ZEMENT & SHEM 9.02.24 Freiburg, Swamp

 

Wie klingt wohl die Musik einer Bänd, die sich nach einer Substanz benennt, die als Bindemittel für Baustoffe verwendet wird, um schließlich zu Beton zu werden? Diese Frage wollten ein Konzertneugieriger und ich eines nieseligen Freitagabends im guten alten Swamp näher ergründen. Auf dem Veranstaltungskalender stand nämlich ein Duo namens ZEMENT aus Würzburg, dessen Musik in der Ankündigung als Neo-Kraut bezeichnet wurde…

Als Support, gerade nachdem wir den Begriff Krautrock einvernehmlich als hilflose englische Presseschrulle ad acta gelegt hatten, formierten sich SHEM aus Stuttgart zum Auftakt des Abends. Das Trio war ausgestattet mit Drums, einer Gitarre, die vor lauter Effekten klanglich nur selten als eine solche zu erkennen war, dazu Synthies und hin und wieder – wenn ich es richtig identifiziert habe – eine Klarinette sowie ein Saxofon. Kopf des Ganzen schien der Synthie- und Elektrofrickler zu sein, der auch die Bläser übernahm, während die drei eine gute dreiviertel Stunde lang ihr Sammelsurium aus Klängen an die etwa vierzig Anwesenden entließen.

Das war durchaus unterhaltsam und auch groovy, jedoch schien mir der Sound durchweg an Effekten überladen und ich stellte mir im Lauf des Gigs immer mal wieder die Frage, ob das zu Hause, im Sessel fläzend, nicht sogar interessanter zu hören wäre. Doch wie dem subjektiv sei, SHEM spielten ein schönes Set, hatten offenbar Freude daran und auch das Publikum hatte sichtlichen Spaß.

Nach ausgiebigem Umbau der Bühne betrat das Duo ZEMENT die nunmehr fast komplett mit Equipment gefüllten Bretter und begann wortlos sein Set. Es folgte eine dreiviertel Stunde fast schon atemloser Performänce: Angetrieben vom druckvollen, kreativ wirbelnden und sehr rhythmisierenden Schlagzeug, das untermalt wurde von Sounds aus diversen Synthies, führte der gegenüber dem Drummer platzierte König der Tasten und Knöpfe zunächst ein Saxofon zum Mund und blies improvisiert anmutende Melodien dazu, sodass eine schön temperierte Melange aus elektronisch basiertem Fusion-Jäzz und Psychrock entstand. Sehr geil!!

Im Laufe des Sets, das vermutlich aus mehreren aneinandergereihten Stücken bestand, die live wie ein einziger Impro-Träck anmuteten, ließ die von den ersten Takten an vorhandene und durchweg fast greifbar im Raum stehende Spannung zu keiner Zeit auch nur im mindesten nach. Indes wechselte der der multi-instrumental Vollbeschäftigte nach geraumer Zeit vom Sax an die E-Gitarre, die fortan das führende Element neben dem allzeit präsenten Schlagwerk sein sollte, ehe sich zum Ende hin der Kreis mit erneutem Einsatz des Saxofons wieder schloss. Während alldem trugen die minimalistischen, nur in Nuancen veränderten Synthiesounds, welche einen sehr intensiven, tief gewobenen Klangteppich bildeten, die Anwesenden sicher durch die Klangreisen. Dabei war es immer wieder hoch interessant, das Agieren und Interagieren der beiden auf der Bühne zu beobachten – obwohl große Teile des Konzerts die perfekte Einladung boten, sich mit geschlossenen Augen einfach nur durch die großartigen ZEMENT-Soundsphären treiben zu lassen…

Umso beachtlicher an diesen einwandfrei dargebotenen, dichten und kompakten Klangwelten war, dass, wie der Gitarrist, Saxofonist und Soundkreator nach Ende des ersten Sets verlauten ließ, sein eigentlicher Partner am Schlagzeug erkrankt war und der heute Trommelnde kurzfristig eingesprungen war. Respekt!! Es war zu keiner Zeit zu bemerken, dass hier eben gerade kein über lange Zeit eingespieltes Duo zu sehen und hören war!! Die beiden ließen sich denn auch nicht lumpen, ließen stattdessen lieber noch eine Zugabe folgen, ehe das sehr geile Konzert nach einer energiegeladenen Stunde sein Ende fand.

Nach unserer kleinen Portion Nikotin als Brücke, um wieder in der Welt anzukommen, deckte sich mein fachkundiger Begleiter, der zudem während des Konzerts recht ordentlich im Rhythmus gewackelt hatte und – wie ich selbst auch – noch immer sehr angetörnt vom Gehörten war, noch flugs mit Tonträgern ein. Zufrieden verließen wir den Ort des Geschehens mit der Gewissheit eines rundum gelungenen Abends. Die eingangs gestellte Frage jedoch konnte bis dato noch nicht gänzlich geklärt werden und bedarf wohl einer neuerlichen Zuwendung…

10.02.24

Reingehört werden kann natürlich auch, wobei ich sagen muss, dass insbesondere ZEMENT live wesentlich direkter und intensiver klagen, als DA  zu hören ist.

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