Fehlfarben

26.05.07 Freiburg, Atlantik

 

 

Wieder so eine "ja gibts die noch?"-Bänd. Ja, die gibts noch. Und wie!! Ich habs selbst gesehen und gehört. Die gibts nämlich nicht nur noch, die sind sogar auf Tour. Und haben einen fabelhaften Gig im Atlantik hingelegt, mit einer Energie und Frische, einhergehend mit Spaß und lässiger Abgeklärtheit, dass ca. 250 Besucher im Saal sich kaum dem sofort überspringenden Funken entziehen konnten und ein ordentlich krachendes Feuerwerk daraus wurde.
Da jedoch in unserer Republik nichts, aber auch gar nichts ohne Genöle geht, muss ich mich jetzt erstmal wieder beschweren, bevor ich versuche, die Ereignisse chronologisch wie erlebt aufzuarbeiten: es nervt einfach, wenn der erste der beiden Supports um 22 Uhr anfängt, Wochenende hin oder her, so dass sich das Ganze bis kurz vor Mitternacht hinauszögert, man schon fast wieder platt ist und sein Bett leise zu locken vernimmt, als der Hauptact die Bühne betritt.


Obwohl mir die erste Bänd, Die Radierer, sehr gut gefallen hat. Ein sympathischer Fünfer, Schlagzeuger mit Loops-Verantwortlichkeit, charmant-schüchtern wirkende Bassistin, schrammeliger Gitarrist, kühle, mandeläugige Keyboarderin und ein bauchschwingender Sänger mit ausdrucksstarker Stimme. So sah das aus. Die Songs gingen durchweg gut nach vorne, die leicht schrägen deutschen Texte hielten bei Laune, alles in allem eine angenehme Überraschung und meines Erachtens die perfekte Einstimmung auf die Fehlfarben. Den Leuten hat es insgesamt recht gut gefallen, gab es doch nicht eben wenige Rufe nach mehr, doch der Zeitplan ließ es nicht zu, was mich in meiner Ansicht, dass zwei Vorbänds einfach zuviel sind, vollstens bestätigt hat.


So beschlossen mein lieber Begleiter und ich, aufgrund des warmen Abends noch ein wenig Zeit draußen vor der Hütte zu verbringen, um Teil jenes Geschehens zu sein, welches sich nicht vor der Bühne abspielt. So mampften wir genüsslich eine Pizza und schlürften unser Bierchen, schauten uns Leute an und konversierten sogar ein wenig, so dass wir von der zweiten Bänd, Velvet Condom, nur wenig mitbekommen sollten.
Zu oben erwähnt fortgeschrittener Stunde war es dann endlich soweit: die heimlichen Ikonen betraten die Bühne.

Sänger Peter Hein eröffnete dem gespannten Publikum umgehend, dass er selbst nicht gewusst hatte, wie lange er vor dem Auftritt würde ausharren und sich anderweitig beschäftigen müssen, so dass er kundtat, mittlerweile nicht mehr die volle Verantwortung für sein Tun tragen zu können. Retrospektiv betrachtet wäre diese Vorab-Entschuldigung keineswegs nötig gewesen, lediglich der Mikroständer und das eine oder andere Kabel desselben Geräts wurden während seiner energisch-energetischen Performance ein klein wenig in Mitleidenschaft gezogen.
Das Set bestand aus einer recht ausgewogenen Mischung von alten, uralten, neueren und ganz neuen Songs, die insgesamt so homogen wirkten, dass ich den Eindruck hatte, die könnten auch alle auf ein und demselben Album sein. Überwiegend Mid- und Uptempostücke wurden dargeboten, durchweg sehr rockig vorgetragen mit Keyboard, Bass, Schlagzeug, saugeiler Schrammel-Gitarre und natürlich dem markig-markanten Gesang eines Mannes, der auch tatsächlich etwas zu sagen hat. Der süße Hauch der Anarchie war ebenso omnipräsent wie die ska-punkigen Wurzeln der Bänd.


So verausgabte sich Herr Hein denn auf der Bühne mit ungefähr der Frische eines Zwanzigjährigen, von den ersten Worten und Akkorden an war die Richtung klar, wurde ein Spannungsbogen aufgebaut, der permanent bis zum Ende nach ca. neunzig Minuten (inc.zweier Zugabeblöcke) nach oben zeigte.
Ohne Zweifel wurden wir Zeugen eines ausgezeichneten Konzerts einer hervorragenden Live-Bänd, deren Musiker durchweg sichtlichen Spaß hatten, ebenso wie das Publikum, dessen Pogo-Areal vor der Bühne von der ersten bis zur letzten Minute gut besucht war und nie stillstand.
Schön zu sehen, dass es noch Musiker gibt, die sich nicht von irgendwelchen Industriegeldsäcken vereinnahmen lassen sondern stattdessen unbeirrt ihr Ding machen. Und das über Jahre, in diesem Fall Jahrzehnte hinweg. Und ebenso schön ist es, wenn dies vom Publikum entsprechend honoriert wird.

 

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