Musikalischer Jahresrückblick 2007

 

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, wie immer plötzlich und unerwartet, und in dem gänzlich unbesinnlichen Trubel zwischen Weihnachtsmärkten und Weihnachtsfeiern drängt es sich doch geradezu auf, sich zu Hause zu verschanzen, wo die vorteilhafterweise gut funktionierende Heizung unabhängig von der Außentemperatur für ein angenehmes Klima sorgt und man es sich nach wie vor gestattet, zum Rauchen nicht vor die Türe zu müssen. Beste Vorraussetzungen also, sich auf eine kleine, auf das musikalische Jahr rückblickende Reise zu begeben, zu der ich alle Interessierten hiermit herzlich willkommen heiße. Und um die Vorrede zum Abschluss zu bringen, sei lediglich noch zu erwähnen, dass ich im vergangenen Jahr so einiges zur Erweiterung bis Sprengung meiner Regale erstanden habe, diese Errungenschaften jedoch längst nicht alle auch im abgelaufenen Jahr das Licht der Musikwelt erblickt haben; soll heißen, dass viele meiner dauerrotierenden, den Soundtrack des Jahres bestreitenden Platten bzw. CDs mitunter bereits etwas älter sind, ich aber hier ausschließlich auf nullnullsiebener Veröffentlichungen eingehen möchte.

Das Jahr begann für mich mit Alben von ST.THOMAS, MASERATI und EXPLOSIONS IN THE SKY, alles gute, nicht aber überragende Scheiben, so dass ich als erstes Highlight die von der einschlägigen Presse wie ich finde zu Recht hochgelobten Kanadier namens ARCADE FIRE nennen darf. Zugegeben, beim ersten Hören ihres Albums "Neon Bible" war ich noch etwas skeptisch ob des Hypes, doch fesselte mich recht bald die angenehme Eigenständigkeit ihres an Art-Rock erinnernden Sounds, gepaart mit dem einen oder anderen ziemlich hartnäckigen Ohrwurm. Darauf folgte nicht viel später die neue Platte von Conor Obersts BRIGHT EYES, "Cassadaga", die astreinen Songwriter-Folk mit viel Bombast und Pathos verbindet, sich somit zwar streckenweise scharf an der Grenze zu Kitsch und Überladenheit bewegt, diese aber nie überschreitet und somit nicht weniger als hervorragend gelungen ist. So stellte auch der Besuch des Konzerts im Frühsommer in Wiesbaden unbestritten den ersten höchst beeindruckenden Höhepunkt unter den von mir besuchten Konzerten dar.
Im weiteren Verlauf des Sommers erschienen dann neue Alben von Kristofer Aström, Tocotronic, Stereo Total und den hiesigen Lokalmatadoren Seducers. "Rainaway Town" von KRISTOFER ASTRÖM ist ein solides Folk-Pop-Album, dessen ganze Qualität jedoch erst live so richtig zur Entfaltung kam. "Kapitulation" nannten TOCOTRONIC ihr neues Werk, von der Fachwelt bald höher als zum Himmel gelobt, was ich meinerseits allerdings nicht nachvollziehen kann. Sicherlich, die Platte ist nicht schlecht, es befinden sich ein paar wunderschöne Songs darauf, und die Texte gehören momentan bestimmt mit zum Besten, was die deutschsprachige Musik zu bieten hat, doch machte sich bei häufigerem Hören auch mal Langeweile breit. Nicht so bei den SEDUCERS, deren kurzes wie gleichsam knackiges, schlicht selbstbetiteltes Debut sich zwischen Surf, Rock, Pop und Garage bewegt und die live ebenso ordentlich in die Hintern zu treten wussten. Als mit Abstand charmanteste Bänd des Jahres kann ich hier jedoch das deutsch-französische Duo STEREO TOTAL betiteln. Ihr Album "Paris<->Berlin" sprüht nur so vor Witz, Ironie und eben Charme, und so verhielt es sich auch bei der Live-Darbietung im Jazzhaus.

Ein Großteil meines sommerlichen Soundtracks ging auf das Konto von DINOSAUR JR., die mit "Beyond" ein sehr entspanntes Album veröffentlichten und mir mit schön lärmigen Schrammelgitarren so einige sonnige Nachmittage wie laue Abende auf der Terrasse zu versüßen wussten. Damit war es jedoch vorbei, als die seit ein paar Jahren zu meinen Lieblingsbänds zählenden AGAINST ME! aus Florida mit ihrer neuen Platte "New Wave" für Furore sorgten. Konsequent verfolgen sie nicht nur ihren eingeschlagenen Weg weiter, sondern perfektionierten nahezu ihren Sound, ohne dass die rauhe Energie auf der Strecke bleiben musste. Und Mr. Gabel hat uns nach wie vor auch in seinen Texten so einiges mitzuteilen. Ein ganz heißer Anwärter auf den Titel "Platte des Jahres". Leider fanden sie bis jetzt noch nicht den Weg in mein schönes Wahlheimatstädtchen, doch rechne ich im Lauf des nächsten Jahres fest mit ihnen.
Außerdem gab es im Laufe des Sommers noch Ausflüge meinerseits in Richtung Elektro-Pop seitens M.I.A., die mit ihrem Zweitling "Kala" für erneutes Aufhorchen in der Musikwelt und manchen Feuilletons sorgte. Für mich eine angenehme Abwechslung, ebenso wie meine erste Hip-Hop-Platte, "Human of the Death Dance" von SAGE FRANCIS, der mir aufzeigte, dass mir auch dieses Genre nicht komplett verschlossen bleiben sollte. Darauf folgte dann erstmal wieder Gitarrenmusik von den TWO GALLANTS, wobei ich in deren Falle -- trotz eines ganz sicher guten, selbstbetitelten Albums, mit wie gehabt wunderbar schmerzlichen Balladen, umrahmt von schönen Melodien -- doch nicht wenig die auch mal härteren, fetzigen Passagen des Vorgängers vermisse.

Im Herbst gab es dann Neues von meinen alten Helden um Blixa Bargeld, den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN, die sich immer weiter in Richtung so genannter normaler Songstrukturen bewegen, weshalb ich das Album zunächst etwas gewöhnungsbedürftig fand. Doch sollte sich diese Scheibe bald als echter Grower entpuppen, und so stellt "Alles wieder offen" für mich eine der herausragendsten Veröffentlichungen des Jahres dar. Und noch während ich damit beschäftigt war, mit den Two Gallants etwas zu hadern und mich immer tiefer in den neuen Neubauten zu verlieren, krachten aus dem Nichts GRAND ISLAND ins Haus, die ich sozusagen als Blind-Date-Konzert kennen und schätzen lernte, und deren bereits im Frühjahr veröffentlichtes Debut "Say No to Sin" sich nun den Titel der "Platte des Jahres" mit Against Me! und den Neubauten teilen darf, womit es bei mir also drei erste Plätze gibt. Zudem sind die Norweger meine ganz persönliche Neuentdeckung der letzten Monate, hiermit als Debutanten des Jahres ausgezeichnet, und ich bin gespannt auf deren für März geplantes Zweitwerk.
Etwas später im Herbst, als es zeitweise bereits winterlich kalt war, kamen dann die Isländer von SIGUR ROS mit ihrem Doppelalbum "Hvarf/Heim", welches neue elektrische Stücke, sowie akustische Live-Aufnahmen älterer Songs enthält, und die sich mit ihrem phantastisch anmutenden Sound direkt in meine persönliche, jeglicher Reihenfolge entbehrende Jahresbestenliste einreihen konnten.
Ferner erwähnenswert seien noch die im Laufe des Jahres mit der Glückszahl am Ende erschienenen Scheibchen von DA WEASEL, einer hierzulande wohl völlig unbekannten, portugiesischen Bänd, den saarländischen Old-School-Punk-Rockern STEAKKNIFE um Sänger Lee Hollis, und BOTANICA, deren "Magnetic Waltz" ein Album darstellt, auf dem es mit der Zeit sicher auch noch so einiges zu entdecken gibt.

Unbedingte Höhepunkte des musikalischen Jahres stellten natürlich auch die nachhaltig beeindruckenden Konzerte der DECEMBERISTS im Karlsruher Substage und POTHEAD in der Stuttgarter Röhre dar, die mit den bereits erwähnten Auftritten von Bright Eyes, Stereo Total und Grand Island als meine Live-Höhepunkte des Jahres in die Annalen von Pändys Cörner eingehen dürfen. In diesem Rahmen der Live-Veranstaltungen sollte außerdem noch ein Name Erwähnung finden, nämlich der Name desjenigen, der mich Anfang des Jahres mit seiner Lesung im Karlsruher Tollhaus sehr begeistern konnte: MAX GOLDT. In der zeitgemäßen deutschen Literatur gibt es zur Zeit sicherlich niemanden, der diesem Sprachkünstler auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann!!

Somit, liebe Leser, wären wir nun praktisch am Ende dieser jahresrückblickenden Musikrundreise angelangt, als bemerkenswert sei noch hinzugefügt, dass es in diesem Jahr für mich keinen eindeutigen den Song des Jahres gibt, auch keine Bänd des Jahres oder alleinigen Sieger, weder bei Platten noch bei Live-Konzerten, was meiner Ansicht nach jedoch für ein ebenso ausgewogenes wie abwechslungsreiches Jahr spricht, außerdem mag ich eh keine tabellarischen Rangordnungen oder Bestenlisten, dafür sind erstens genügend andere da und zweitens ist musikalische Qualität für meine Begriffe auch nicht eindeutig messbar, es gefällt, oder es gefällt eben nicht, und dazwischen und daneben, sowie darüber und darunter bleibt allemal noch jede Menge Raum.
Abschließen möchte ich diesen Artikel mit dem schönen Satz aus dem Titelsong der Einstürzenden Neubauten, den ich wohl als meine Lieblingstextzeile des abgelaufenen Jahres bezeichnen darf und mit dem ich gleichsam die Vorfreude auf 2008 beschreiben kann: "Es ist alles wieder offen".

Hiermit danke ich recht herzlich all meinen Lesern und wünsche ein angenehmes 2008!!
Bis dahin sage ich cheers, ciao und tschüss und verbleibe mit besten Grüßen,
Euer Pändy!!

Epilog:
Falls jemand in diesem Rahmen "The Crane Wife", das aktuelle Album der Decemberists vermisst, nun, dies käuflich zu erwerben habe ich schändlicherweise im Frühjahr versäumt, und jetzt warte ich seit Wochen sehnsüchtig auf die Lieferung meiner Bestellung. Bis es eintrifft: i´m gonna hang my head low!!

 

 

 

 

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