Wenn einer in London in den Zug steigt und - sagen wir mal - ins von sanft geschwungenen Odenwaldhügeln umschlungene Michelstadt fährt, kann das möglicherweise einen Kulturschock mittleren Maßes bedeuten. Hier die urbane Metropole mit Weltruf - ou-ha!! London, jaa ja!! - dort ein beschauliches - wat mein'Se statt? - Kleinststädtchen. Ein echter Unterschied in diversen Belangen. Allerdings sind solche Kulturschocks in dieser Richtung häufig weit weniger anstrengend als umgekehrt. Somit denn höchst angenehm empfand ich nach meinem sonntäglichen Ausflug in die Rothaus-Arena das montägliche Betreten des Slow Club. Smells like Home-coming, kann ich da nur sagen, oder feels like Wohnzimmer...
An diesem Abend spielte hier eine Bänd auf, deren Beschreibung ich zwar kürzlich gelesen hatte, im Gedächtnis hatten sich hiernach jedoch just zwei Worte festgesetzt: hoch interessant. Ansonsten war dies ein quasi Blind Date meinerseits. Und vorweg: ich wurde auf keiner Linie enttäuscht!! Nachdem der rote Vorhang langsam zur Seite geschoben und die Bühne freigelegt war, folgte ein achtzig Minuten anhaltendes Feuerwerk. Ungebändigter Groove riss einem mit wie die Dreisam bei Hochwasser, doch gewährten Coogans Bluff im Gegensatz zu gelegentlich überbordenden Flüsschen immer wieder zur rechten Zeit ruhige, viel klangliche Intensität versprühende Passagen.
Geerdet rollender Bass und wuchtiger Schlagzeugsound trieben unermüdlich an, eine Posaune sowie ein Saxophon übernahmen melodiöse und erzählende Anteile, die Gitarre untermalte das Ganze mal trocken Stoner-like rockend oder unter psychedelischem Hall mitredend - je nach Bedarf. Die Stücke waren häufig als vorwiegend instrumentale Epen aufgebaut, vereinzelt gab es immer mal wieder kraftvollen Lead-Gesang seitens des Bassisten, hin und wieder, in Pausen der Bläser, flochten jene auch mal sanfte vokale Chöre ein. Die Bänd brachte das Kunststück fertig, gepflegt mit dem Gaspedal zu spielen, immer wieder zu überraschen und anstatt ein Stück zu beenden noch einen draufzusetzen - oder umgekehrt. Es war wahre Freude für Körper und Geist, sich entweder vom Sound durchschütteln zu lassen oder sich bei geschlossenem Guck-Organ das Hirn weich wiegen zu lassen - einfach geil!!
Ansagen gab es nur sporadisch, die sympathischen Musiker ließen viel lieber ihre Instrumente sprechen. So gab es auf beiden Seiten der Bühne jede Menge offensichtlichen Spaßes, nicht nur meinetwegen hätten es gerne mehr als eine Zugabe sein dürfen; andererseits soll es ja Vorteile haben, wenn man geht, wenn es grade am Besten ist. Obwohl Coogans Bluff, die nach eigener Aussage das Repertoire einschränken mussten, da sie einen hauptamtlichen Sänger haben, der aber leider wegen Krankheit ausgefallen war, hat absolut nix gefehlt - und damit stand ich keineswegs alleine, als ich einige Zeit nach Konzertende ging...
19.10.12