dEUS |
3.10.08 Berlin, Postbahnhof |
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wie herrlich, wenn man mal als Intro einer Konzertberichterstattung einen so richtig schön ollen, ganz doll abgeschmackten Satz verwenden kann. Aber es verhält sich nun mal derart, dass ich soeben von einem Aufenthalt in der bundesdeutschen Hauptstadt zurückgekehrt bin in meine weitaus beschaulichere Heimatstadt, und als Souvenirs nebst einigen Platten, CDs und Büchern eben auch ein paar Konzertkarten und vordringlichst natürlich die Erinnerung an jene Veranstaltungen nach Home sweet Home schippern konnte. Per Deutsche Bahn, versteht sich.
Nachdem ich am Abend meiner Ankunft in der großen, lauten Stadt zunächst das Wiedersehen mit meinem äußerst liebenswürdigen Freund und Gastgeber ausgiebig gefeiert hatte, machten wir uns am Folgetag, dem Tag der deutschen Einheit, kurz nach dem Frühstück auf den Weg zum Postbahnhof, infrastrukturell ausgezeichnet situiert als direkter Nachbar des Ostbahnhofs, wo wir zunächst noch einen kleinen Snäck zu uns nahmen. Glücklicherweise gab es noch ausreichend Karten an der Abendkasse, auch nachdem die Support-Bänd bereits geendet hatte. Ich schätze mal, dass in der zum Fritz-Club gehörenden Lokalität etwa 1200 Menschen Platz finden können, zu drei Vierteln dürfte gefüllt gewesen sein, als an diesem Abend dEUS aus Belgien eines von drei Deutschland-Konzerten spielen sollten. Ich war gespannt auf die Bänd, von denen ich seinerzeit lediglich das Album „Worst Case Scenario“ zu Ohren bekam, ich aber dann irgendwie aus den Augen verloren hatte. Doch war ich in der von Vorteil behafteten Lage, wieder mal einen Begleiter an meiner Seite zu haben, der mit dem Werk der Belgier einigermaßen vertraut ist und mir die eine oder andere Information zutuscheln konnte.
Kopf und Chef der Bänd ist Tom Barman, der vor einiger Zeit und nach mehrjähriger Schaffenspause seine komplette Mannschaft ausgewechselt hatte und mich bei der Live-Darbietung stimmlich ein wenig an Mark Lanegan erinnerte. Er spielte außerdem die Rhythmus-Gitarre, mal elektrisch, mal akustisch und bediente gelegentlich ein kleines, elektronisches Schlagzeug, wenn er grade mal die Hand frei hatte. Zu seiner Rechten agierte ein Synthie-Keyboarder, der außerdem häufig eine E-Geige bediente und somit ein Gros zum streckenweise recht eigenwilligen Sound beitrug. Zur Linken des Sängers natürlich der Lead-Gitarrist, welcher zeitweise gar den führenden Gesang übernehmen durfte – eine schöne stimmliche Ergänzung zum Hauptsänger – nebst dem Bassisten, der viele Bäckgrounds übernahm; im Rücken wie immer der Schlagzeuger.
Es dauerte nicht lange, bis ich überzeugt war, dass diese Bänd durchaus einiges auf dem Kasten hat. Nach wenigen Songs war der Sound bereits ziemlich gut, auf der Stimme war viel Echo und Hall, so dass die Ansagen leider eher schwer zu vernehmen waren. Die meisten Lieder zeigten sich zunächst in einem unkonventionellen, leicht sperrigen Gewand, jedoch nicht ohne immer wieder schöne Melodielinien inmitten der teilweise als richtiggehende Soundgewitter daher kommenden Passagen einfließen zu lassen. Als stetiger Antreiber der mit viel Groove und großer Spiellaune zu Werke gehenden Combo schien für mein akustisches Sinnesorgan besonders der Bassist die Verantwortung getragen zu haben, der – zusammen mit dem besten Freund, dem Schlagzeuger – für den unbedingt notwendigen Druck im Sound sorgen sollte.
Das Set bestand zu größten Teilen aus Stücken der beiden letzten Alben, das einzige Lied, das mir bekannt war, war „Suds & Soda“ vom oben erwähnten Album, welches als ehemaliger Hit am Ende des regulären Programms stand. Für mich als Unwissenden kamen die gespielten Sachen jedoch alle wie aus einem Guss daher, so dass ich auch besten Gewissens behaupten kann, ein in sich stimmiges Konzert erlebt zu haben, abgerundet durch eine recht eindrückliche Lightshow, die mit Stroboskop-Effekten nicht geizte und der ganzen Angelegenheit noch ein paar Extra-Sahnekleckse verpasste. Nach gut eindreiviertel Stunden (geschätzt) war Schluss.
Da mein Begleiter unmittelbar nach dem Konzert in anderweitige Konversation verstrickt war, nutzte ich die Zeit, noch gemütlich ein Bier zu trinken und das ganze Geschehen inner- und außerhalb des Clubs ein wenig nachwirken zu lassen. Hätte man es drauf angelegt, hätte man hier sicherlich eine repräsentative Studie der aktuellen, femininen Indie-Herbstmode ausarbeiten können, doch rief uns alsbald das Nachtleben des Friedrichshainer Kiezes zu sich und wir folgten artig.