Im Dreck gewühlt |
13.10.09 Berlin, Frannz-Club |
Man kann es eine Gabe oder Ergebnis langer Arbeit nennen: Manche Bands sind in der Lage einen Sound zu schaffen, der auch abseits von irgendwelchen drogeninduzierten Psycho-Trips bestimmte Sinne aktivieren, greifbare Assoziationen erzeugen kann. Bei Hugo Race ist es seit über zwei Jahrzehnten dieses lehmfarbene Braun, das man sich zu Hause dann erstmal wieder unter den Fingernägeln wegkratzen darf. Die True Spirits durchpflügen ihr abgedrehtes Blues-Erdreich immer noch mit der ihr eigenen stoischen Coolness und abgeklärten Eleganz, es macht immer noch Spaß, dem seltsam genialen Schlagzeugspiel von Chris Hughes zu folgen (gerne auch mit Maraca und Besen statt der bewährten Holzknüppel) und dieses Kreisen um einen Groove zu beobachten, über dem sich die Songs von Mastermind Race so brillant unaufgeregt ausbreiten können.
Woran mag es aber wohl liegen, dass sich gerade mal ungefähr 150 Nasen (vorwiegend schon etwas älter als 30) im Frannz-Club verirren und auch ansonsten auf der laufenden Tour eher die kleineren Läden bespielt werden? Wahrscheinlich wohl kaum an der Qualität des letzten Albums '53rd State'. Dieses zählt mit zu den besten Veröffentlichungen der True Spirit und klang live deutlich rauher, organischer als auf Konserve. Außerdem hat Hugo Race mittlerweile in weiten Teilen Deutschlands einen quasi unantastbaren Status erreicht, der sich eben nicht mehr allein aus der ehemaligen Gründungsmitgliedschaft der Bad Seeds oder Birthday Party speist. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Problem bei den Akteuren selbst zu suchen ist.
Mr. Race hat sich eben mittlerweile seinen eigenen Kosmos geschaffen, arbeitet mit langjährigen Freunden und Kollegen. Selbst das Vorprogramm mit Marta Collica, die später den Zugaben-Block mit ihrer betörende Stimme veredelte, und dem Ein-Mann-Klampfer Hellhound Brown wird aus diesem Dunstkreis bestritten. Ein bisschen mehr von dem neumodischen Zeug was sich P.R. und Promotion nennt und man hätte vielleicht den Laden voll bekommen. Aber wer kann schon in das Hirn dieses eigenwilligen Künstlers blicken? Die True Spirits sind ja auch nur eines seiner schier unüberschaubaren Projekte.
Für die Herren auf der Bühne ist das offensichtlich kein Thema, an das es sich lohnen würde allzu viele Gedanken zu verschwenden. Schließlich hat man ja eine Mission: Die Rettung der Romatik im psychodelisch getränktem Blues-Rock'n Roll, selbst wenn der da eigentlich gar nicht so richtig mitmachen will. Da wird mit jeder Note gerungen, will jede Melodie erkämpft sein. Daraus dann so bittersüß schmelzende Dramen wie 'We create tomorrow' zu destillieren kriegt aber eben kaum einer so gut hin wie Hugo Race.
Routinierte Unaufgeregtheit ist in 99 Prozent aller Fälle ein kaum kaschierter Euphemismus für das lustlose Runterspielen des eigenen Stiefels. Bei Hugo Race + True Spirit wirkt es einfach souverän.
Das alles ist dann auch meilenweit von dem entfernt, was laut dem verkrampften Kodex einer Rockmusik des 21.Jahrhunderts als authentisch durchzugehen hat.
Dieser Sound ist nicht zeitlos, sondern irgendwie aus der Zeit gefallen. Schön, mal wieder zu realisieren, dass man das Schwarze unter den Nägeln doch nie so richtig wegkriegt.
(von Martin, 19.10.09)