Trinksenf
|
Manchmal hat man seine Einfälle an den merkwürdigsten Orten. Zum Beispiel komme ich just in diesem Moment aus der Badewanne, wo ich an diesem Novemberregensonntagabend versuchte, mich vom zurückliegenden sehr schönen, doch nicht minder anstrengenden und kräftezehrenden Wochenende zu erholen. Und während ich mich genüsslich dem überwiegend rücklings durchgeführten Liegeakt in angenehm warmem Wasser hingab, war er plötzlich da: der Trinksenf. Nun könnte dies natürlich ein sehr ausuferndes Thema werden, doch habe ich keineswegs vor, hier auf jegliche Art und sämtliche Zwecke des Trinkens einzugehen, ich möchte mich viel lieber ausschließlich der Art jenes unbedingt und unbestreitbar lebenswichtigen Vorgangs als Genuss und im speziellen zur Durchführung sozialer wie gesellschaftlicher Aktivität widmen.
Häufig fällt ja unter Bekannten oder solchen, die es werden wollen der Satz: "Wir könnten mal (wieder) ein Bier trinken gehen." Jawohl, ein sehr schöner Satz, wie ich meine -- vorausgesetzt, er ist ernst gemeint -- und den hat doch sicherlich der eine oder andere von euch auch schon mal seinem Sprachorgan entschlüpfen lassen. Und falls wider Erwarten nicht, dann legt fix die Scheu ab, mich geschwind anzurufen und mir den Satz durchs Telefon zukommen zu lassen, und sei es lediglich um zu wissen, wie es sich anfühlt, diesen Satz jemandem zu sagen.
Was aber ist zu tun, wenn man sich schließlich verabredet hat, im Lokal seiner Wahl sitzt und plötzlich feststellt: "Mist, verdammter!! Ich will jetzt gar kein Bier trinken!!"
Wäre ich heute Abend verabredet gewesen, hätte dieser unangenehme Fall ganz leicht eintreten können. Meist sitzt man dann unentschlossen da, nimmt aus Verlegenheit die Getränkekarte in die Hand und wirft ein paar unmotivierte Blicke darauf. "Hmm", denkt man dann. Wein scheidet an solchen Tagen ebenso aus, da man ja offensichtlich in diesem Moment auch auf die unbestreitbar häufig recht entspannende Wirkung des Alkohols zuvor genannter Drinks zu verzichten gewillt ist.
Je nach Kneipe gibt es zur Förderung dieser zuweilen sicherlich vernunftvollen Maßnahme eine mehr oder weniger große Auswahl an kalten und heißen Getränken, über Klassiker wie Apfelsaft und Kaffee bis hin zu irgendwelchen teils recht ausgefallenen Modegetränken wie Cocktails oder ähnlich überflüssigem Zeug. Meine persönliche Wahl fällt dann in aller Regel auf eine schmackhafte O-Saftschorle. Wobei man bei der Bestellung eines solchen Mischgetränks stets darauf achten sollte, das Wort ganz auszusprechen.
"Ich hätte gerne eine große Orangensaftschorle, bitte."
Denn sonst kann es einem leicht passieren, dass man missverstanden wird und eine Apfelsaftschorle hingestellt bekommt. "Nun hab dich nicht so, alter Haarspalter" wird sich nun der eine oder andere Leser dieses meinen Geschreibsels denken, "ist doch auch lecker!" Ist es eben nicht!!
Gelegentlich habe ich schon den Fehler gemacht -- sei es aus Rücksicht auf gestresste Service-Damen oder Kellner oder weil ich nicht wollte, dass der Saft weggeschüttet oder eine halbe Stunde später etwas abgestanden einem anderen armen, nichts ahnenden Gast untergejubelt wird -- dieses im allgemeinen recht beliebte Trinkerli nicht zurückgehen zu lassen, sondern eben selbst zu trinken. Jedoch, so gerne ich auch Äpfel verzehre, in trinkbarem Aggregatzustand schmecken sie einfach scheiße. Eine Mischung aus süß und sauer, industriezucker- und chemiehaltig aufbereitet. Bäh!! Dazu kommt noch, dass ich -- und man verzeihe mir rücksichtsvoll den erneuten Ausdrucksausrutscher auf dieser schönen Home-Päge -- davon rotzen muss wie blöd. Ohne Witz. Schon ein kleines Schlückchen genügt und meine Mundschleimhäute beginnen umgehend mit einer alle erträglichen Maße übersteigenden Produktion zähen Sekrets, das ich so schnell wie möglich aus meinem Körper verbannen möchte, ja muss!!
Tja, und da sitzt man nun also, kaum in der Lage, sich seinem Gegenüber irgendwie mitzuteilen, von vernünftiger Konversation ganz zu schweigen, denn der gesamte Oralbereich ist über und über mit Apfelsaftschorlespeichel geflutet. Und soviel Anstand bringe selbst ich mittlerweile auf, dass ich nicht eben anfange, im Lokal hemmungslos neben oder unter den Tisch zu speicheln, um die widerliche Flüssigkeit wieder los zu werden. Bleibt als letzter Ausweg dieser dringlichen Notlage, sich schnellstens auf die Toilette zu begeben um herzhaft in die Schüssel zu spucken, bis der ganze Mist wieder draußen ist. Dabei ist es sehr gut möglich, dass man sich genötigt sieht, diesen Vorgang mehrfach zu wiederholen, denn die Saftsäure kann bisweilen recht hartnäckig sein und einen eine ganze Weile mit der Nachwirkung belästigen, die der ersten Wirkung nur wenig nachsteht.
Glücklicherweise ist die Säure des mir deutlich besser bekömmlichen Orangensaftes bei weitem nicht so aggressiv, so dass ich mit den Jahren ein klein wenig schlauer geworden bin, und falsch verstehende Bedienungen umgehend darauf aufmerksam mache, dass ich eigentlich eine Orangensaftschorle bestellt hatte und gesteigerten Wert darauf lege, diese auch serviert zu bekommen. Dies ist der Zufriedenheit aller Beteiligten wohl weitaus am Zuträglichsten.
Am allervernünftigsten aber scheint mir, an solchen Tagen, an denen man kein Bier trinken möchte, sich erst gar nicht auf ein solches zu verabreden, stattdessen lieber zu Hause in die Badewanne liegt und blöde Geschichten einfallen lässt, die nicht wirklich jemand braucht, es aber dem Schreiber grade deshalb umso mehr Spaß machen kann, sie unter die Leute zu bringen.