Jello Biafra And The Guantanamo School Of Medicine
1.09.10 Freiburg, Atlantik
Vollgetackert bis zu den Rändern war das Atlantik, als Jello Biafra sich mit seiner Guantanamo School Of Medicine dorthin begab. Diese Fülle wies denn auch das größte Manko des Abends auf: nachdem die supportenden Flimmer aus Hagen mit ihrem dreißigminütigen Scream-Noise-Hardcore-Set geendet hatten, drängten mehr und mehr erwartungsfrohe Menschen ins Lokal. Zu Beginn des Top-Acts konnte man zeitweise kaum mehr stehen, schwamm eher so auf der Stelle, hing mal dem Vordermann im Rücken, stand dann wieder an den Hintermann gelehnt, dazwischen nach der einen oder anderen Seite geschoben. So konnte ich mich über weite Strecken leider kaum von der Musik treiben lassen und hatte häufig den Eindruck, dass der fortwährend von der Bühne springende Funke bedauerlicherweise meist nicht ganz bis zu meinem Standort durchdringen konnte.
Schade, denn was die Legende und vier ihn umringende Musiker hören ließen, gefiel mir richtig gut. Die Klangfarben der Dead Kennedys schienen tief in den Sound Biafras - gerne als Jelvins betitelte - Kollaboration mit den Melvins getaucht. Dampf machendes Schlagzeug, erdig rollender Bass sowie fette Riffs fütterten Melodien singende Leadgitarren - eine rundum feine Sache, wie ich meine. Leider muss ich etwaige Setlisten-Fetischisten nun wohl enttäuschen, denn so vertraut bin ich mit dem Schaffen Jellos nicht, als dass ich gespielte Stücke bestimmt wiederzugeben vermag, sicher jedoch war das Gros der Songs dem aktuellen Album der durchweg guter Laune aufspielenden Herren entnommen (welche sich übrigens u. a. auch bei Faith No More oder der Victims Family beschäftigen). 'The Audacity Of Hype' herrschte also vor, angereichert mit dem einen oder anderen Jelvins-Song, wie z. B. dem reanimierten 'California Über Alles' und 'Enchanted Thoughtfist', dazu der DK-Klassiker 'Holidays In Cambodia' (um doch wenigstens drei Titel nennen zu können...). Während alldem stand - von sehr leisen Bäcking Vocals mal abgesehen - ein recht guter Sound zu Verfügung, bei welchem netterweise mehr Ohrenmerk auf Qualität denn Lautstärke lag.
Wie erwünscht lebte die Darbietung vordringlich von Gesang sowie energischem Gebahren des Sängers. Häufig untermalte dieser textliche Aussagen während gesangsfreier Passagen mimisch wie gestisch in Manier herrlich zappeliger Pantomime - wenn er nicht grade dem Tanz erliegend über die Bühne fegte oder sich gar gegen Ende der Show auf Publikums Händen durch den halben Raum tragen ließ. Selbstredend fehlten auch Begutachtungen sowohl amerikanischer wie auch globaler Politik nicht, denn seine stets vorhandene Wut gegenüber ihm unfair erscheinenden Missständen jeglicher Art scheinen Herrn Biafra nach wie vor anzutreiben, eigene Sichtweisen ebenso reflektiert wie überzeugend in Songs wie gelegentlichen Ansprachen kundzutun. Hierbei schien unentwegt deutlich, dass die aus charismatischer Kehle ertönenden Anliegen direkt der Seele des nunmehr 52jährigen entspringen - was ich auch nicht den leisesten Deut anders erwartet hätte...
Im Verstreichen der knapp neunzig Minuten samt Zugabenblöcken entspannte sich auch das Gedränge ein klein wenig; dank der Ventilatoren waren auch keine Äxte mehr nötig, die Luft im Raum zu teilen - so behielt zu guter Letzt doch noch die Freude Überhand, dem eindrücklichen Auftritt einer außergewöhnlichen Persönlichkeit beigewohnt haben zu dürfen.
4.09.10