Am Sonntagabend radelte ich tatsächlich einigermaßen enttäuscht nach Hause, immer wieder mit meinem Begleiter darüber debattierend, woran dies wohl gelegen haben mochte. Ist die Bänd satt? War das Publikum müde? Ist diese den Schall schluckende Halle einfach nur scheiße? War ich an diesem Abend schlicht schlecht gelaunt? Waren meine Ansprüche und Erwartungen nach dem tollen Die Ärzte-Konzert vor einigen Jahren in der Stadthalle zu hoch? Ist die Bänd zum Tourauftakt noch nicht genug bei der Sache gewesen? No idea!!
Hochinteressant war in jedem Fall das Publikum: jung und alt, schick oder schäbig, gesetzt wie aufgesetzt, von brav nach rotzig - all diese nach ihrem Aussehen von mir frei interpretierten Charaktere trieben sich bunt gemischt in der hässlichen Arena herum. Nicht verwunderlich, schließlich hat diese Bänd seit Jahren und Jahrzehnten treue Fäns, kriegt immer wieder neue hinzu, bedient viele Geschmäcker mit (fast immer) gleich oder doch mindestens sehr ähnlich gestricken Songs. Die drei Berliner sind im Grunde reflektiert genug für vernünftige Ansichten zu kleinen und großen Themen, verstehen sich (eigentlich) ausgezeichnet auf Humor und (Selbst-)Ironie - doch leider waren an diesem drögen Sonntagabend ihre Sprüche und Kabbeleien untereinander und zum Publikum hin selten wirklich witzig; für meinen Geschmack gar eher flach, gelegentlich fast gezwungen wirkend. Mir besonders aufgesetzt erscheinend tat sich Schlagzeuger Bela B hervor. Man muss nicht nach jedem zweiten oder dritten Stück am vorderen Bühnenrand umher spazieren und niedrigklassige Scherz-Schmonzetten erzählen...
Manchmal herrschte zwischen den Stücken nach kurzem Applaus eine Stille, die anscheinend selbst die Bänd verwunderte, so dass dies gar mehr als einmal Thema auf der Bühne war. Sehr schade fand ich vor allem, dass zu keiner Zeit ein Funke von der Bühne zu mir überspringen wollte, ich ebenso wenig den Eindruck hatte, dass ich damit der Einzige war. Sicher gab es amüsante Momente, doch zu mehr als verhaltenem Schmunzeln konnten meine Züge leider nicht entgleiten. Nach etwa der Hälfte des Konzerts wechselten mein weitaus stärker begeisterter Begleiter und ich vom etwa mittigen hinteren Hallendrittel in ins vordere Drittel nach außen, was den Vorteil hatte, dass man hier etwas näher am Bühnengeschehen war. An der klanglichen Qualität konnte dies leider nichts ändern. Nach wie vor war der Gesamtsound ein matter Brei tiefer Töne, man konnte recht wenig von der Gitarre hören (außer bei gelegentlich stark nach vorn gemischten Soli), auch einem Basslauf zu folgen war zu kaum einer Zeit möglich, ebenso wenig kamen irgendwelche Becken zu akustischen Ehren. Relativ dumpf, beinahe seelenlos anmutend verlief sich der Sound im Raum; schade um die teure Technik...
Nun gut, niemand hat wahrscheinlich Lust, einen Verriss zu lesen - und ich keine Lust, einen zu schreiben. So hatten sich die Berliner visuell ein paar schöne Projektionen einfallen lassen, wie zum Beispiel Animationen sich drehender Vinyl-Platten, was durchaus positive optische Momente bereit halten konnte, insbesondere aus dem seitlichen Blickwinkel unterstrich die Lightshow immer wieder schön das Bühnengeschehen. Erwähnenswert auch, dass der Gesang der drei ganz ordentlich abgemischt war, man somit den immer wieder kreativen Texten recht gut folgen konnte. Mit ihrem wohl größten Hit "Schrei nach Liebe" beendeten Die Ärzte nach annähernd drei Stunden und drei Zugabeblöcken das Konzert. Leider hat mir dann schon noch der eine oder andere ganz große Hit gefehlt, was aber andererseits auch wieder egal war, denn bei keinem Stück, auch nicht dem (eigentlich) geilen "Unrockbar" oder erwähntem Hit sprang mich wie erwähnt ein Funke an...
Abschließend würde ich mal sagen, dass Farin Urlaub, Bela B und Rod Gonzalez ihre Sache sicherlich nicht ganz schlecht gemacht haben; ein wenig uninspiriert vielleicht, dafür etwas zu routiniert. Bestimmt hatten viele der großen Fäns ihren Spaß, bei vielen Stücken wurde permanent irgendwo mitgesungen, hier und da tanzten auch mal ein paar Leute, im Bereich ganz vorne war bestimmt gut was los. Trotzdem muss ich leider sagen, dass ich mich große Teile des Abends ein wenig gelangweilt habe und zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiß, ob ich Die Ärzte je wieder live sehen möchte oder auch diese Halle je wieder betreten möchte. Und - ich hasse große Konzerte...
15.10.12
Setliste: Wir sind die Besten / Blumen / Tamagotchi / 2000 Mädchen / Angeber / Deine Schuld / Gib mir Zeit / Geld / Heulerei / Motherfucker 666 / Geisterhaus / 1/2 Lovesong / Miststück / Sweet Sweet Gwendoline / No Future / Ein Sommer nur für mich / Mysteryland / Für immer / Für uns / Angekumpelt / Die ewige Maitresse / Schunder-Song / Außerirdische / Bettmagnet / Fiasko / Ignorama / Wie es geht / Hurra / ZeiDverschwÄndung // TCR / Quark / Kamelralley // Junge / Unrockbar / Manchmal haben Frauen ... // Ist das noch Punkrock? / Lied vom Scheitern / Schrei nach Liebe