Allgemein betrachtet war das popmusikalische Jahr 2011 so ein bisschen ein Jahr der zwanzigjährigen Jubiläen manch mehr oder minder im imaginären Schallplattenmemory prägnant gebliebenen Platte. 'Nevermind' von Nirvana zum Beispiel mehr. U2's 'Zooropa' eher minder. Wie dem auch sei, diese Jubilare wurden nun natürlich dem marketingologischen Eyes-Like-Dollar-Bills-Usus entsprechend wiederveröffentlicht; schön als Box-Sets, mit bislang unveröffentlichten Songs, Demoversionen, vielleicht mal das ein oder andere Live-Stück - im Jargon wird das dann schlicht Bonus-Material genannt (welch Bezeichnung, wenn es um künstlerisches Schaffen geht)... Ich hab' von der Anschaffung beider abgelassen, dafür aber um so gerner beim Schwarzscheiben-Re-Release von Soundgarden's 'Badmotorfinger' zugegriffen. Und die lief dann prompt ziemlich oft hoch und runter, so wie früher die olle Kassette...
Andere, wie die seit ihrer unvergessenen napster-Protest-Aktion auch in echt zu bösen (grrrrr..!!!) Buben gestempelten Herren von Metallica, haben auf so Jubiläumskram verzichtet. Obwohl sich deren schwarzes Album - dem öden Ding, mit dem sie den so richtig großen Durchbruch hatten - als Wiederauflage mitsamt ungefähr 23 unnützen Bonusträcks bestimmt hervorragend hätte re-vermarkten lassen. Nein, die taten's nicht. Die haben lieber mit dem früheren Warhol-Kumpel... aber ich will nix vorweg nehmen. Außerdem kommen mir grade Zweifel, ob sich die hiesige Lesergemeinde hier so Allgemeinkram in die Augen saugen möchte oder stattdessen viel lieber aus meinem persönlichen, kleinen '11er Universum erzählt haben möchte. Nun gut, dann streng ich mal mein Schrumpfhirn an und - hier ist er:
Das nunmehr also frisch und auf Nimmer-kamm-bäck weg-gezäppte Jahr fing ziemlich gut an. Gleich im Januar kamen die Decemberists mit 'The King Is Dead', einer schön erfrischenden Folk-Pop-Platte, die im November auch noch durch eine nicht weniger hübsch klingende 10"-EP mit dem Titel "Long Live The King" Ergänzung erfuhr. Nur wenig später kam nach dieser muss-ich-jede-Platte-von-haben-Bänd ein Neuer in meinen Kosmos gerauscht: Greg Macpherson. Zunächst live bestaunt, um dann mit dem Album 'Disintegration Blues' so richtig bei mir einzuschlagen. Ein Hammer-Sänger, der Kanadier, einfach unbeschreiblich gut. Ebenfalls im Februar ließ Conor Oberst mit seinen Bright Eyes neues hören, 'The People's Key'. Auch ein sehr schönes Album, wie ich meine. Im Laufe des sommerlichen April begeisterte mich eine deutsche Bänd namens 206 mit ihrem Debut 'Republik der Heiserkeit', welche kurz danach im Slow Club auch live punkten konnten. Einen ganz großen Wurf landeten im selben Monat Motorpsycho mit ihrem 'Roadworks Vol. 4: Intrepid Skronk'. Eine Klasse Werkschau von Live-Darbeitungen aus den Jahren 2008 bis 2010. Phantastisch!!
Der Frühsommer hielt sehr schöne akustische Alben bereit. Zunächst 'Demolished Thoughts' von Thurston Moore, dem Sonic-Youth-Gitarristen, prima ergänzt von J. Mascis' deutlich konventioneller klingenden 'Several Shades Of Why'. Dinosaur Jr. im Songwriter-Stil. Richtig anders dagegen klingt Efrim Manuel Menuck, seines Zeichens Gitarrist der Post-Rock-Helden von Goodspeed You ! Black Emperor, auf seinem Solo-Debut 'High Gospel'. Hier sind viele Stile geschickt ineinander verwoben, so dass selbst bei den ruhigsten Stücken immer wieder Entdeckungen gemacht werden können. Und ehe es mir zuviel der ruhigen Sachen werden konnte, kamen wie gerufen Jello Biafra & The Guantanamo School Of Medicine mit der EP 'Enhanced Methods Of Questioning' um die Ecke; immer noch schnell, immer noch laut - and still angry!!
Ebenfalls aus dem Frühjahr, bei mir jedoch erst etwas verspätet im Sommer eingetroffen, stammen zwei echte Highlights des abgelaufenen Jahres: Mogwai mit 'Hardcore Will Never Die, But You Will'. Ein astreines, weit überwiegend wortloses Album, an welchem man sich kaum satt hören kann. Und des weiteren Danger Mouse & Danielle Luppi. Deren Album 'Rome' erinnert fast durchweg an den staubigen Soundträck eines Western und kann bei Hitze wie Kälte gleichsam begeistern. Mit 'take care' bescherten Explosions In The Sky ein feines Instrumentalalbum, noch dazu mit Multi-Klappcover-Verpackung in der Vinyl-Version. Weitaus fragwürdiger war da, trotz ebenfalls schöner Verpackung, der 'White Crosses / Black Crosses'-Output von Against Me!. Zwar sind auf diesem Triple-Album einige wirklich gute Alternativ-Versionen bereits bekannter Songs zu hören, auch so manch bislang unveröffentlichtes Kleinod ist zu finden, das ganze hätte man aber gerne etwas abgespeckt anbieten können. Das aktuelle Werk 'David Comes To Life' von Fucked Up, vorab vollmundig als Punk-Rock-Oper angepriesen, krankt leider ebenfalls an etwas übertriebener Ausdehnung, ansonsten hätte dies sicher ein gutes Album sein können. Jaja, hätte - würde - wäre - wenn - so what!? Mit deutlich mehr Freude konnte da das Live-Album 'Sugar Daddy Live' von King Buzzo's guten alten Melvins meine Ohren erquicken.
Auch der Herbst hatte so manch hochinteressante Veröffentlichung parat. Zum Beispiel 'The Whole Love' von den Kritiker-Lieblingen Wilco, wo bereits das Eröffnungsstück ein ganz großes ist. Oder Primus, die alten Zappel-Psychedeliker, mit dem sehr gelungenen 'Green Naugahyde'. Sehr geil auch das neue Album der belgischen dEUS. Mit 'Keep You Close' schufen sie eine richtig gute Platte. Allein die A-Seite hält ein paar Stücke bereit, von der manch andere Bänd nur träumen kann. So konnten sich Wilco, Primus und dEUS eine zeitlang schön auf meinem häuslichen Plattenteller abwechseln. Daneben legten Mogwai mit der 'Earth Division EP' noch einmal nach. Vier ruhige, atmosphärische Songs als Klasse-Nachschlag zum Album.
Auf nicht viel Gegenliebe bei Fäns wie Kritikern stießen Lou Reed & Metallica mit 'Lulu'.Und so richtig doll ist das Doppel-Album denn auch wirklich nicht. Doch hält es bei weitem nicht nur schlechte Momente parat - ich für meinen Teil hätte gerade Metallica nicht solch zeitweilige Experimentierfreude zugetraut. Damit stehen sie in meinen Ohren wesentlich besser da als mit ihrem langweiligen letzten Werk 'Death Magnetic'. Zum Beruhigen hiernach ist 'Between The Concrete And Clouds' von Kevin Devine sehr gut geeignet. Ein schön unspektakuläres, rundes Werk. Purer Zufall warf mir außerdem eine Platte namens 'The Sound Of His Own Voice' eines gewissen John Wesley Harding in die Hände. Hier gibt es so manches zu hören, was man als Songwriter-Pop mit hübschen Meldodien eines Sängers, der was zu erzählen hat bezeichnen könnte. The Black Keys wiederum wirbeln auf 'El Camino' mit garagig rockenden Hits und Ohrwürmern nur so umeinander. Sehr geil, diese von Brian Burton alias Danger Mouse produzierte Platte, die Anfang Dezember das Licht der Welt erblicken und auch sogleich meine kleine Sammlung erweitern durfte. Lustig übrigens auch die 12"-Single zum Album, bei welcher die Rille von innen nach außen läuft...
Und dann brach kurz vor Jahreswechsel Dan Mangan mit 'Oh Fortune' bei mir ein!! Waoh!! Sehr geile Platte, das!! Mit seinem Singer-Songerwriter-Folk-Pop, in den in in guten Dosen Orchestralität verwoben ist, hatte er sofort bei mir gewonnen. Im Schlepptau hatte dieser Einbrecher das neue Album der alteingesessenen EA80 mit 'Definitiv:Nein!' Ziemlich geile Platte, bei welcher sich mit jedem weiteren Durchlauf immer wieder was neues im Ohr festkrallt. Zwei echte Perlen, einmal sanft und einmal wütend, sind da also kurz vor knapp noch in die mittlerweile schon wieder volle Kiste gerutscht. Ein sehr schöner Abschluss im Reigen der diesjährigen Zugänge.
Doch nicht nur Neuveröffentlichungen waren es, die mir Beschäftigung boten. Daneben gab es noch weitere Entdeckungen zu machen. Georg Friedrich Händel's 'Belshazzar - Oratorium in drei Teilen', zum Beispiel. Eine nicht im Handel erhältliche Doppel-CD, aufgenommen in der Bonner Kreuzkirche, welche in barocker Musik gebadet die Geschichte eines alten, babylonischen Königs erzählt. Ein schönes Geschenk, das. Und dann kam auch endlich Woody Guthrie bei mir an, dieser ganz alte König der Songschreiber. Was hat der nicht für klasse Stücke geschrieben... Zur Entspannung bestens geeignet kann ich auch guten Gewissens die 'Symphonie Fantastique' von einem gewissen Herrn Berlioz empfehlen. Und schließlich war da noch Lead Belly, ein längst verstorbener Sänger und Könner, auf der 12-saitigen wie mit den Stimmbändern, der einem mit so manchem Stück immer wieder gespannt aufhorchen lässt. Nicht zuletzt diese vier Letztgenannten sorgten immer wieder für schöne Abwechslung beim Lauschen von kunstvoll geformten Schallwellen...
Selbstverständlich konnte mir, neben der physischen Tonträger (buäh, schon wieder so ein Pfui-Ausdruck...), auch das Konzert-Jahr 2011 so manch sehr schönen Abend bereiten. Einige davon sind dabei mit nicht weniger als ausgezeichnet zu betiteln. Zum Beispiel Old Seed's Auftritt Ende Januar im Slow Club. Und gleich am nächsten Abend im Swamp Greg Macpherson - hier wollte sich die Kinnlade kaum mehr hochklappen lassen. Ein Special-Bonbon des Konzertjahres bleibt der Ausflug nach Zürich zum dortigen Auftritt Anna Calvi's. Sehr geil auch wenige Tage später Woven Hand im Jazzhaus. Ein weiterer Kracher waren Les Savy Fav im Sommer im Great Räng Teng Teng bei ihrem quasi Geheim-Gig. Ebenfalls ein Highlight bescherten mir im Herbst Wilco, die ich in Basel bestaunen konnte. Das mich im frisch vergangenen Jahr wohl am meisten beeindruckende Live-Erlebnis dürften jedoch Ende Oktober die Melvins in Schorndorf gewesen sein. Was die Gitarrenfeedbäcks nicht an Hirnerweichung schafften, übernahmen einfach die beiden Drummer. Sehr, sehr geil!!
Es hat sich also auch in 2011 so einiges getan, das Leben im Fahrwasser des alltäglichen Wahnsinns immer wieder in hoffnungsvolles Bunt zu schmücken, die Seele über den Umweg durch die Ohren vom Stress-as-usual zu befreien oder diesen zumindest zeitweise in Urlaub zu schicken. So fällt es natürlich immens schwer, sich für DIE beste Platte und DEN besten Song und DAS beste Konzert zu entscheiden. Überhaupt, immer diese Entscheidungen; da gibt's ja wohl schon genut Arbeit mit, im Laufe von so zwölf Mondphasen. Deshalb lass ich das jetzt einfach mal komplett offen. Sucht's Euch selber aus - oder auch nicht - und überlasst die Tabellen am besten irgendwelchen Fach-Magazinen oder den Bundesliga-Tabellenrechnern...
Vielmehr als das möchte ich mich lieber noch bei all jenen bedanken, die immer mal wieder mit mir auf Konzerte gehen. Insbesondere, wenn die weiter weg sind und irgendjemand halt fahren und mich vielleicht sogar noch bei sich übernachten lassen muss. Cheers dafür!! Auch für die eine oder andere für mich organisierte Setliste geht hier nochmal ein Extra-Dank raus!! Rock it, Baby!! Und schließlich - last, aber ganz bestimmt not least!! - danke ich ergebenst meinen beiden gelegentlichen Gastschreibern Micha und Martin zur Bereicherung dieser meiner Kritzelseite. Und..., natürlich, ist doch klar - allerherzlichst!! - meinen treuen Leserinnen und Lesern, ohne die das hier nach wie vor alles nix bringen würde!!
Als kleines, materielles Danke an wenigstens manche von Euch, hab' ich übrigens einen exklusiven 11er-Mix zusammengestellt, von welchem ich gerne 3 Exemplare verlose. Ja, ihr habt richtig gelesen: ein Gewinnspiel gibt's zum Schluss für alle, die bis hier durchgehalten haben!! Und dabei muss noch nicht mal jemand was wissen - außer vielleicht seine Lieblingsplatte des vergangenen Jahres. Die sendet ihr mir einfach als E-mail (also jetzt nicht das ganze Scheibchen, nur halt den Titel und Interpreten in Worten) bis zum 7. Februar diesen Jahres mit dem Betreff "Mix haben will" - oder, besser noch: schreibt mir's ins Gästebuch!! Eine unabhängige Losfee wird dann über die Gewinner entscheiden!!
7.01.12
....und aber:
Beim Gewinnspiel ist der Rechtsweg selbstverständlich ausgeschlossen, über den Linksweg können wir uns dann schon gerne unterhalten... (falls bei irgendjemandem Bedarf vorhanden wäre...)