Robert Forster |
4.10.08 Berlin, Passionskirche |
Am frühen Samstagabend begaben wir uns zur Abwechslung mal in den angrenzenden Westteil der ehemals geteilten Stadt, nach Kreuzberg. Dort nämlich sollte Robert Forster mit seiner Bänd zugange sein, der nach dem Ableben seines Freundes und früheren Go-Betweens-Kollegen Grant McLennan vor zweieinhalb Jahren die erwähnte Bänd für aufgelöst erklärte und nun wieder ein Soloalbum veröffentlicht hat.
Nachdem ich die leider verblichene Bänd bei ihrer letzten Tour noch im Freiburger Jazzhaus begutachten durfte, stand nun der Besuch einer besonders ausgefallenen Lokalität für den Songwriter-Pop des charmant-kauzigen, sehr britisch wirkenden Australiers auf dem Plan: die Passionskirche. Diese evangelische Kirche, die Anfang des Jahres ihren hundertsten Geburtstag feierte, wird nicht nur für Gottesdienste der dortigen Kiez-Kirchengemeinde genutzt, sondern auch für weltlich-kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Vorträge, Ausstellungen und eben Konzerte. Letztere meist aus dem klassischen oder Jazzbereich, aber auch Popmusik gibt’s immer wieder gerne.
Wir betraten das Geschehen, als es bereits begonnen hatte. Etwa fünfhundert Menschen dürften anwesend gewesen sein, überwiegend gesetzteres Publikum, nicht wenige gar in schicker Abendausgehgarderobe, so dass ich mich mit meiner alten Jeansjacke fast etwas under-dressed gefühlt hätte, wären wir nicht auf einem Popkonzert gewesen.
Herr Forster stand bereits alleine mit akustischer Gitarre auf der Bühne – d. h. an dem Platz, der sonst für den Altar reserviert ist – und gab ein paar Songs zum Besten. Nach und nach holte er ein weiteres Mitglied der Bänd auf die Bühne, bis das Quartett komplett war. Zunächst schien er den Bass zu vermissen und rief seine Bassistin zu sich, von deren Spiel sich übrigens mein fachkundiger Begleiter recht angetan zeigte, dann folgte zur Unterstützung ein nicht minder filigraner Spieler einer weiteren Gitarre, der zeitweise auch noch einen Job am Keyboard hatte. Zuletzt stieß auf den Ruf des Chefs der Schlagzeuger, nebenbei erwähnt mit einundzwanzig Jahren das jüngste Bändmitglied, hinzu. Und kaum dass alle auf der Bühne vereint waren, ein paar hübsche Songs in nach wie vor exorbitant ausgezeichneter Akustik zum Besten gegeben hatten, gab es eine kleine Pause.
Nach knappen fünfzehn Minuten setzte das Kollektiv – nun durchweg in Viererbesetzung – die musikalische Reise, deren Songs wie den Ansagen Forsters zu entnehmen war, offenkundig durch die ganze Karriere des Schaffens des Musikers führten, fort. Beim Großteil der Lieder überwog die Instrumentierung mit zwei akustischen Gitarren, nicht selten kam auch eine clean gespielte elektrische zum Einsatz, ebenso ein Keyboard. Gegen Ende des zweiten Sets wechselten sich insbesondere Schlagzeuger und Solo-Gitarrist hin und wieder an ihren angestammten Instrumenten ab und bewiesen unumstößlich Multimusikalität. Herr Forster und seine Leute schienen auch selbst durchaus auf ihre Kosten zu kommen, mit fortschreitender Konzertdauer ließ sich der Chef immer mal wieder zu einem eigenwilligen, sehr panatomimisch geprägten Tänzchen hinreißen. Very charming, wie ich fand.
So wurden wir, unterbrochen von Zeit zu Zeit durch eine eingeschobene Anekdote aus dem Leben des einundfünfzigjährigen Künstlers und das entsprechende Stück Musik dazu, durch einen sehr unterhaltsamen Abend feinsten Singer/Songwriter-Pops gelotst, bis nach gut zwei Stunden (die Pause in der Schätzung nicht mitgerechnet) und drei Zugabeblöcken die Bänd die Bühne, an deren Stelle üblicherweise ein Priester seine Predigten zu halten pflegt, für diesen Abend endgültig verließ, gedämpft gefeiert vom ehrfüchtig begeisterten Publikum.
Dem zur Folge verließen denn auch mein Kompagnon und ich das Kirchengebäude in sicherer Gewissheit, einem Konzert der besonderen Art beigewohnt zu haben, und verdrückten uns – selbst noch mit einem guten Schwung Ehrfurcht im Nacken – wieder gen Osten.