Bob Dylan |
21.04.09 Straßburg, Zénith |
Plötzlich ging alles ganz schnell. Kaum, dass wir die letzte Treppenstufe hinein ins große Rund des Innenraums erklommen hatten, gingen im Saal die Lichter aus. Genauso schnell war die Platzanweiserin da, fuchtelte mit ihrer Taschenlampe herum, redete in Französisch auf mich ein, wovon ich grade mal irgendwas von „combien de personnes“ oder so mitgekriegt hab. Dabei leuchtete sie unsere Tickets an, sagte noch etwas Unverständliches und huschte davon. Wir hinterher, derweil von der Bühne bereits eine Stimme – vermutlich vom Band – das folgende Konzert ankündigte. Ich verstand kein Wort, war völlig darauf konzentriert, die flinke junge Dame bzw. den Lichtstrahl ihrer Lampe nicht aus den Augen zu verlieren, eilte ihr nach, als hinge von dieser mir gänzlich unbekannten Frau das Gelingen meines weiteren Lebens ab, bis sie schließlich ein paar Reihen aufwärts stehen blieb, uns die Plätze zeigte und sich mit den Worten „bonne spectacle“ so schnell verabschiedete, wie sie zuvor erschienen war. Ich hasse diese großen Veranstaltungen, dachte ich, und machte es mir auf dem winzigen Schalensitz, der gefühlte 1000 Meter von der Bühne entfernt war (tatsächlich dürften es etwa 80 bis 100 Meter gewesen sein), so bequem wie eben möglich. Während ich im Kopf erst noch ankommen musste, war auf der Bühne bereits das erste Lied in vollem Gange, Cat´s In The Well vom Under The Red Sky-Album. In Legomännchengröße standen von links nach rechts zwei Gitarristen, der Basser, Schlagzeuger, Pedal-Steel-Spieler – die beiden letztgenannten saßen natürlich – und rechts am Bühnenrand, am Keyboard, seitlich zum Publikum stehend der Chef, der größte aller lebenden Musiker, leibhaftig und in Person: Bob Dylan.
Beim zweiten Song, einer tollen Version von Masters Of War, hatte ich mich einigermaßen gesammelt und konnte trotz der sehr großen räumlichen Distanz in den folgenden 110 Minuten ein grandioses, musikalisches Spektakel genießen – ja, die Platzanweiserin konnte offenbar nicht nur im Dunkeln gut, sondern auch hell sehen. Es folgte It´s All Over Now, Baby Blue, den ich als einzigen Song der mir bekannten nicht ganz so gelungen fand –ausgerechnet!! – was aber möglicherweise daran liegen mochte, dass man bei seinem Alltime-für-immer-und-ewig-absolutely-no-one-can-top-it-Lieblingslied zum besonderen Kritischsein neigt. Überdies ließ der Sound während der ungefähr ersten viertel Stunde etwas zu wünschen übrig, so dass ich zeitweise dachte, der Sänger sei nicht so gut bei Stimme. Doch sollten sich diese Bedenken bald als unbegründet erweisen, auch wenn Herr Zimmermann seine Genialität eher vereinzelt bei der Intonation des Gesangs aufblitzen ließ – dann aber umso mächtiger. Ebenso entwickelte sich die Akustik, bis diese als nicht weniger denn lupenrein zu bezeichnen wäre. Zwischen den Songs gingen stets die Lichter aus, es wurden Instrumente gewechselt, z. B. Bass gegen Kontrabass, elektrische gegen akustische Gitarren, der Pedal-Steeler nahm auch gelegentlich eine gewöhnliche Gitarre zur Hand; des Weiteren kamen Violine und Banjo zum Einsatz. Der Meister selbst spielte lediglich bei zwei Stücken E-Gitarre und beschränkte sich bei einem Stück nur auf Gesang und Harp, so dass für kurze Zeit auch die ansonsten freie Bühnenmitte mit Präsenz gefüllt war. Den Großteil des Abends verbrachte er jedoch hinterm Keyboard.
Von dort aus spielte sich Mr. Dylan mit seiner hervorragenden Bänd quer durch sein Schaffen, mit Schwerpunkten auf den Sechzigern und Modern Times, sehr bluesgeschwängert, immer wieder gespickt mit zeitlosem Rock und Rockabilly, Country und Folk waren selbstredend ebenso wenig zu überhören. Insgesamt vorrangig im Stile des 2006er Albums und des neuen, zum Zeitpunkt des Konzerts noch unveröffentlichten Together Through Life gehalten. Die absoluten Highlights des regulären Sets stellten für mich insbesondere Highway 61, Just Like A Woman und Beyond The Horizon dar. Ein weiterer Höhepunkt fand sich natürlich im die ersten 90 Minuten höchst eindrücklich beschließenden Like A Rolling Stone. Außerdem konnte ich noch identifizieren: Tweedle Dee & Tweedle Dum, Under The Red Sky, Thunder On The Mountain und Someday Baby.
Die Bühnenshow war durchweg sehr schlicht gehalten: ein schwarzer Vorhang im Hintergrund, auf welchen Lichtprojektionen geworfen wurden, dann und wann in Punkte, ein anderes Mal in Streifen getaucht, gegen Ende ein Logo; das sollte es auch schon gewesen sein – und hat vollkommen gereicht. Die Musik sprach ohnehin in endlosen Bänden für sich. Müßig zu erwähnen, dass wie immer keinerlei Worte mit dem Publikum gewechselt wurden, von der völlig unverständlich vor dem letzten Stück der Zugaben schnell hin genuschelten Bändvorstellung mal abgesehen.
Im Zugabenteil bekamen wir zunächst eine fulminant rockende Version von All Along The Watchtower präsentiert, gefolgt von einem herrlich entspannten Spirit On The Water und zuletzt, als für mich absolut unerwartete Krönung Blowin´ In The Wind. Der Song, den ich von Dylan eigentlich mit am wenigsten mag, der an diesem Abend jedoch in einer so unglaublich frisch klingenden Version daher kam, die – vom Text abgesehen – dermaßen wenig mit dem Original zu tun hatte, dass man hätte meinen können, dies sei ein Song vom neuen Album, also quasi Rekonstruktion durch Dekonstruktion. Das war nicht weniger als uneingeschränkte Spitzenklasse, einfach unvorstellbar gut, ich konnte es fast selbst nicht glauben…
So saß ich nach Ende der Vorstellung für einige Momente fasziniert, wie benommen, ja schon beinahe ehrfürchtig nach diesem nunmehr vierten Dylan-Konzert meiner Karriere als Konzertbesucher, und trotz teils widriger Umstände (Sitzplatz, weit weg vom Geschehen, kein Fernglas dabei) bleibt mir aus dem Land der Haute Cuisine nur noch zu sagen:
Dieses Konzert war allererste Sahne, mit der Crème de la Crème oben drauf, abgeschmeckt vom Feinsten der Feinschmecker mit gleich zwei Händen voller Sahnehäubchen dazu, da gibt´s absolut nix dran zu rütteln!!