Ben Harper & The Innocent Criminals

7.11.06 Basel, St. Jakobshalle

 

Vergangenen Dienstag machte ich mich auf den Weg nach Basel, das Konzert eines wirklichen Ausnahmekünstlers bei seiner Stippvisite jenseits des Rheins zu besuchen. Da ich frei hatte, fuhr ich bereits am Nachmittag los, um mich so ganz nebenbei noch kurz mit meiner Lieblingsschweizerin treffen zu können, die -- dies sei am Rande erwähnt -- jedesmal, wenn ich sie mit einem Besuch zu überfallen gedenke, entweder einen Fahrradunfall hat oder wenigstens haarscharf an einem solchen vorbeischrammt. Das Wetter zeigte sich an diesem Spätnachmittag für die Jahreszeit noch recht mild, so dass wir gemütlich über die gerade stattfindende Herbstmesse und durch die hübsche Altstadt schlendern konnten, ohne umgehend irgendwo festzufrieren. Wir schnackten über dies und das, und nachdem sie beinahe schon rührend dafür gesorgt hatte, dass ich Hunger und Durst stillen konnte und auch bestimmt mit der richtigen Fahrkarte in der richtigen Straßenbahn sicher und rechtzeitig die Konzerthalle erreichen würde, verabschiedeten wir uns herzlich.

Am Zielort angekommen musste ich nicht allzu lange warten, bis meine beiden charmanten Begleiterinnen aus Freiburg eintrafen, um mit mir zusammen das folgende mehr als überdurchschnittliche Konzert zu bestaunen. Nachdem Jacke und Rucksack im Auto verstaut waren, Eintrittskarten den Besitzer gewechselt hatten und sich kurz über die Fahrt ausgetauscht worden war, betraten wir die Halle. Das Vorprogramm war bereits beendet, um 19:00 Uhr hatte ein Züricher Songwriter den Abend eröffnet. Wir gingen alle drei nochmal kurz auf die Toilette und reihten uns danach in die Schlange am nächsten Bierstand ein, um unsere Franken, die in der Schweiz übrigens auch "Stutzen" genannt werden unter die Leute zu bringen. Doch hatten wir kein Glück, gerade eben war das Fass leer geworden und der Nachschub schien immense Schwierigkeiten zu bereiten, so dass wir uns nach kurzer Wartezeit genügsam mit Mineralwasser in den Konzertsaal begaben, wo mittlerweile das erste Lied in vollem Gange war. So kann man also auch trotz eigener Pünktlichkeit durch widrige Umstände von anderer Seite zu spät zu einem Konzert kommen.

Die Halle, die gut und gerne Platz für fünftausend Personen bieten mochte, war zu schätzungsweise drei Vierteln gefüllt. Wir blieben relativ weit hinten stehen, wo man schön Platz hatte, ausreichende Sicht auf das Bühnengeschehen und auch die Akustik gut erschien. Zu Anfang erschien es mir recht leise, dies sollte sich aber noch ändern, allerdings wurde tatsächlich mehr Wert auf einen guten, klaren Sound als auf übertriebene Lautstärke gelegt, was ich als sehr angenehm empfand und für meine Begriffe grade bei dieser Musik sehr wichtig ist. Die Innocent Criminals, Herrn Harpers ausgezeichnete Begleitbänd, setzte sich aus fünf Musikern zusammen: der füllige Juan Nelson am Bass, ein dunkelhäutiger Blues-Basser wie aus dem Bilderbuch, der -- wie übrigens alle anderen auch -- sein Instrument hervorragend beherrschte und im Lauf des Abends zudem noch seine gesanglichen Künste während der einen oder anderen Solo-Einlage unter Beweis stellen durfte. Er teilte sich die Rhythmus-Sektion mit einem Schlagzeuger, der nicht weniger präzise wie ein Schweizer Uhrwerk trommelte, mit fettem Sound, versteht sich. Daneben gab es noch einen Keyboarder, dessen Spiel mich streckenweise an das der Doors erinnerte und der außerdem die Aufgabe hatte, die auf dem neuen Album zahlreich vertretenen Streichereinlagen umzusetzen, einen hervorragenden Percussionisten und einen zweiten Gitarristen, der des Meisters Saitenkünste vorzüglich zu ergänzen wusste. Ja, und eben Mr. Harper himself.

Praktisch nach jedem Lied wechselte er die Gitarre. Wenn ich micht recht erinnere, benutzte er zwei akustische, drei elektrische, eine Pedal-Steel-Gitarre und eine alte halbakustische Weissenborn-Gitarre, die er auf den Knien liegend gnadenlos durch den Verzerrer jagte und damit einen Sound erzeugte, der über jede Beschreibung erhaben ist und den man einfach gehört haben muss, um ihn sich vorstellen zu können. Des öfteren hatte ich den Eindruck, dass der gute Ben, nachdem er sich das Instument auf die Beine gelegt hatte, sich dem erstmal kurz nähern musste, indem er ihm vor Beginn des Songs ein paar Töne entlockte, um nach und nach gänzlich damit zu verschmelzen. Jeder einzelne Ton, gleich, wie sachte oder heftig, schien genau so gewollt, wie er klang, stellte eine absolute Einheit zwischen dem Musiker und seinem Instrument dar, als ob die Gitarre ein Teil von ihm sei, wie die Hand, der Fuß oder sonstige Gliedmaßen eines menschlichen Körpers. Und dem nicht genug, kann der Bursche auch noch dermaßen gut singen, von engelsgleich zart bis hin zu fuchsteufelswütendem Geschrei, die ganze Bandbreite. Man wird das Gefühl nicht los, dass man es hier mit einem Wesen aus einer anderen Welt zu tun hat.

Dazu verausgabt sich der in Deutschland leider völlig unterbewertete Amerikaner auf der Bühne auch noch bis zum Letzten; es ist eine wahre Pracht, die durch Worte allein nicht beschrieben werden kann. Insbesondere denke ich dabei an die Passage, als er ohne Mikro mit spärlicher Bäckground-Musik gut drei Minuten lang die Halle mit seiner Stimme erfüllte, wohlweislich am Ende des exakt 80 Minuten dauernden regulären Sets. Zuvor spielten sich die Jungs durch alle sechs bisher erschienenen Studioalben, eine ausgewogene Mischung aus ruhigen und fetzigen Stücken, ein wilder Mix aus Folk, Singer/Songwriter-Stoff, Reggae, Gospel, Rock, ein wenig Pop und immer wieder Blues. Die meisten Stücke klangen etwas anders als auf CD, wurden entweder in neu instrumentierten Versionen dargeboten, durch Solo-Einlagen ausgebaut oder eben spielfreudig in lustvolle Jäm-Sessions verwandelt. Außerdem schien Mr. Harper immer wieder eine kleine Mission zu verfolgen, sang er doch in regelmäßigen Abständen inbrünstig vom Lord und wirkte daher zeitweise gar wie ein kleiner Prediger, dies insbesondere beim oben erwähnten gänzlich unverstärkten Gesangspart vor den Zugaben.


Der zweite, gut sechzigminütige Teil des Sets begann wie erwartet mit dem akustischen Solo-Part. Drei Songs lang nur Stimme und Gitarre. Man muss schon sehr abgestumpft sein, um bei dieser Konstellation keine Gänsehaut zu kriegen. Bei mir hat sich zeitweise jedenfalls jedes einzelne meiner streckenweise spärlichen Behaarung in die Höhe gereckt, scheinbar um die Musik vollkommen aufzusaugen. Einfach fantastisch. Und hier muss ich mal ein dickes Kompliment an das Publikum loswerden, welches bei den ruhigen Passagen ebenfalls überwiegend ruhig blieb, um diese wunderschönen Darbietungen nicht durch übertriebene Begeisterung zu stören. Respekt, das ist leider selten. Danach gings dann nahtlos weiter wie im ersten Teil, praktisch jeder Song ein Höhepunkt, man hatte fast schon Angst, nach Ende es Konzerts in ein tiefes Loch zu fallen, nur weil es vorbei ist und man einfach nicht will, dass es irgendwann vorbei ist. Lediglich das vorletzte Lied bietet einen geringen Anlass zu Kritik von meiner Seite, jedoch nicht, weil es nicht gut gewesen oder etwas schiefgegangen wäre, was ich zu bemängeln habe ist schlicht die Auswahl des Stückes: "Get up, stand up", ein alter Bob-Marley-Gassenhauer. Da hätte es für meine Begriffe doch Songs gegeben, die man schon weniger oft um die Ohren gehauen bekam. Doch seis drum, dies tat weder der Stimmung noch der schwer zu übertreffenden Qualität dieses Konzertabends einen Abbruch.

Nachdem die durch Projektionen auf einer großen Videoleinwand untermalte Show nach fast zweieinhalb Stunden zu Ende gegangen war, bedankten und verabschiedeten sich Ben Harper und seine unschuldigen Gesetzesbrecher noch minutenlang ausgiebig beim Publikum, bevor der bereits beim letzten Song hell erleuchtete Saal sich langsam aber sicher leerte und jede Menge glücklich aussehender Menschen sich Richtung Getränkestände, Toiletten, T-Shirt- und CD-Stand oder direkt in die mittlerweile schon etwas kältere Novermbernacht hinaus bewegten.

 

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