Nachruf: Jeff Hanneman

 

Es ist irgend ein Samstag im Jahr 1986. Nach der Schule lasse ich den ersten Bus sausen, vertreibe mir das Stündchen bis zum nächsten mit einem Kollegen im Plattenladen um die Ecke. Das tun wir öfter am Samstag. Wir stöbern, gucken, was es an Altem und Neuem gibt, was unser Budget dazu sagt. Bei den Neuheiten über dem Heavy Metal-Fach springt sofort 'Reign In Blood' meinen Sehnerv an: die neue Slayer-Platte. Den Vorgänger 'Hell Awaits' hab ich mir bereits auf Kassette zu eigen gemacht und höre sie nicht selten. Ich nehme ein Exemplar des Werks mit dem sehr blutlastigen Cover, gehe an den Tresen, lasse mir Kopfhörer geben und nehme das Textblatt in die Hände. Der Opener "Angel Of Death" beginnt mit einem kurzen, fulminanten Intro - und vor allem einem markerschütternden Kreisch-Brüll-Schrei des Sängers Tom Araya. Ich habe genau einen Gedanken: Haben muss!!

Die Musik hat mich - im Gegensatz zu meinen Eltern - fasziniert. Slayer sollten zu einer der wichtigen Bänds in meiner musikalischen Sozialisation werden. Ich hatte bis dato nichts so schnelles, hartes und präzises gehört. Nicht zuletzt war 'Reign In Blood' eine der Platten, zu denen ich beim Hören immer mal wieder Textblatt, Stift, Papier und den guten Langenscheidt genommen habe, weil ich wissen wollte, was die so singen. Ich empfand ihre Texte sehr passend zu Musik, es kamen weniger Gedanken an Rassisumus oder ähnliches auf, wie dies damals in manch metallischer Fachzeitschrift thematisiert wurde. Für mich war es schlicht eine Verbalisierung übler Geschichten; eben entsprechend der musikalischen Härte und Aggressivität, Horrorgeschichten mit Gitarre. However, mich hat die Bänd noch bis zum nächsten Album begleitet, auch live durfte ich sie einmal begutachten - im Mannheimer Disko-Zirkus mit der hübschen Kartennummer 666. Die Lokalität war tatsächlich ein Zelt, in welchem offenbar die Boxen etc. nicht so gut verankert werden konnten, so dass nach den ersten drei Stücken die Bänd von der Bühne ging, ein Veranstalter diese betrat und die Anwesenden darum bat, nicht so sehr nach vorne zu drängen. Nach einigen Minuten kam die Bänd zurück und blies dem Publikum noch eine gute Stunde lang ihren Sound durch's Gehirn.

Jeff Hanneman war, zusammen mit Kerry King, Mitbegründer der Bänd und hat somit meine Teenager-Zeit mitgeprägt. Natürlich hat sich auch mein Musikgeschmack im Laufe der Jahre verändert, nach 'South Of Heaven' fand ich die folgenden Alben der Thrash-Metaller eher etwas langweilig. Bis mir vor ein oder zwei Jahren 'World Painted Blood' in die Hände fiel, das bislang letzte Album, wenn ich auf richtigem Stand bin. Die fand ich wieder sehr geil, was mich selbst überraschte, so dass Slayer ein kleines Comeback in meinen Hörgewohnheiten feiern durften. Jetzt ist Jeff Hanneman tot. Nicht mal fünfzigjährig und auch keinem klassischen Rock'n'Roll-Tod zum Opfer gefallen.

Nie mehr wird jemand die Gitarre so spielen wie Du. Sicher, da bist Du nicht der einzige, von dem man dies behaupten kann. Aber Du bist einer jener, die mit ihrem Spiel und ihren Ideen stil- und genreprägend waren, dabei viele Moden und Ströme überlebten. Das Leben konntest natürlich auch Du nicht überleben, bist später als manch anderer, aber doch früher als die meisten gegangen. Rest In Peace, Jeff!! Auf dass Dich nicht die Hölle erwartet, Du nicht Live Undead ewig umherwandeln musst und Petrus bei Deiner Ankunft nicht zum Allmächtigen gesagt hat: "Show No Mercy!!" 

 

zum Artikel auf zeit.de

4.05.12

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