle", mit einem Hauch von Synthesizer-Doors-Psychedelik im links-hinteren Untergrund.

Achja, eine Vorbänd gabs auch noch: Natascha P. aus Hamburg und ihre Mitstreiterin Preach. Zwei junge Damen, die sich mit, wie sie gerne immer wieder kundtaten, ihren einfachen, selbstgemachten Beats zum Räp so Manches von der Seele sangen. So sagt Frau P. etwa selbst über ihr Schaffen: "Für mich ist Musik sekundär, an erster Stelle steht die Motivation, mit der ich etwas mache oder die mich zu etwas bewegt". Nicht immer großes Kino, manchmal vorhersehbar, aber letztlich zumeist doch mindestens unterhaltsam und angesichts der durchweg jungfeministischen Attitüde durchaus passend zu den guten alten Goldies...
Alles in Allem: Ein sehr geiler Konzertabend!!

5.10.19


Anmerkung: Das Zitat von Natascha P. ist von da 

 
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