Sonic Youth |
21.10.09 Berlin, Columbiahalle |
Irgendwie tut's immer noch ein wenig weh. Normalerweise ärgert man sich über eher mittelmäßige Live-Darbietungen und geht dann möglichst schnell zur Tagesordnung über, auch oder vielleicht gerade dann, wenn man sich mit eigentlich überhohen Erwartungen auf den Weg dorthin begeben hatte. Bei Sonic Youth und ihrem diesjährigen Berliner Konzert lag die Sache etwas anders. Kaum eine andere Veranstaltung, auf die ich mich seit so langer Zeit gefreut hatte, im Hinterkopf immer noch dieser schier unglaubliche Ritt im Postbahnhof des Jahres 2006, der für mich eindeutig zu den besten und denkwürdigsten Konzerten meines bisherigen Lebens zählt (habe tatsächlich weder vorher noch nachher ein derart enthusiastisches Hauptsstadtpublikum erlebt, das bei bereits eingeschaltetem Saal-Licht die Band dermaßen abfeierte, bis diese schon in Jogginganzügen und Bademänteln die Bühne entern mussten).
Um es gleich mal auf den Punkt zu bringen: Sonic Youth zeigten an diesem Abend das glatte Gegenteil von Spielfreude, korrespondierten allerdings darin hervorragend mit den offensichtlich kollektiv dem Valiumrausch verfallenen übrigen Anwesenden in der seit Wochen ausverkauften Columbiahalle.
Besagter Veranstaltungsort war für mich schon immer eine zweischneidige Sache: Entweder die Konzerte dort waren schlicht grandios (Paul Weller!, Patti Smith!!) oder richtige Reinfälle (Muse, Nine Inch Nails) mit bräsigem Publikum, lauem Sound und lahmer Performance. Dazwischen gab's wenig. Die New Yorker Noise-Institution reihte sich leider in die letztere Tradition ein.
Dabei wurden so einige tolle ältere Stücke wieder ausgegraben, auch wenn sich in diesem Punkt wohl bis in alle Ewigkeit zwei unversöhnliche Parteien von Konzertgängern gegenüberstehen werden: Die einen wollen immer wieder die großen Hits hören, am liebsten also nochmal 'Daydream Nation' komplett wie im letzten Jahr, die anderen erwarten von einer Band mit einem derartigen Backkatalog zwischendurch auch mal ein paar Überraschungen.
Ich jedenfalls hab mich gefreut, eben kein Best-of-Programm geboten zu bekommen. Statt 'Teenage Riot' oder 'Dirty Boots' gab's z.B. das großartige und wenig gespielte 'Stereo Sanctity' vom nicht minder großartigen 'Sister'-Album, sowie als letzte Zugaben einen Doppelschlag aus der Frühphase: 'Shadow of a Doubt' und 'Death Valley 69' haben mich in ihrem schrägen Glanz dann schon fast wieder mit dieser müden Truppe auf der Bühne versöhnt.
Der eindeutige Schwerpunkt lag allerdings auf den Songs vom neuen Album 'The Eternal', das man fast komplett durchspielte (11 von 12 Songs, wenn ich richtig gezählt habe), aber bis auf das abschließende 'Massage the History', eindeutig DAS herausragende Stück auf der Scheibe, konnten die an diesem Abend alle nicht wirklich kicken.
Da muss man der gegnerischen Partei dann doch in einem Punkt Recht geben: Ist es wirklich so geschickt, fast nur neues Material zu spielen? Mit ihrem letzten Studiowerk 'Rather Ripped' und der dazugehörigen Tour hat das angesichts des weitgefächerten Songwritings dieser Platte noch gut funktioniert. Dieser Abwechslungsreichtum fehlt den neuen Stücken - obwohl immer noch deutlichst über dem Niveau fast sämtlicher Veröffentlichungen des laufenden Jahres - leider eindeutig.
Überhaupt nicht anfreunden konnte ich mich auch mit der Tatsache, dass Stil-Ikone Kim Gordon, eindeutig die Queen of Coolness schlechthin, nun fast komplett ihr Bass-Spiel ausgelagert zu haben scheint. Das war zwar schon auf den letzten Touren über weite Strecken der Fall, aber damals meinte sie noch nicht, mit dritter Gitarre den SY-Sound 'veredeln' zu müssen. Merke: Der E-Bass ist ein güldenes Instrument und davon kann man gar nicht genug in einer Band haben! Ein sechssaitiger Tripple ist in 99% aller Fälle allerdings ein absolutes 'Don't-do-this', wie man auf Neudeutsch so schön zu sagen pflegt.
Selbst der gute Lee Ronaldo, für mich einer der Musiker mit der sympathischsten Bühnenausstrahlung überhaupt, wirkte bei alldem merkwürdig schlaff. Das Genie der Band blitzte an diesem Abend zwar immer mal wieder kurz auf, aber zu einem alles überstrahlenden Leuchten hat's leider nicht gereicht.
(von Martin, 2.11.09)