THE NOTWIST

15.11.08 Straßburg, Laiterie

 

 Nachdem ich von ihrem sommerlichen Auftritt im Freiburger Jazzhaus hellauf begeistert war, ließ ich mir die Gelegenheit nicht entgehen, diese deutsche Ausnahmebänd im benachbarten Elsass ein weiteres Mal zu beehren. Insgesamt gastierten an diesem Samstagabend vier Bänds in dieser ausgezeichnet schönen Lokalität, die in stetem Wechsel im großen und kleinen Saal ihr musikalisches Werk den gut und gerne tausend Anwesenden näher zu bringen gedachten.
Etwa zu Beginn der als drittes aufspielenden Get Well Soon, ebenfalls aus bundesdeutschen Landen angereist, schlugen wir in den Gemächern der ehemaligen Milchzentrale auf. Leider war der kleine Saal viel zu klein für den herrschenden Andrang, so dass wir ein knappes Viertelstündchen im Durchgang zu dem offenbar hoffnungslos überfüllten Raum ausharrten, dicht an die Wand gedrängt, mal nach vorn und mal zurück geschoben werdend, bis ich mich entschied, doch lieber vor Beginn des Top-Äcts dieses Abends meinem Gemüt noch etwas Nikotin zukommen zu lassen. Etwas schade war das schon, konnte doch die u. a. mit Gitarren, Bläsern und Geige ausgestattete Bänd ganz gut gefallen mit ihren recht elegischen Stücken, die mich entfernt an Werke von Bright Eyes zu Zeiten von „Lifted…“ erinnerten. Nun denn, was nicht ist, kann ja bekanntlich noch werden, für diesen Abend galt ohnehin das Motto, die größtmögliche Aufmerksamkeit den unsäglich kreativen Weilheimern zu widmen.

Etwa um zwanzig vor zehn gingen endlich die Lichter aus, Markus Acher sagte etwas linkisch vernuschelt die Bänd an und es konnte losgehen. Die Setliste setzte sich mit wenigen Ausnahmen etwa aus denselben Songs zusammen, wie den im Jazzhaus dargebotenen, d. h. fast das komplette aktuelle Album „The Devil, You & Me“, gut die Hälfte der Stücke vom Vorgänger „Neon Golden“, dazu Chemicals und ein weiteres Stück von „Shrink“, dessen Titel ich leider grade nicht in meinen grauen Zellen finden kann. Die auf der Bühne fünfköpfige Bänd zeigte sich von Beginn an voll und ganz bei der Sache. In der hinteren Bühnenmitte der Schlagzeuger, der das Quintett stetig antrieb, erinnerte mich unwillkürlich und im positivsten Sinne an das Tier aus der Muppets-Show. Wieder und wieder bearbeitete er sein teils elektronisches Schlagzeug wie wild und wirkte dabei, als habe er regelmäßige, äußerst rhythmisch geartete, epileptische Episoden zu verkraften. Der Bassist, rechter Hand des Trommelwirblers, der von Zeit zu Zeit auch ein Metallophon (oder so was in der Art) bediente, schien ebenfalls gänzlich von seinem Rhythmus verhaftet, spielte den Viersaiter mit vornüber gebeugtem Haupt, während sein Körper sich immer schön im Takt dazu wiegte. Links des Bühnenmittelpunkts war der Keyboarder situiert, der des Öfteren auch mit einer zweiten Rhythmusgitarre den Sound verstärkte. Dieser lebte ebenfalls voll und ganz ab, egal, ob er gerade an Tasten oder Saiten Beschäftigung hatte.


Am vorderen mittleren Punkt der Bühne natürlich Sänger und Gitarrist Markus Acher, der Frontmann, der offenbar keiner sein will. Er hatte sich nebenbei einen Plattenspieler mitgebracht, mit dessen Hilfe er so manches Mal den Gesamtsound mit dem schön authentischen Knistern und Knacken von Vinyl bereichern konnte, sich dann wiederum dieses schöne Gerät zunutze machte, die eine oder andere Streicherspur ins Set einzufügen, und schließlich, dem nicht genug, auch noch Gesangspassagen live scrätchend zum Besten zu geben. Während er sang war sein Blick – so er überhaupt blickte – etwas gen Boden gerichtet, grade so, als lägen da die Texte herum, die es nun abzulesen gilt. Sang er nicht, hing er mit dem Oberkörper meist weit über sein Instrument gebeugt, ließ sich auch gerne mal von seinem eigenen Sound in die Knie zwingen, oder tänzelte in seinem typischen, für mich autistisch anmutenden Stil über die Bühne und schien bei alldem völlig von seiner Musik aufgefressen. Rechts des Sängers stand Herr Gretschmann, auch bekannt unter dem aussagekräftigen Namen Console, mit seinen Spielzeugen, die im Einzelnen und ausführlich zu beschreiben ich mich leider nicht in der Lage sehe. Häufig stand er mit etwas Abstand hinter seinem kleinen Pult, in den Händen zwei sehr spacey aussehende, joystickartige Fernbedienungen; mal stand er einfach nur da, fast gänzlich unbeteiligt aussehend, mal fügte er sich nahtlos ins allgemeine sich-in-Trance-grooven der Kollegen ein.


So konnte man, in spärlich schummriges, sacht vernebeltes Licht getaucht, eine überaus zappelig-nervöse Freak-Show beobachten, wie man es sich kaum vorstellen kann, hat man es nicht selbst erlebt. Das Set beinhaltete übrigens deutlich mehr Improvisation, als noch vor vier Monaten, schien während der Tour einige Wachstumsprozesse mitgemacht zu haben, die keineswegs nachteilige Auswirkungen zeigten.
So zeigte sich beispielsweise der Übergang von „Neon Golden“ zu „Pilot“ höchst beeindruckend, als zu den letzten Klängen des erstgespielten bereits Gesangspassagen des folgenden Songs per Platte eingesämpelt wurden. Wahnsinn!! Und das Ganze kam natürlich einmal mehr in glasklarem Sound daher, darf also reinsten Gewissens als Hörgenuss allererster Sahne tituliert werden, was ich hiermit unmissverständlich getan haben möchte.

Nun stände mir erneut der Sinn ziemlich dringend danach, mich in gänzlich objektivitätsverlassenden Schwelgereien zu verheddern, sogleich in mit kindlich-grenzenloser Begeisterung vorgetragenen Schwärmereien zu verlieren, blindlings Höchststufen adjektivischer Steigerungen aneinanderzureihen, doch möchte ich dies heute anderen überlassen. Nach dem Konzert interviewte ich nämlich mein charmantes Stamm-Konzert-Begleitungsteam, welches folgende unmissverständliche Aussagen tätigte und mir somit das abschließende Fazit aus den Fingern schnappen konnte:
Das war wirklich sehr abwechslungsreiche, geradezu bezaubernde (!!) Musik, mit ungewöhnlichem Gitarrenspiel, technoesken Instrumentalphasen und viel Improvisation. Man hatte den Eindruck, die Musiker bräuchten gar kein Publikum, spielten einfach nur für sich selbst – und sich in Trance. Die Bühnendarbietung kam wie ein Theaterstück daher, so viel gab es immer wieder zu beobachten. Im Publikum, das sich mit Zwischenrufen zurückhielt und stattdessen sehr aufmerksam und interessiert das Geschehen verfolgte, waren viele von der Musik offensichtlich verspulte Menschen auszumachen.
Ein wahrlich fantastisches Konzert, dessen absoluter Höhepunkt die nahtlos ineinander übergehenden Stücke Neon Golden und Pilot bildeten.
Noch Fragen??
 

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Heißer Scheiß

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