Tool |
5.12.06 Stuttgart, Porsche Arena |
Liebe Freunde des geschriebenen Wortes, heute möchte ich darüber berichten, wie ein seit langem gehegter Traum nun endlich seine Erfüllung fand: ich war beim Tool-Konzert!!
Als im Mai das neue Album dieser großartigen Bänd erschienen war, und sie kurz darauf drei oder vier Auftritte in Deutschland gegeben hatten, dachte ich, dass es das nun wieder gewesen wäre für die nächsten fünf Jahre oder so. Doch auf wundersame Weise schlug die CD voll in den Charts ein, so dass die vier eigenwilligen Künstler aus L.A. sich erstmals auf eine größere Europa-Tournee begaben, und nicht mehr ausschließlich ein paar wenige Großstädte besuchten, die recht weit von meiner Heimstatt entfernt liegen. So begab ich mich zusammen mit einem ebenso langjährigen wie heißen Verehrer dieser Bänd am Vorabend des Nikolaustages auf den Weg nach Stuttgart, um mich endlich von der Live-Tauglichkeit dieser unschubladisierbaren Musik zu überzeugen.
Zur Abwechslung trafen wir pünktlich, bereits vor Beginn der Vorbänd am Ort des Geschehens ein. Allerdings wäre dies nicht notwendig gewesen, die vier oder fünf Jungs namens Mastodon spielten einfach nur einen Knüppel-aus-dem-Sack-Metal, wie ihn kein Mensch braucht. So versorgten wir uns gemütlich mit Essen und Trinken und betrieben noch etwas Konversation, bis sie die Bühne verließen und nach dem Umbau dem Top-Äct dieselbe überlassen sollte.
Endlich war es so weit, das Saallicht ging aus, Tool betraten die Bühne.
Sie begannen ihr Set für mich überraschend mit "Stinkfist", dem Opener des vorletzten, bereits zehn Jahre alten Albums "AENIMA". Die Bänd stand etwa in einer Reihe über die ganze Länge der Bühne, ganz links der Gitarrist mit seinem Equipment, daneben der Sänger, in schlichten blauen Jeans, Oberkörper frei, frisiert mit einem Irokesenschnitt, über dem Gesicht eine etwas befremdlich wirkende Maske, in welche das Mikrophon integriert war; diese beiden bedienten gelegentlich auch ein Keyboard. Daneben, in gebührendem Abstand, saß der Drummer hinter seinem Drumkit, ganz rechts -- alles natürlich vom Publikum aus gesehen -- der Basser. Es war schweinelaut, was zu Anfang auf Kosten des Sounds ging, der erstmal recht verzerrt und sehr übersteuert rüberkam, was sich aber nach nicht allzu langer Zeit ändern sollte, nach einigen wenigen Songs sogar zu einem mitunter glasklaren, praktisch perfekten akustischen Erlebnis steigern konnte.
Hinter den Musikern waren -- natürlich -- vier Leinwände angebracht, auf denen durchweg Animationen zur visuellen Ergänzung der Gesamterscheinung der Show dargeboten wurden und sich der bekanntermaßen exzentrische Frontmann Maynard James Keenan mit insgesamt eher zurückhaltenden Gebärden in Szene zu setzen wusste. Die Projektionen boten wahrscheinlich alle heute technischen Möglichkeiten auf, zeigten z. T. aus dem Artwork der CDs bekannte Bilder, z.T. recht widerliche, apokalyptisch anmutende, entfremdete menschliche Bilder, bis hin zu schlichtem Spiel mit Farben und vorbeiziehenden Wolken, letzeres besonders beim epischen Titelsong des aktuellen Albums beeindruckend unterstützt durch grüne Laserstrahlen, in deren Bahnen dezent Rauch geblasen wurde, was wiederum etwa bis zur Hälfte der Halle den Eindruck von realen Wolken entstehen ließ. Es war alles in allem nahezu perfekt inszeniert, doch glücklicherweise bei weitem nicht übertrieben. So schafften sie es mit Leichtigkeit selbst mich, der ich im Grunde kein Liebhaber irgendwelcher von der Musik ablenkenden optischen Eindrücken bin, ziemlich bald restlos vom Gesamteindruck der Performance zu überzeugen. Nach dem zweiten Song, "Forty Six & 2", ebenfalls vom zweiten Album, war eine Zuwendung des Sängers zum Publikum zu vernehmen: "Good evening". Oh, es spricht zu uns, dachte ich fast überrascht. Es sollte lange dauern, bis die nächsten Worte durch die Maske den Weg in die Hörmuscheln des geneigten Publikums finden sollten.
Wenn ich mich nicht irre, setzte sich die Setlist fort wie folgt:
"Jambi", "Schism" von der letzten CD "Lateralus" (hier ist anzumerken, dass sich die Befürchtung, die ich kurzzeitig hatte, ihre durchweg komplexen Stücke könnten mehr oder weniger wie von CD bekannt gespielt werden, nicht bestätigte; grade beim Mittelteil dieses Songs zeigten sich die durchweg begnadeten Musiker einmal mehr kreativ, indem sie den an dieser Stelle sehr sphärischen Klängen einen heftigst rockenden Part voranschickten), "Lost Keys (Blame Hofmann)", "Rosetta Stoned" und "Swamp Song", dem einzigen Lied vom ersten Longplayer "Undertow". Damit war bereits eine Stunde vergangen und das reguläre Set beendet. Herr Keenan nahm kurz die Maske ab, die vierköpfige Bänd setzte sich auf die Bühne und ließ sich ein paar Minuten feiern, bevor der fünfundvierzigminütige Zugabenteil mit "Wings for Marie (pt. I)" und dem Titelsong des wie bereits oben erwähnt vor einem halben Jahr veröffentlichten Album "10000 Days" beginnen sollte. Danach folgten "Lateralis", "Vicarious", der grandiose Opener der aktuellen Scheibe und zum großartigen Abschluss eines nicht weniger als genialen Konzerts -- einen Bogen zum Beginn spannend -- "Aenema", vom gleichnamigen zweiten Album.
Der Maestro am Mikro bedankte sich, richtete noch ein paar Worte an das Publikum, unter anderem seine Freude darauf, nächsten Sommer wiederzukommen, die Musiker verließen die Bühne und die durchweg glücklich aussehenden Besucher die Halle. So machten auch mein äußerst liebenswürdiger Begleiter und ich uns umgehend auf den Heimweg, im sicheren Gefühl, ein Konzertereignis erlebt zu haben, an das wir uns noch lange Zeit erinnern würden.
Anmerkung des Autors:
Für die Richtigkeit der Setlist übernehme ich selbstverständlich keine Gewähr, zumal viele Songs dieser unglaublich guten Bänd auf CD durch den vorhergehenden Träck eingeleitet werden. Möglicherweise wurde das eine oder andere dieser "Intermezzos" live an anderer Stelle eingebaut oder ich habe es als solches schlicht nicht erkannt. Ich kann jedoch versichern, dass ich mir alle Mühe gegeben habe, hier alles nach bestem Wissen und Gewissen und meinem Erinnerungsvermögen vertrauend, so wiederzugeben, wie es war bzw. wie ich es subjektiv erlebt habe.