Nachgerufen

 

 

Tja, so schnell kann es manchmal gehen: Eigentlich wollte ich mich an dieser Stelle einfach nur einreihen in den allgemeinen Chor der Lobpreisungen auf einen Mann, dessen Werk und Persönlichkeit bereits sehr früh – wie wahrscheinlich für viele andere Luftgitarren-Banger der ersten Stunde auch – meinen Kosmos maßgeblich zu beeinflussen verstand. Eigentlich....
Aber dann lief an diesem Montag Morgen im Januar in der Frühstückskneipe um die Ecke plötzlich ganz andere Musik und eine besorgte Nachfrage brachte schließlich Gewissheit.
Da verabschieden sich also im Abstand von gerade mal 14 Tagen zwei Künstler, die mich, nachdem ich ihre Musik kennengelernt hatte, nachhaltig geprägt haben (je nach Lebensabschnitt mal mehr, mal weniger) - und das muss man auch erst mal verdauen. Über genau diese Prägungen möchte ich hier schreiben. Sozusagen ein ziemlich privater Doppelnachruf auf zwei der letzten wahren Ikonen der Rockmusik:


Lemmy Kilmister und David Bowie


Gerade rotiert hier Hunky Dory, wahrscheinlich mein Lieblingsalbum von Bowie, und ich denke drüber nach, warum manche Musik offensichtlich über Jahrzehnte so viele Generationen immer wieder fasziniert, warum manche Persönlichkeiten über Genre-Grenzen und Geschmäcker hinweg derart geachtet werden.
Ehrlichkeit, Haltung, sein 'Ding' durchzuziehen, sowohl musikalisch als auch im Leben – das sind vielleicht die Zutaten, die den ungeteilten Respekt garantieren. Dafür gab und gibt es eben nicht sehr viele Beispiele. Und dann ist es egal, ob das mit der Rock-Kompromisslosigkeit eines Lemmy oder der immer wiederkehrenden eigenen Image-Infragestellung, der stetigen künstlerischen Neuerfindungspraxis eines Bowie geschieht. Beide waren darüber hinaus auch schlicht geniale Songschreiber, was insbesondere in Lemmy's Fall manchmal etwas unterzugehen droht.

Motörhead habe ich im Alter von gerade mal 13 Jahren entdeckt und es war eine Tür zur Great Wild World irgendwo da draußen. Orgasmatron war damals die beste Platte der Welt. Mit einem, dem wahrscheinlichst geilsten Cover überhaupt und dem bösesten Sound, den ich bis dato vernommen hatte. Seitdem war Lemmy immer da, Motörhead eine Konstante mit immer wieder genialen Alben wie 1916, Sacrifice oder The world is yöurs (von den frühen Klassikern On Parole, Overkill und natürlich Ace of Spades ganz zu schweigen). Irgendwann so um die Jahrtausendwende schnappte ich dann eine damals gerade erschienene Coverversion von God save the queen auf. Seitdem weiß ich, dass einzig Lemmy in der Lage war, diesen Song mit noch viel mehr Verachtung und arroganter Angepisstheit-Attitüde zu präsentieren als Johnny Rotten himself.
Mit Motörhead verbindet mich übrigens ein ziemlich unvergessliches Erlebnis: Mit einer meiner ersten Bands coverten wir damals Rock'n Roll vom gleichnamigen 87er Album (Merke: Nur Lemmy darf eine komplette Platte so nennen!) - nicht unbedingt ihr stärkstes Werk, übrigens. Aber bei irgendeinem Jugendhaus-Gig rasteten die Leute ab den ersten Akkorden tatsächlich total aus, inklusive wildem Gepoge und Gemoshe. Das erste wirkliche Hochgefühl in einem noch jungen Musikerleben!

 

Bowie kam später und irgendwie ganz anders: Mit meinen ersten Besuchen in Berlin-Friedrichshain so Mitte der 90er verbinde ich hauptsächlich zwei Alben: Eines davon hieß Low und war ziemlich anders als das, was ich bis dahin von David Bowie so kannte. Songs wie Always crashing in the same car oder Warszawa lassen hier für immer das Bild von Berlin im kalt-dunklen Winter, Ofenheizung, schrägen Bekanntschaften und obskuren Orten als Kulisse für obskure Dinge entstehen. Low war damals die ideale Platte zum Abhängen, Aufwachen, Versacken.
Auch Bowie war seitdem immer irgendwie präsent, aber in seinem Fall war und ist es deutlich spannender seinem Backkatalog nachzuspüren, als sich mit aktuelleren Veröffentlichungen auseinanderzusetzen. Am wichtigsten finde ich ihn heute in der Anfangszeit. Die Alben von Space Oddity bis Aladdin Sane decken eine einfach beeindruckende musikalische Bandbreite ab. Aber wie viel zeitloses Potential etwa in einem Klassiker wie Heroes steckt, habe ich z. B. erst richtig begriffen, als ich Philip Glass' minimalistisch inspirierte Orchesterversion dieses grandiosen Albums für mich entdeckte.
Ehrlich gesagt interessiert mich Bowie's Schaffen seit Scary Monsters von 1980 (noch?) nicht wirklich. Vielleicht abgesehen von dem immer noch ziemlich innovativ zu nennenden Earthling (1997). Aber selbst eine ziemlich scheußliche (wenn auch seine kommerziell wahrscheinlich erfolgreichste ) Veröffentlichung wie Let's Dance gehört auf gewisse Weise zum meinem akustischen Erbe der 80er Jahre.


Es fühlt sich irgendwie komisch an, dass da jetzt kein Lemmy und kein David Bowie mehr unter uns weilen sollen, auch wenn ich beide niemals livehaftig zu Gehör bekommen habe. Die waren halt einfach immer da, haben so viele überlebt, haben Generationen geprägt.

 


Rest in Peace, Dudes!!
Irgendwas wird ab jetzt für immer anders sein...

 

 

Martin, 27.01.16

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