Einar Stray Orchestra                   17.04.17 Freiburg, Waldsee


Ungewissheiten können ja mitunter übler sein als schlechte Neuigkeiten. Hin und wieder sind sie auch geradewegs mit einem gewissen Charme behaftet. Letzteres, gepaart mit ein paar Tropfen Irritation, spielt sich bei mir gerade ab: Soeben komme ich aus dem Waldsee und weiß nicht so recht, ob ich das dort gesehene Konzert gut fand oder nicht. Da könnte ich jetzt in die Endlosreflexionsschleife gehen und beispielsweise überlegen, wieviel es mit einem selbst, der aktuellen Stimmungslage oder einfach nur der allgemeinen Verfassung zu tun haben könnte - ob etwa anhaltende Desorientierung aufgrund von biorhythmisch noch nicht ganz zurechtgerückten Zeitverschiebungen mitspielen. Lieber als darüber erzähle ich dann aber doch von anderen Rhythmen - nämlich denen des norwegischen Quintetts um den Sänger und Pianisten Einar Stray, nach welchem das Einar Stray Orchestra benannt ist.

Die Vorbänd hatte bei meiner Ankunft die Bühne bereits verlassen, beim Eintreten in die Lokalität begann just das erste Stück der Bänd aus Oslo. Drei Männer und zwei Frauen waren auf der Bühne zugegen: In der Mitte der Namensgeber am Keyboard, rechts von ihm die Cellistin, nebst dieser die Violinistin und links hinter ihm der Bassmann, welcher wiederum den Schlagzeuger links neben sich hatte. Die Musik ist schwer zu beschreiben, ging häufig gut groovig los, um plötzlich mit unerwarteten Brüchen in Song und nicht selten auch Rhythmik aufzuwarten. Das Keyboard klang meist wie ein Klavier, manchmal auch etwas dem entfremdet, Geige und Cello ergänzten sich stets, die quasi Bank und das alles Zusammenhaltende waren Bass und Drums. Leider war ich von der Stimme des Sängers nicht so recht angetan, am ehesten gefiel mir noch, wenn er in tieferen Lagen mehr sprach als sang. Ansonsten fehlte mir bei ihm ein gewisses Etwas - mit Ausnahme vom ersten Stück der beiden Zugaben, als er sich ausschließlich selbst bei einem ruhigen Stück am Piano begleitete, während ihm die vier anderen Musiker*innen gekonnt mit ihren Stimmen den Rücken stärkten. Dies war denn auch eines der wenigen Stücke, die sich aus dem Gros der, wie Stray bald in einer Ansage erwähnte, überwiegend vom aktuellen, dritten Album 'Dear Bigotry' stammenden Songs abhob. Echte Dramaturgie ergab sich ansonsten noch beim letzten Stück des regulären Sets, was sich gegen Ende ordentlich steigerte und auch mal richtig laut und mit einer handvoll schräger Töne gespickt war.

Die meisten Songs schwankten in der Stimmung zwischen hier melancholisch und da versöhnlich klingenden Pop mit gelegentlich prägnanten Melodielinien und muteten mit ihren wiederkehrenden Brüchen wie Kurzformen von Prog-Pop-Songs mit dezent kammermusikalischem Ambiente an. Das war im mit geschätzt zweihundert Besuchern im etwa zur Hälfte gefüllten Raum schön zu hören und interessant anzusehen und zu beobachten, wurde trotz der einander durchaus ähnelnden Strukturen der Lieder auch nicht langweilig, so richtig rüberhüpfen konnte der Funke bei mir jedoch nicht. Möglicherweise haben mir auch ganz schlicht ein paar mehr Klänge von sechs Saiten gefehlt, von zwei oder drei Songs abgesehen, bei welcher der nerdig aussehende Sänger eine halb-akustische Gitarre statt Piano spielte. Auch schien mir die Stimmung im Publikum lange Zeit recht verhalten, wenn auch nicht schlecht; nach den gespielten Stücken wurde beinahe artig anmutend applaudiert, ohne dabei ein großes Maß an Begeisterung auf die Bühne zu schütten. Dabei schienen so manche der Anwesenden bereits vor zwei Jahren beim Auftritt des Quintetts - damals das Live-Debut der Geigerin in der Bänd, wie diese in einer Ansage recht charmant kundtat - dabei gewesen zu sein. Und nach dem regulären Set nach siebzig Minuten wurden denn auch Zugaben gefordert, die in Form zweier Stücke gegeben wurden, bevor sich die Bänd, die ihrerseits keinen unzufriedenen Eindruck hinterließ, verabschiedete und das Konzert nach gut achtzig Minuten endete.
Für mich war es somit ein schlicht unaufgeregter, recht interessanter und auch kurzweiliger Musikabend. Und das ist doch auch was Schönes an solch einem viel zu nasskalten Ostereiersuchmontag...

 

Die Setliste lautete im Übrigen wie folgt:
Last Lie / As Far / Gloss / Dear Bigotry / Chiaroscuro / Penny / 20.000 Nights / Somersaulting / Politricks / Thrashy / Caravelle / Pockets / Synthesis // Seen You Sin / Caressed


18.04.17

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