King Rocko Schamoni & Tex M. Strzoda 3.11.16 Freiburg, E-Werk
Ich weiß nicht mehr, wann genau es sich zugetragen hat, dass ich im mittlerweile längst geschlossenen, ehedem jedoch durchaus angesagten und auf Höhe der musikalischen Zeit wandelnden Schwimmbad-Musikclub in Heidelberg einen jungen Künstler aus Hamburg mit seiner Bänd gesehen und gehört habe. Es müssen die ganz frühen Neunziger gewesen sein. Leider fehlen mir, außer ein paar verblassten Eindrücken, die Erinnerungsbilder. Es war irgendwie anders, ohne mich jedoch nachdrücklich zu beeindrucken.
In den folgenden Jahren und Jahrzehnten las ich hin und wieder über und von besagtem Herrn, die "Dorfpunks" etwa, und "Risiko des Ruhms", sah ihn mit seinen Studio Braun-Kollegen Heinz Strunk und Jaques Palminger in einer sehr amüsanten, fiktiven Kino-Doku über die ebenso fiktiven Techno-Erfinder "Fraktus". Als ich nun erfuhr, dass King Rocko Schamoni sich auf einen Veranstaltungsabend ins E-Werk begibt, ergriff ich mitsamt geneigter Mitstreiterin, die Chance, einer seiner nach wie vor stattfindenden Live-Performances beizuwohnen.
Auf der Bühne befand sich ein Tisch zum Lesen, daneben ein Barhocker nebst 12saitiger Akustik-Gitarre, ein Stuhl nebst halb-akustischer E-Gitarre sowie eine Bass-Drum und eine Hi-Hat. Schamoni betrat zu gegebener Zeit unter freundlichem Applaus die Bühne, begrüßte die Anwesenden im gut besuchten, nicht ganz vollen Saal und verlor ein paar Worte über den Ablauf dieses Donnerstag abends, um sodann mit einer Lesung zu beginnen. Hier legte er seine Gedanken über die Entstehung der Erde und die Entwicklung der Menschen offen, sinnierte über "Intelligenz und Dummheit" (so hieß der Text, wenn ich es recht erinnere), um schließlich am von ihm sogenannten "Endergebnis" dieser Entwicklung zu (ver)zweifeln. Sehr amüsanter Einstieg!!
Nachdem er mit dem Lesen, bei welchem er sich immer wieder selbst kommentierte und gerne auf Publikumsäußerungen reagierte, geendet hatte, bat er seinen Partner des Abends, Tex Matthias Strzoda zu sich und die beiden spielten gemeinsam einige Songs. King Rocko ließ es sich derweil nicht nehmen, die vom Tablet abgespielte Musik, welche als Grundlage der Live-Darbietung diente, mit einer Live-Zuschaltung eines Orchesters zu erklären und machte herrlich trocken bereits das Warten auf den ersten Song sowie die Zeit zwischen den Songs zu Events im Event.
Während Rocko nun an der Akustischen über Mauern aus Liebe sang oder Politik-Kritik intonierte, war Tex mit den Händen an der Gitarre und den Füßen an Hi-Hat und Bass-Drum ziemlich vollbeschäftigt, um zwischen den Stücken den fabulierenden Sänger gewollt spröde zu kommentieren. Alles in Allem konnte eine sehr kurzweilige Stunde bis zur Pause verbracht werden und die zweite Hälfte schloss gekonnt mit selbem Ablauf daran an.
Bei seinen Texten lotete Schamoni die Grenzen zwischen Träsh und Anspruch aufs Beste aus, jonglierte in fast permanenten Gratwanderungen mit Widerlichkeiten aus Scham, Ekel und Abscheu, die Parodie und ausgeklügelter Satire die Hand reichten. Das war ganz schön groß. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Künstler sich selbst und seinen Mitstreiter dabei stets lakonisch trocken mit auf der Schippe hatte.
Tex M. Strozda, der immens takt-exakte Gitarrist und bislang Bäckgroundsänger, bekam schließlich in den Zugaben wohlverdient noch seinen großen Auftritt: Er sang und performte einen eigenen Song über und namens "Kaffee" ("bringt mich nach vorn") - zu großer Belustigung so mancher Anwesenden. So konnten Kunst und Quatsch, Choreographie und Träsh, Musik- und Lese-Performance stets unter Einbezug von kreierter wie entstandener Situationskomik gute zwei Stunden lang für einen sehr gelungenen Abend sorgen!! Sehr schön, das!!
8.11.16