STRIP ME NAKED

4.04.09 Berlin, Cortina Bob

 

Wenn draußen das Wetter besser wird, bis es so gut ist, dass man sich wieder mit ohne dick eingepackt raus trauen kann, dann kommen die Menschen aus sämtlichen Löchern gekrochen als hätte man sie ausgeräuchert. Sie verschlingen die wärmenden Sonnenstrahlen mit ihrer Haut genauso gierig wie das ausgehungerte Raubtier den frisch erlegten Paarhufer – und sind plötzlich alle schrecklich gut gelaunt. Exakt so geschah es an diesem ersten Aprilsamstag. Meine Unwichtigkeit in diesem System hatte natürlich wichtigeres zu tun, als träge mit etwas Lektüre in irgendwelchen Parks rumzufläzen und dabei den Leuchtball am blauen Himmel glücklich-debil anzulächeln. Nach einem kurzen Spaziergang zum Bahnhof ließ ich mich an diesem zugegeben herrlichen Samstagvormittag sogleich von einem Hochgeschwindigkeits-zug der Bahn verschlucken, der mich erst wieder in der Hauptstadt ausspucken sollte.


Sinn und Zweck dieser Reise war – wer hätte es gedacht? – ein Konzertbesuch!! Allerdings sei zu erwähnen, dass mitnichten ein eher gewöhnlicher Auftritt einer grade tourenden Bänd anstand, sondern vielmehr das immer wieder freudige Ereignis einer CD-Release-Party. Und in diesem speziellen Falle handelte es sich gar um eine mit literweise Herzblut durchtränkte Erstveröffentlichung, nämlich die der Berliner Combo Strip Me Naked. Das Quartett hatte in eine hübsche kleine Lokalität in der Wiener Straße eingeladen, die ich nach kurzer Odyssee durch Kreuzberg wider Erwarten ordentlich pünktlich und nur wenige Minuten vor dem Aufspielen der Vorbänd erreichen konnte.

Gleich zu sechst drängten sich die Comedian Pharmacists auf der kleinen Bühne des Cortina Bob; schlagzeugerlos scharten sich die Männer an Kontrabass, akustischer Gitarre, Geige, Mandoline und Banjo um ihren Sänger, der auch mit Künsten an der Mundharmonika nicht geizte. Knappe vierzig Minuten lang unterhielten sie mit folkig-bluesig-country-esk-eigenwilligem Sound, getragen von charismatischem Gesang, welcher dabei glänzend ergänzt wurde durch die tiefen, vollen Bäckground-Vocals des Gitarristen namens Tom Lee Who. Zugaberufe der gut sechzig Anwesenden erhörte die sich aus fast schon aller Herren Länder zusammensetzende und in der ehemals geteilten Stadt sesshaften Bänd allerdings nicht, wollten sie doch alsbald die Bühne freigeben für die unbestrittenen Hauptpersonen dieses Abends.

Deren Auftakt verpasste ich glatt, da ich mich aus triftigen Gründen kurzzeitig andernorts befand, doch sollte das Konzert lange genug dauern, sich ein ausgiebiges Bild der dargebotenen Musik zu machen, welche von den Protagonisten schlicht als Rock´n´Roll bezeichnet wird. Zugegeben, es fällt mir nicht leicht, den Stil der erst seit kurzem in dieser Besetzung zusammen spielenden Bänd zu beschreiben. Am ehesten würde ich das Gehörte als zeitlose, handgemachte Rockmusik bezeichnen, mal kraftvoll mit 2 verzerrten E-Gitarren garagig nach vorn rockend, mal mit angezogener Handbremse kleine Songperlen mit hübschen Melodien aus dem Ärmel schüttelnd. Auch die eine oder andere Ballade fehlte nicht, für welche Frontmann Robert flugs die elektrische gegen eine akustische Gitarre eintauschte, sitzend vom Barhocker aus seinen nicht selten melancholisch angehauchten, hier mal klaren, dort mal kratzigen Gesang durch den schlauchartigen Raum schickte, während hinter ihm fast unscheinbar Fedor taktsicher, solide und angenehm unspektakulär die Batterie bediente. Obwohl der Sound insgesamt recht gut war, hätte den Drums für meine Ohren ein wenig mehr Lautstärke gut getan. Aber immer noch weit besser so herum, als wenn das Schlagzeug alles niedermetzelt…
Sehr gut gefielen mir sowohl Spiel als auch Sound des „Neuen“ in der Bänd: Roberto an der Lead-Gitarre, der bereits einen Song aus seinem Fundus beisteuern konnte und dem für meinen Geschmack gelegentlich gerne etwas mehr Spielraum beim Solieren hätte zustehen dürfen. Den Groove seit dem Tragen der Kinderschuhe offenbar mit Löffeln gefressen hat Martin, der Bassist, von dessen unaufdringlichem, warm rollenden Sound ich ziemlich angetan war, während er selbst beim Musizieren häufig einen herrlich der Welt entrückten Gesichtsausdruck zur Schau trug. Daneben wusste dieser zudem als Bäckground-Sänger mit klarem, eher weichen Timbre den Lead-Gesang ausgezeichnet zu ergänzen.
Selbstredend dürfen an einem solchen Abend die Gäste auf der Bühne nicht fehlen, besonders dann, wenn diese auch auf der Platte zu hören sind. So wurde nach etwa 5 oder 6 Stücken zunächst Boris auf die Bühne geholt, der per Keyboard das musikalische Spektrum zu erweitern wusste, etwas später stieß noch Charlie an der Querflöte hinzu, um einigen Songs einen doch recht speziellen Charakter einzuhauchen.
Nach knapp 80 Minuten, in deren Verlauf sich die Bänd kontinuierlich steigern konnte, war das reguläre Set zu Ende. Die verschwitzten Musiker nahmen sich eine kurze, wohlverdiente Pause und ließen sich zu recht ein wenig feiern, um danach noch weitere gut fünfzehn Minuten ihrer im positivsten Sinne absolut trendresistenten Musik dran zu hängen, bevor auch sie sich unter die bereits seit geraumer Zeit feiernden Menschen begeben durften.
Ein dickes „Hooka Hey“ von hier aus nach Berlin und hoffentlich bald mal wieder!! Bis dahin werd ich mich wohl mit der – übrigens gleich deren Release-Party – rundum gelungenen CD begnügen müssen, die sich in meinem Player so ein bisschen festgetackert zu haben scheint.

Als kleine Anekdote am Rande sei abschließend noch zu berichten, dass der Drummer, nachdem er bereits eine Weile zuvor kundgetan hatte, dass bei ihm Biermangel herrsche, kurz davor war, seinen Platz mit den trockenen Worten „also ich geh mir jetzt n Bier holen“ zu verlassen, was der aufmerksame Basser jedoch im letzten Moment zu verhindern wusste, indem er ihm spontan sein eigenes opferte…


(www.myspace.com/stripmenakedberlin)

 

 

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