Tool                                        25.06.19 Zürich, Hallenstadion

 

Großveranstaltungen sind mir ein Graus - aber manchmal gehts nicht anders. Obwohl es einigermaßen verwunderlich ist, dass eine Bänd wie Tool, weit weg vom Massengeschmack, dennoch Massen anzuziehen in der Lage ist. Andererseits - wenn die Europatour einer Bänd dreizehn Konzerte in dreizehn Städten umfasst, die - Überraschung - in dreizehn verschiedenen Ländern liegen (zuzüglich zweier Festivals), ist das Einzugsgebiet der Anreisenden eben recht groß. So verschlug es unser Tool-Besuchs-Trio nach Zürich, wo wir mit etwa dreizehntausend anderen Menschen einem Dutzend Songs der Artrockbänd lauschen durften...


Die Vorbänd Fiend aus Paris hatte gerade angefangen, als wir unseren Platz im bestuhlten V2-Bereich eingenommen hatten, von der Bühne aus gesehen rechts oben, auf Höhe des mittig in der Halle stehenden Mischpults. Unter überwiegend Desinteresse der Anwesenden im sich langsam füllenden Rund spielten sich die Franzosen mit eher mäßigem Sound durch ihr dreißigminütiges Set. In der danach folgenden halben Stunde Bühnenumbau gabs nicht weniger als drei Ansagen, dass das Fotografieren, Filmen etc. mit Kameras, Smartphones etc. verboten sei. Und dass ein Nichtbeachten dessen zu einer "Unterbrechung der Show" führen kann. Dies störe die Bänd wie auch andere Leute. Ich für meinen Teil fand es in der Tat recht angenehm, dass nicht andauernd inflationär mit Smartphones rumgefuchtelt wurde, im blödesten Fall vor dem eigenen Sichtfeld.


Um Punkt neun verdunkelte sich die Halle, vom Band lief ein Intro, während die Bänd sich auf die Bühne begab und mit "Aenema" ihr Set startete. Der Sound war von Beginn an recht gut, die Instrumente kamen allein und im Zusammenklang gut zur Geltung; ebenso die Stimme des ureigenwilligen Vokalisten Maynard James Keenan, der sich die ganze Zeit über im Dunkeln, rechter Hand nebst dem auf einem Podest positionierten Drummer Danny Carey befand. Hier sang und performte er, möglicherweise für ein paar Leute im Stehplatzbereich und mit Frontalblick gut sichtbar; von unseren Plätzen leider zumeist unsichtbar. Schade, das; seine insektoid anmutenden Tänze zwischen den Gesangsparts hätten sich auch gut im überwiegend verwaisten Frontbereich der Bühne angelassen, zwischen dem links vorm Drummer agierenden Bassisten Justin Chancellor und dem ganz rechts außen lokalisierten Adam Jones an der Gitarre. Letzterer tat als Einziger hin und wieder den einen anderen Spaziergang über die Bühne, mal zum Basser, mal zum Drummer, viel mehr passierte nicht im Mittelpunkt der Bühne. Und außer Chancellor interagierte kaum einer der Musiker mit dem Publikum - schon gar nicht der hinten versteckte Frontmannverweigerer.

Aber dafür gabs ja noch die überdimensionale Videoleinwand hinter der Bühne und manchmal zudem noch Projektionen auf transparenten Vorhängen am vorderen Bühnenrand, die mitnichten das Bühnengeschehen zeigten, sondern die tooltypisch sehr eigenartigen, mitunter verstörenden Clips zur Musik. Einmal mehr gaben Tool bei diesem Auftritt zu erkennen, dass sie nicht einfach nur eine Bänd sind, sondern eben ein Gesamtkunstwerk. Und es ist davon auszugehen, dass jedes Detail der Show akribischer Chorerografie unterliegt...


Auch das hat wiederum Vor- und Nachteile. Für meinen Geschmack war die Halle fast schon wieder zu groß, da, wie erwähnt, wahrscheinlich die wenigsten Leute die entsprechende Frontalperspektive zur Bühne hatten, die es zum vollen Genuss nun mal benötigt hätte. Und Herr Keenan tat herzlich wenig, daran etwas zu ändern. So fand ich es zwar sehr geil, Tool nach langer Zeit wieder live zu hören, doch vermisste ich zeitweise fast schmerzlich eine Präsenz der Bänd. Aus der Ferne waren lediglich vier Mini-Männchen zu sehen, die mehr oder weniger stoisch für sich selbst zu agieren schienen und nebenbei die Videos mit Musik untermalten... Aber nun genug zum Drumherum. Denn es gab ja auch noch die Musik. Und die war durchaus und durchweg präzise und gut gespielt, der Sound weitaus präsenter als die Musiker und die sehr stimmige, kryptisch-apokalyptische Videoperformance zusammen. Der Sound wurde im Laufe des Sets noch differenzierter, so dass der musikalische Teil - und damit die Hauptsache bei einem Konzert - ein echter Genuss war. Bei drei oder vier Songs wich die Live-Präsentation sogar etwas von den Studioversionen ab. Etwa bei "Schism", ohnehin eins der großen Highlights. Um diesen 'Lateralis'-Klassiker herum waren zwei bislang unveröffentliche Stück ins Set eingeflochten, "Descending" und "Invincible". Beides etwas ruhigere Songs, die sich in ihrer Struktur ein wenig ähnelten, so dass sich bei "Invincible" eine kleine Länge im Set einschlich. Diese wurde jedoch mit einem stürmischen "Intolerance" vom Erstling 'Undertow' hinweggefegt, gefolgt von einem wuchtigen "Jambi" - vom 2006er '10,000 Days' - mit großartigem Gesangsintro des sich ohnehin bei guter Stimme befindlichen Iro-Querkopfs am Mikro - und dem finalen Stück des ersten Sets, einem fulminanten "Forty Six & 2" - nach wie vor m. E. einer der geilsten Songs der Bänd überhaupt!!


Danach wurde es dunkel in der Halle, die Bänd schlich von der Bühne und in der oberen Ecke der Leinwand zählte eine digitale Anzeige 11 Minuten und 53 Sekunden als Countdown. Bei 0:00 angekommen erschien ein tool-eskes Motiv und das Datum August 30th - offenbar der geplante Erscheinungstermin des kommenden Albums (wieso eigentlich ohne Jahreszahl? Aber vielleicht hab ich die auch übersehen...). Diese Unterbrechung sorgte leider für einen immensen Bruch im Set. Danach begann Carey mit einem Drum-Solo, flocht danach Sound vom Band ein, so dass es nach dem achtzigminütigen ersten Set fast fünfundzwanzig Minuten dauerte, bis der nächste reguläre Song angestimmt wurde:

"Vicarious" - eins der wenigen annähernd hitverdächtigen Stücke der Bänd. Hier ließ sich Keenan gar aufs Publikum ein und reckte gar einmal beim Refrain das Mikro als Mitsinganimation in dessen Richtung. Nach dem Song gab es ein paar Dankesworte, die Genehmigung zu knipsen (und flupps waren gefühlt elftausend Händys zu sehen), ehe das Set mit dem großartigen "Stinkfist" in einer ausgedehnten Version um Punkt elf beendet war. Leider war bei diesen beiden Songs der Gesang nicht mehr ganz so präsent im Gesamtsound, als dies im Hauptset gewesen war.
Während sich die Musiker (außer Maynard, der war gleich weg) noch feiern und be-applaudieren ließen, Drumsticks und verschwitzte Handtücher ins Volk warfen, machten wir uns bereits auf den Weg Richtung Parkhaus. Schließlich hatten wir noch ein Stückchen durch die nächtlich überhitzte Schweiz zu fahren...
Insgesamt kann ich dennoch sagen, dass der Auftritt von Tool ein sehens- und insbesondere hörenswertes Konzert war - für meine Wenigkeit zwar mit ein paar Mängeln und etwas weniger Euphorie als vor dreizehn Jahren, aber dennoch lohnenswert...

 

...und die Setliste (lt. setlist.fm und ohne den Kram vom Band zu erwähnen):
Aenema / The Pot / Parabol / Parabola / Descending / Schism / Invincible / Intolerance / Jambi / Forty Six & 2 // Vicarious / Stinkfist

 

Hier ein Link zu nem Live-Mitschnitt von Descending
 

26.06.19
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