TOOL                   29.04.22 Frankfurt, Festhalle

 

Nicht wenig entzückt war ich letzten Herbst, als ich von der Aussicht auf eines der recht rar gesäten TOOL-Konzerte diesen April in Frankfurt erfuhr. Ich war ebenso gespannt wie vorfreudig auf die Live-Präsentation des Albums 'fear inoculum', an dem ich mich längst nicht satt gehört hab...

Nach reibungsloser Anreise und leicht stockendem Einlass war die Vorbänd Brass Against so gut wie durch mit ihrem Set, von dem wir noch knapp zwei Songs mitbekamen. Während wir im Dunkeln noch unsere Plätze suchten, nahm ich wahr, dass ein Tool-Song, "Forty Six & 2", wenn ich es recht erinnere, durch die Halle tönte, der nebst Rockinstrumenten mit Streichern und Bläsern chic in Fusion-Manier ausstaffiert war. Dem folgte eine coole Version von Rage Against The Machine's "Killing In The Name Of", ehe die Bänd verabschiedet, die Bühne verdunkelt und der Saal erhellt wurde.

Nach recht zügigem Umbau erschallte überpünktlich ein Intro vom Band, wie die Auftritte der komplexen Art-Rocker aus Los Angeles üblicherweise eingeläutet werden. Diesmal erklang "Litanie contre la Peur", eins der kurzen Zwischenspiele des aktuellen Albums, das nur auf der überteuerten ersten CD-Version zu hören ist. Indes formierte sich die Bänd und TOOL starteten ihr Set mit dem Titelstück des aktuellen Albums. Dazu wurden, aus Konzerten dieser vier Künstler keinesfalls wegzudenken, auf der Leinwand im Bühnenhintergrund riesige Videoinstallationen präsentiert. Für die ersten paar Stücke erschienen diese gar auf einem transparenten Vorhang, der den vorderen Rand der Bühne gänzlich umrahmte und für dreidimensionale Optik sorgte. Sehr geil!!

Viel Rot, viele Flammenspielereien habe ich während des Openers, "fear inoculum", der sich übrigens hervorragend ins 'Aenima'-Album von 1996 einfügen würde, in Erinnerung. Vom zu Beginn leider noch etwas dürftigen Sound konnten jedoch auch die Visualisierungen nicht gänzlich ablenken, doch verbesserte sich dieser im Laufe der ersten paar Stücke noch, zwar langsam, wurde dann aber noch richtig gut – abgesehen von immer mal wieder leichter Dröhnung der Bassdrum nahezu perfekt im Laufe des Konzerts.

Maynard James Keenan hatte zwei Podeste zur Verfügung, jeweils seitlich hinter Überdrummer Danny Carey, der, je nach Videoperformänce und Beleuchtung, immer mal wieder in der Mitte der Bühne zu schweben schien. Keenan wiederum wechselte meist zwischen den Songs die Seiten, wo er unbeleuchtet und mit seinen insektoiden Ausdruckstänzen optisch als Schatten in die Leinwandanimationen integriert war. Vom bestuhlt fast zehntausend Menschen Platz bietenden und fast komplett belegten Saal aus gesehen links vorm Schlagzeug war Gitarrist Adam Jones platziert, dessen Gitarrensound manchmal klingt wie ein ganzes Sägewerk auf einmal. Jones war diesmal ein klein wenig agiler auf der Bühne, als noch vor drei Jahren in Zürich und mit Flying-V-Gitarre am Werk, während sich an der gegenüberliegenden Ecke Justin Chancellor seinen Bassriffs gerne und häufig auch körperlich hingab.

Überraschend kam bereits nach dem Opener eine Ansage: Keenan begrüßte das Publikum, ehe, noch eine höchst erfreuliche Überraschung, das Titelstück der ersten EP der Bänd, "Opiate", in einer aktuellen Version gespielt wurde. Hiernach sprach der ansonsten eher publikumsabgewandte und als introvertiert geltende Sänger, der übrigens auch als Winzer tätig ist, erneut zu den Leuten und forderte die Anwesenden zum Stehen auf – was denn auch weitestgehend befolgt wurde und die meisten gar bis zum Ende durchhielten. Damit bröckelte nicht nur die übliche Unnahbarkeit der Bänd, sondern es fiel zugleich auch auch die Reserviertheit eines sitzenden Publikums, welches sich zum folgenden "The Pot" von '10000 Days' gleich recht dankbar bewegte. Dies tat dem insgesamt absolut großartigen Konzerterlebnis sichtlich und auch hörbar gut...

Der Auftritt des eigenwilligen Quartetts entwickelte schnell eine Werkschau durch fünf der bisherigen sechs Alben – die EP eingeschlossen –, einzig 'Undertow' war ausgespart. Schwerpunkt war natürlich auf das aktuelle Album gelegt, mit Kern wie für mich Höhepunkt im Hauptset "Pneuma", mit seinem unglaublichen Gitarren- bzw. Bassriff. Vor allem das Gitarrenmotiv würde ich hier grade mal kurz als eines der kunstvollsten und einprägsamsten Riffs überhaupt küren!! Gänsehaut pur!! Außerdem wurden vier Stücke vom 2001er Opus 'Lateralus' gespielt, von denen als Schlusspunkt des neunzigminütigen Hauptsets "Ticks & Leeches" außerordentlich druckvoll durch die Halle fegte.

Hiernach gingen die Lichter im Saal an, auf der Leinwand wurden zwölf Minuten Countdown hinunter gezählt, bis zu den Zugaben Mr. Carey zunächst alleine zurück kam; dieser läutete seinen "Chocolate Chip Trip" mittels Drum-Solo ein, erschien dazu ver-8-facht von oben gefilmt auf der Leinwand und wurde zu seinen eskapistischen Elektrospielerein perfekt in die Videoperformänce integriert. Fantastisch!!

Zum letzten Stück des Abends wurde noch einmal alles aus der Visualisierung herausgeholt, vom glitzrig vor der Bühne rieselnden Sternenstaubimitat über Läserprojektionen durch die gesamte Halle, bis zu den durchweg ohnehin eindrucksvollen, auch immer wieder verstörend irritierenden Videos im Bühnenhintergrund war wirklich alles geboten. Es wunderte nicht, dass die vier Musiker mit Ständing Ovätions verabschiedet wurden. Zumal, wie erwähnt, in der Gesamtwirkung ein wenig an der eigenen, stets distanziert unterkühlten Unnahbarkeit gekratzt wurde und ich die Bänd dieses Mal wesentlich nahbarer erlebte, als bisher; eben gleichsam als Rockbänd, wie auch als ein überaus ausgefeiltes und -gereiftes Gesamtkunstwerk.

Wie auch immer – das Live-Erlebnis von TOOL, diesen nahe an der Perfektion musizierenden Männern, die an diesem Abend auf der Bühne mit der Videokunst ihres Gitarristen wahrlich verschmolzen, ist stets ein einzigartiges audiovisuelles Spektakel – was wir bei der Heimfahrt mit lautem Genuss des jetzt sogar noch besseren Albums 'fear inoculum' über weite Strecken der Fahrt in nachhaltig beeindrucktem Schweigen sehr zufrieden ausklingen ließen...

6.05.22

Abschließend die recherchierte und verifizierte Setliste des – abzüglich der Pause – knapp zweieinviertel Stunden andauernden Auftritts:

Intro: Litanie contre la Peur / Fear Inoculum / Opiate / The Pot / Pushit / Pneuma / The Grudge / Eon Blue Apocalypse / The Patient / Ticks & Leeches // Chocolate Chip Trip / Culling Voices / Invincible

Und hier noch ein kleiner, insbesondere visueller Überblick übers Konzert. Kein kompletter Song ist zu hören, aber eben jede Menge Eindrücke sind hier zu erhalten. Enjoy!!

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