Wie ließe sich wohl das Leben an, wäre da nicht die Möglichkeit zum Innehalten in wohlgeformten Klängen - im Volksmund auch Musik genannt? Ja, ein schwarzes Loch täte sich auf, müsste auf dies akustische Balsam verzichtet werden!! Ein düsteres, kaltes, emotionsbefreites, kaum zu ertragendes, tristes, schwarzes Loch!! Leer wäre der Mensch, gefangen im vor ungezählten Epochen geformten Konstrukt namens Zeit, welche uns die Stunden, Tage und Wochen unseres Erdendaseins diktiert. Uns immer wieder den Blick zur Uhr aufzwingt, wieviel wahres Leben noch bis zur nächsten mehr oder minder freudvollen Verpflichtung bleibt. "The Torture Never Stops" sang Frank Zappa mal. So kann es unter Umständen zur Qual werden, wenn der biologische Schlaf-Wach-Rhythmus einem zu ungünstigen Meilensteinen des Lebens in die Parade grätscht und sich aus den Normen ausklinkt. Es ist nun, da ich diese Zeilen schreibe, kurz vor fünf Uhr morgens an einem der letzten Tage vor neuerlichem Jahreswechsel, und wie Nomaden irren die exakt berechneten Minuten durch die Nacht. Zeit also, die wohl am sinnvollsten zu nutzen wäre, auf akustische Ereignisse zurück zu blicken.
Nomadic heißt denn auch das Album, welches ich mir während des Auftakts zu diesem Mehrzeiler zu Gemüte führe. Es ist perfekt für diese Uhrzeit, mit Bass, Schlagzeug, Sitar und Saxophon klingen Sonny Simmons & Moksha Samnyasin sehr entspannt, obwohl das Werk laut Plattenfirma und zu meiner Überraschung unter Free Jazz läuft - was ich mir bisher immer eher anstrengend vorgestellt habe. Eine der großen Entdeckungen des Jahres in meinem Universum, welches ansonsten zu größten Teilen im Zeichen von Motorpsycho und diversen Nebenprojekten dieser großartigsten aller Bänds stand. Doch der Reihe nach, chronologisch, wie der Lauf der Zeit es gebietet!!
So fielen Anfang des Jahres Fuzz bei mir ein, ein nachzüglerhaftes Release aus dem Jahr davor und eine Platte, die sich nach wie vor immer wieder auf den Teller drängt. Sehr gespannt war ich auf Transgender Dysphoria Blues der Folk-Punk-Heroen Against Me! - neuerdings um Frontfrau Laura Jane Grace. Nachdem ich von der Vorab-Single etwas enttäuscht war, zeigt sich das Album dann doch recht kraftvoll und weist wie gewohnt so manch potenziellen Hit auf. Allerdings - wie schon das Album davor - ohne die mir so angenehme rauhe Energie der älteren Sachen. Dennoch kein Ausfall, mitnichten. Mehr gekickt hat mich allerdings der hübsch rote neuerliche Vinyl-Output des etwas bejahrten Let Them Eat Cake von Motorpsycho, welches mir auf Platte bis dato noch fehlte. Sehr schön auch Rave Tapes von den schottischen Mogwai - zudem in an anderer Stelle ausführlich beschriebener vorzüglicher Aufmachung. An Close To The Glass von The Notwist musste ich mich ein wenig gewöhnen. Das heißt, so ein bisschen muss ich das immer noch. Eher sound-träckmäßig denn hitverdächtig klingt dieses Album. Doch immer schön experimentell und neugierig, wie man die Weilheimer eben schätzt. Im März war es dann an der Zeit für ein brandneues Album von Motorpsycho. Behind The Sun vereint nicht nur bisher gehörte Facetten der Bänd, sondern erschließt auch wieder ein paar neue. Sicher ein sehr heißer Anwärter zur Kür der Nummer Eins des Jahres - doch warten wir damit noch ein wenig...
Sehr gut gefällt mir auch die zehnte Folge der Bootleg-Serie von Bob Dylan. Nicht weniger als 53 Songs sind auf den 3 Alben von Another Self Portrait vereint, so dass sich dort wie in bloßer Selbst-verständlichkeit so manches Highlight befindet. Im April dann konnte ich das fast vierzig Jahre alte und schwer beeindruckende Köln Concert von Keith Jarrett für mich entdecken, was bis jetzt und sicherlich gar noch in ferner Zukunft für hohen Genuss stehen wird. Voll reingekracht ist dann quasi über Nacht das Debüt von Spidergawd, was so manches in diesem Jahr in den Schatten stellte und sich eine ganze Weile mit oben erwähntem Behind The Sun um die höchste meiner Günste zu streiten pflegte. Hierüber ging der Soundträck zu Inside Llewyn Davis leider ein wenig unter, obwohl dieser einige Perlen enthält. Auch Conor Oberst's Doppel-LP Upside Down Mountain kann da kein Paroli bieten, obwohl auch dies Album kein schlechtes ist. Woven Hand kamen dann so rockig daher, dass sie mich sehr stark an 16Horsepower, die Vorgängerbänd, erinnerten. Refractory Obdurate - eine starke Platte des Predigers zu Beginn der warmen Jahreszeit!!
Die Sommerzeit hielt außerdem mit dem selbstbetitelten Album der U.S.-Amerikaner von Black Lung ein sehr geiles Album für Freunde düster-garagigen Gitarren-Rocks unter gelegentlichem Psychedelik-Einfluss bereit. Länger schon war ich auf der Suche nach Talk Talk's Ausnahmeplatte The Spirit of Eden - im Sommer wurde ich fündig. Auch schon betagt, aber eine Platte für die Ewigkeit, welche - glaubt man diversen Fach-Schreibern - noch immer höchst einflussreich ist und den erst Jahre später definierten Post-Rock vorweg nahm. Den Sommerhit im langsam verglühenden Jahr bescherten mir Sugarfoot aus Norwegen - am Bass ein gewisser Herr Sæther. "Dolphins Hotel" heißt der Song vom Album Big Sky Country, von welchem ich mich gerne ein paar Wochen begleiten ließ. Eine sehr außergewöhnliche Songwriter-Platte entließ King Buzzo, seines Zeichens Gitarrist der guten Melvins in die Welt. Ich hätte nicht geglaubt, dass diese akustisch funktionieren könnten, doch genau dies ist auf This machine kills artists zu hören: Melvins akustisch!! Hammer!! Leider hat's mir nicht auf's Konzert in Schorndorf gereicht, sicher einer der größten Verpasser des Jahres...
Vielleicht erinnert sich der/die eine oder andere Leser/in dieser Quasselseite ja noch an den Namen Ståle Storløkken? Genau, das ist derjenige, welcher vor knapp 3 Jahren mit Motorpsycho ein recht angejazztes Album gemacht hat. Im Herbst nun stieß ich auf das 2010er Album dessen Bänd Supersilent namens 10. Eigentlich ein aus mehr oder minder strange anmutenden Klängen bestehendes Hörspiel, was den Genuss nicht mindert. Im Gegenteil, eine wie immer recht willkommene Abwechslung unter den ganzen Gitarrenklängen im Ohr. Gutes aus deutschen Gefilden besorgten derweil Die Sterne mit Flucht in die Flucht. Für Lament, der klanglichen Verarbeitung des Ersten Weltkriegs mittels der Einstürzenden Neubauten erbitte ich mir dagegen noch ein paar Rationen dieses Phänomens genannt Zeit. Zu viel verbirgt sich auf dieser Doppel-LP, die sich nicht eignet, einfach mal so zwischendurch gehört zu werden. Und um sie genauer unter die akustische Lupe zu nehmen, kam ich einfach noch nicht. Ende November schneite mir dann eingangs erwähntes Album von Sonny Simmons herein, bevor die in drei Teilen versandte und nur über deren Homepage erhältliche 7"-Sammlung von Kenneth, Snah und Bent namens The Motorpnakotic Fragments komplettiert wurde. Fast zeitgleich damit kam der Re-Release der auf Vinyl lange vergriffenen Demon Box - gemeinsam mit einer 4er-CD-Box inklusive DVD desselben. Denkt Euch die Superlative hierzu einfach selber aus...
Schließlich kam ich noch in den Vorzug einer Vorab-CD des Mitte Januar erscheinenden Albums Spidergawd II - womit die relevanten Tonträger-Neuzugänge des Jahres ziemlich geil abgerundet werden konnten. Tja. Und wie schwer ist nun mal wieder die Qual der Wahl? Kann ich mich entscheiden? Will ich es überhaupt? Nun gut, ich will es tun - und es ist eine Überraschung: trotz gar zweier (!!) Veröffentlichungen auf Albumlänge von Motorpsycho werden diese heuer quasi von einem eigenen Side-Projekt getoppt - Spidergawd I macht das Rennen - mitsamt dem Übersong des Jahres "Empty Rooms" - oh yeah!!
Weiter auf der persönlichen Bestenliste folgen Motorpsycho mit Behind The Sun, King Buzzo's This machine kills artists sowie Sonny Simmons & Moksha Samnyasin mit Nomadic. Und - na klar - die Motorpnakotic Fragments!!
Bei den Konzerten wiederum dürfte die Nummer Eins klar sein, oder? Das waren ganz einfach die beiden Gastspiele in Berlin und Heidelberg von Motorpsycho!! Can't help it, die kicken einfach wie keine andere Bänd - lediglich Spidergawd im Frankfurter Bett konnten da noch ein wenig Wasser reichen. Oder war es Jägermeister? Egal, es waren auch ein paar andere Konzerte überdurchschnittlich gut: Woven Hand im Freiburger Atlantik etwa, oder Notwist im Jazzhaus. Große Überraschung auch im hiesigen Egon54 mit dem Auftritt von Eugene Chadbourne & Friends, womit die Top Five - um es mit Herrn Hornby zu sagen - komplett wären. So kann ich das abgelaufene musikalische Jahr auch außerhalb motorpsychedelischer Häppenings durchaus als hoch interessant, voller Abwechslung, inspirierend und qualitativ hochwertig bezeichnen, mit Neuentdeckungen und üblichen Wegbegleitern.
Bleiben noch ein paar Worte zum für mich Besten aus meinem eigenen kleinen Universum als c0ntrapunk.t zu vermelden - als da wären:
Die Show mit nPEP & Butch im Litfass mit vorheriger Halb-Probe auf der Straße, des Weiteren die kürzliche Impro-Veranstaltung mit Rusty Beaches mitsamt meinen lieben m0nsterpunx als Rhythmus-Sektion - also c0ntrapunk.t & Friends - im Egon54 zum quasi saitenbezüglichen Jahresausklang. Alles in Allem freue ich mich ungemein auf 2015, in der Hoffnung, mir sowohl für diese kleine Seite wie auch für meine Musik-Aktivitäten endlich wieder ein bisschen mehr Zeit nehmen zu können...
Last but sicher nicht least gilt mein Dank meinen musikalischen wie schreibenden Begleitern und Unterstützern - und selbstverständlich an Euch, meine werten Rezipientinnen und Rezipienten!!
29.12.14